Seit Jahrzehnten zahlt der Bund fragwürdig niedrige Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung der Empfängerinnen und Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Hartz IV und Bürgergeld. Die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung kommen dadurch für Kosten auf, die eigentlich dem Steuerzahler zuzurechnen wären. Die Ampelkoalition weiß um das Problem, sitzt es aber konsequent aus.
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Der Beitrag für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung bemisst sich nach dem Bruttoeinkommen. Die Krankenkasse verlangt davon jenen Anteil, der dem Beitragssatz von gegenwärtig durchschnittlich 16,3 Prozent (inklusive des Zusatzbeitrags) entspricht, also je 1.000 Euro Bruttoeinkommen 163 Euro. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber teilen sich diesen Beitrag, so dass Versicherte 81,50 Euro zu zahlen haben, die in der Regel auf dem Lohnstreifen abgezogen werden.
Beschäftigungslose Bürgergeldbeziehende haben jedoch weder ein richtiges Bruttoeinkommen, da sie auf das Bürgergeld keine Steuern zahlen, noch haben sie einen Arbeitgeber. Deshalb muss die Bundesagentur für Arbeit für ihre Krankenversicherung sorgen. Da die übliche Berechnungsmethode für den Krankenkassenbeitrag mangels Bruttoeinkommen nicht funktioniert, legt der Bund den Betrag, den die Bundesagentur für einen Bürgergeldbeziehende an die Krankenkasse überweist, per Gesetz fest.
Die Berechnungsmethoden dafür haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geändert, aber eines ist geblieben: Die Regierenden haben bei der Gesetzgebung die hohen Kosten vor Augen gehabt und immer wieder Beträge willkürlich festgelegt, die aus Sicht der Krankenkassen, aber auch der jeweiligen Opposition, deutlich zu niedrig waren.
Als die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 den pauschalen Krankenkassenbeitrag für die damals als Arbeitslosenhilfe bezeichnete Leistung zum wiederholten Mal deutlich kürzte, kritisierte die CDU: „Der geplante neue Verschiebebahnhof zwischen Sozialversicherungszweigen zu Lasten der Krankenversicherung kann nicht hingenommen werden. Die Absenkung der Bemessungsgrundlage für Arbeitslosenhilfeempfänger bedeutet eine weitere versicherungsfremde Leistung für die Krankenversicherung. (...) Die Absicherung der Arbeitslosenhilfeempfänger für den Krankheitsfall wird so durch die übrigen Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung subventioniert. Diese tragen damit das Risiko der längerfristigen Arbeitslosigkeit, das eigentlich dem Bund zuzurechnen ist.“ Das müsse „automatisch zu Beitragssatzerhöhungen führen”.
Dieser Streit setzt sich bis heute in gleicher Weise fort: Während Vollzeitbeschäftigte und ihr Arbeitgeber aktuell bereits in den untersten Lohngruppen einen Krankenkassenbeitrag von rund 350 Euro zu entrichten haben, gewährt der Bund sich nach wie vor einen satten Beitragsrabatt: Bei einem Beitrag von knapp 119 Euro liegt dieser Rabatt bei über 60 Prozent. Würde der Bund fair bemessene Beiträge zahlen, hätten die Beitragszahler der GKV im Gegenzug rund 9 Milliarden Euro weniger aufzubringen – und könnten einen gut 0,5 Prozentpunkte niedrigeren Beitragssatz zahlen.
Eigentlich hatte die Ampelkoalition eine Erhöhung des strittigen Betrages in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt: „Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln“, heißt es da. Doch geschehen ist bisher nichts dergleichen.