Auf dem Weg zur Gesundheit innerhalb planetarer Grenzen. Dieser Blick bestimmte Ende November 2023 die Agenda des Planetary Health Forums in Berlin – Deutschlands erster Konferenz zum Thema. Perspektiven zur Neuordnung des deutschen Gesundheitssystems wurden diskutiert, eine Strategie zur erfolgreichen Transformation von Politik und Zivilgesellschaft und vor allem die Frage: Welche Rolle kann das Gesundheitssystem übernehmen, die kein anderer in diesem Prozess spielen kann?
Alexander von Humboldt hat 1843 geschrieben, dass der Mensch das Klima verändert, durch „Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie“. Er kannte übrigens den Treibhauseffekt, der bereits 1824 vom französischen Mathematiker und Physiker Joseph Fourier beschrieben wurde. Wir sind im Jahr 2024 keine Pioniere des Klimaschutzes, sondern Nachzügler. Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) hat am 20. März 2023 den inzwischen sechsten Sachstandsbericht veröffentlicht, eine wissenschaftliche Konsensposition hinsichtlich des Einflusses des Menschen auf das Weltklima, die im Abstand von fünf bis sechs Jahren herausgegeben wird. Im sechsten Bewertungszyklus des Klimawandels wurde die Sprache unmissverständlich: „Die Klima-Zeitbombe tickt. Aber der heutige IPCC-Bericht ist ein Leitfaden zur Entschärfung der Klima-Zeitbombe. Er ist ein Überlebensleitfaden für die Menschheit.“
Das Risiko, wesentliche Klima Kipp-Punkte zu überschreiten, steigt von moderat auf hoch. Das war die Botschaft von Professor Stefan Rahmstorf, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Abteilung Erdsystemanalyse leitet, in seiner Keynote zum Planetary Health Forum 2023. Seine Warnung konnte niemand ignorieren: „Wir verlassen den Klimabereich an den sich Tier- und Pflanzenarten seit Jahrtausenden angepasst haben“. Auch Francesca Racioppi vom WHO Regionalbüro Europa brachte einen Weckruf mit nach Berlin. Sie sieht „a landmark moment for Planetary Health, Nature, Biodiversity and One Health“.
Es ist hohe Zeit, dass sich der Gesundheitsbereich selbst zum Akteur im Klimaschutz macht. Nicht nur, weil wir erkennen, wie sehr die Klimakrise und der Verlust von Biodiversität auf unserem Planeten die Gesundheit von Menschen bedrohen, sondern weil das Gesundheitssystem selbst einen großen Fußabdruck hinterlässt. Der Ressourcenverbrauch im deutschen Gesundheitswesen hat sich seit Mitte der 1990er Jahre beinahe verdoppelt. Wir reden in der Gesundheitspolitik sehr viel über Effizienz aber sehr selten über Ressourceneffizienz. Warum wohl sprechen immer noch mehr CEO in Stahlkonzernen über die Klimakrise, als die Chefs von deutschen Krankenhäusern? Was also können wir im Gesundheitssystem leisten? Übrigens auch in dem Teil, den das Gesundheitswesen selbst an kranken Menschen organisiert.
Es gibt sie bereits, mit Steuergeld geförderte konkrete Projekte zur Kreislaufwirtschaft auch im Alltag von Krankenhäusern und Arztpraxen, um die Akteure zu unterstützen, die aus der take-make-waste-economy ausbrechen wollen. Kreislaufführung, der natürliche Weg des Wirtschaftens, kann von der Ausnahme zum Normal im Gesundheitssystem werden. Das deutsche Gesundheitssystem hat die große Chance, viele Menschen zu erreichen, aber vor allem die Aufgabe, nach innen zu wirken und die eigenen Prozesse und Wertschöpfungsketten zu verändern. Die erste Konferenz in Deutschland hat gezeigt: Im Gesundheitssektor ist das Thema Planetary Health angekommen. Und so hat Dr. Martin Herrmann, Präsident von KLUG, im Auftaktpanel des Planetary Health Forums 2023 die entscheidende Frage für das Gesundheitswesen auf die Agenda gesetzt: „Es reicht nicht zu handeln. Die strategische Frage ist: Welche Rolle können wir spielen, die kein anderer in diesem Prozess spielen kann?“
Noch ist das Ausmaß von Beharrung, Lähmung und Resignation stark und präsent. Denn: „Die Basis in der Gesellschaft ist noch nicht stark genug, um anzuerkennen, worum es geht. Zu viele denken, wir könnten einfach weitermachen mit leichten Änderungen und keiner müsse durch Erschwernisse größerer Art durchgehen. Und wenn wir auf ein Problem Geld schmeißen, kann es wieder weitergehen wie bisher. Aber das stimmt nicht.“ Eine Herausforderung für Gesundheitsberufe ist: Wie können wir dies auf eine Art und Weise vermitteln, wie das kein anderer kann? Kerstin Blum und Henning Flaskamp haben einen hervorragenden Artikel dazu in dieser Ausgabe des Magazins geschrieben: WIR MÜSSEN REDEN! (Seite 38) Martin Herrmann hat die singuläre Position der Menschen im Gesundheitswesen mit einer klaren, eindringlichen Botschaft beschrieben: „Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Umgang mit Evidenzen bei einem Physiker und einem Mediziner: Unsere Fakten schreien und haben Schmerzen. Da ist es nicht so einfach zu sagen, das rechnen wir jetzt mal weg oder lassen diese Kurve weg. Wenn jemand Krebs hat, dann hat er Krebs und er hat Symptome. Was wir sehen und was wir verstehen als Gesundheitsberufen ist: Unsere Erde ist krank. Und das ist eben kein Schnupfen, sondern es wird uns die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte beschäftigen.“
Kornblumen, Klatschmohn und Health in all policies
„Die planetaren Grenzen werden mehrfach überschritten. Im Kontext von Gesundheit wird dies oft auf Klima reduziert.“ Dr. Kim Grützmacher, Leiterin Planetary Health im Museum für Naturkunde Berlin hat erklärt, weshalb es enorm wichtig ist, die Debatte breiter zu führen: „Es steht außer Frage, dass das Klima eine wichtige Bedrohung für die Gesundheit wird und dass der Zusammenhang Klima und Gesundheit adressiert werden muss. Aber Klima ist nur eine planetare Grenze. Von den neun planetaren Grenzen haben sechs bereits den sicheren Handlungsraum verlassen. Alle hängen in Wechselwirkung miteinander zusammen und haben Auswirkungen auf die Gesundheit.“
In der aktuellen Klimaschutzdebatte darf der Biodiversitätsschutz nicht vergessen werden, so die Botschaft von Kim Grützmacher: „Es gilt, Klima- und Biodiversitätsschutz zusammenzudenken.“ Der erste gemeinsame Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) und des Weltklimarates (IPCC) hat 2021 verdeutlicht, wie Biodiversitäts- und Klimakrise zusammenhängen und welche Synergien bei den Schutzbestrebungen entstehen. Es gibt 16 anerkannte Zusammenhänge zwischen der biologischen Vielfalt und der Gesundheit. Fruchtbare Böden, sauberes Wasser, saubere Luft sind nicht nur durch den Klimawandel gefährdet. Biologische Vielfalt ist wichtig für mentale Gesundheit. Sie kann helfen, Stress zu reduzieren, Depressionen zu verringern.
Das Museum für Naturkunde Berlin verfolgt seit Oktober 2022 in einem gemeinsamen Projekt mit den Kooperationspartnern Charité Berlin und Oxford Centre in Berlin das Ziel, langfristige und fundierte Lösungen globaler Herausforderungen wie Biodiversitätsverlust, Klimawandel, Gesundheit und Nachhaltigkeit zu entwickeln. Dies erfordert eine Neugestaltung der Beziehungen und Hierarchien zwischen Wissenschaft, Gesellschaft, Industrie und Politik. Ziel ist ein neuer Modus, der Wissensproduktion, Perspektiven, Wissensbestände und Kompetenzen eines weiten Spektrums von Interessengruppen integriert. Die Akzeptanz und auch der Wille zu notwendigen Anpassungen bestehender Ernährungsgewohnheiten und -systeme kann nur im Zusammenspiel zwischen diversen Handelnden im Sinne kollaborativer Wissensproduktion und nur unter Einbezug von politischen Entscheidungsträgern gelingen. In diesem Kontext werden auch die aktuellen Proteste der Landwirte auf politische Entscheidungen, die rein fiskalisch getrieben waren, schon zu Jahresbeginn 2024 relevant. Es sind gerade die biologisch arbeitenden Familienbetriebe, die für Blühstreifen an den Rändern der Ackerflächen sorgen und wegen des Verzichts auf Pestizide häufiger aufs Feld müssen, von Agrardiesel abhängig. Biodiversität in der Wechselwirkung auf die mentale Gesundheit von Menschen wird so rasch zum Thema des Landwirtschaftsministers.
Planetary Health und Geopolitik
Der Anspruch, auf dem Weg zu Planetary Health global zu denken, die Klimakrise und Gesundheitsgefährdungen als Problem aller Menschen auf unserem Planeten zu sehen, und deshalb die möglichen globalen Vernetzungen zu knüpfen, erfordert auch geopolitisch zu denken. Diesen Zusammenhang hat Professorin Dr. Anna-Katharina Hornidge vom German Institute of Development and Sustainability (IDOS), die dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) angehört, in ihrem Impuls betont.
Der aktuelle WBGU Bericht zieht folgerichtig die Einbettung der Initiativen in einen globalen Kontext und den Blick auf die globalen politischen Krisen zusammen. „Es gibt eben nicht die wenigen Lösungen, die wir einfach lokal wie global umsetzen können“, so Anna-Katharina Hornidge. „Es gibt nicht die Eine Lösung, die in die Umsetzung getragen werden kann, sondern es gibt sehr viele Suchprozesse, die wir gestalten, um dann bestehende Lösungsansätze in den lokalen Kontexten zu verhandeln, einzubetten, voranzutragen – oder eben neue Lösungsansätze, die in den sozialen Gesellschaften, die sich jeweils transformieren, weiter entwickelt werden müssen.“
Dies geschieht in einer zunehmend von Spannungen aufgeladenen geopolitischen Situation. Professorin Hornidge erinnerte an das Abstimmungsverhalten auf der Ebene der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder dem Krieg in Nahost nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, um diesen Zusammenhang zu beschreiben. Solche punktuellen Wahlmomente – wie sie es nannte – seien immer eingebettet in die Erweiterung der BRICS Gruppe: „Das ist eine Gruppe, die sich ab Januar vergrößern wird. Es ist eine Gruppe, in der die G7-Länder, also einige der traditionellen Globalakteure nicht vertreten sind.“ Deshalb beobachten die Autoren des WBGU Berichts sehr genau die Übergabe der G20 Präsidentschaft von Indien an Brasilien im G-20 Kontext, aber auch die von Japan an Italien im G-7 Kontext. „Im G-20 Kontext haben wir die Situation, dass wir vier Jahre lang die Präsidentschaften in großen Schwellenländern angesiedelt haben. Wir begleiten dort die Beratungsprozesse, gestalten Beratungsprozesse stark mit, beobachten aber auch mit Abstand, dass eine southernization der global governance-Debatte immer stärker angeheizt geführt wird. Das ist mit großem Stolz verbunden von einigen dieser Mächte. Es gipfelt aber auch zugleich in einer BRICS Erweiterung, bei der klar ist: Da diskutieren wir gar nicht mit.“
Wir können nicht warten und zuschauen, bis der Staat etwas für uns macht.
Dr. med. Martin Herrmann, Vorsitzender KLUG e.V
Die klassischen globalen Entscheider-Strukturen sind nicht mehr Teil einer Entwicklung, in der sich der globale Süden seiner politischen Macht bewusst wird und China und Russland das erstarkende Bündnis BRICS anführen. Das sind darüber hinaus Prozesse, die parallel laufen zu sozialen Polarisierungsprozessen auf allen Kontinenten und auch allen Ländertypen auf jeder Stufe der Einkommen und der klassischen Entwicklungs-Skala. „Die Klüfte werden größer und die Fronten verhärten sich auf der globalen Steuerungsebene“, sagte Anna-Katharina Hornidge. „Wir verwenden den Begriff globaler Süden zunehmend widersprüchlich: Man setzt den Begriff in Anführungszeichen, distanziert sich, verwendet ihn aber trotzdem weiter. In manchen Teilen des sogenannten globalen Südens wird dieser Begriff mit großem Stolz und fast als Kampfbegriff verwendet.“
Ein Süden, der sich konstituiert in der Abgrenzung gegen den sogenannten Norden. Das sind Perspektiven, die immer wieder das Zusammenkommen im Umgang mit den komplexer werdenden Krisenmustern erschweren. Es gibt eben nicht die eine Klimakrise, die eine Biodiversitätskrise. Es gibt die Schuldenkrise, die vor allem Niedrigeinkommensländer seit Jahrzehnten beschäftigt und soziale wie politische Polarisierung auslöst. Es gibt schwerste ökologische Krisen in diesen Ländern. Zu den zehn dreckigsten Flüssen der Welt, die Unmengen an Plastik in die Weltmeere transportieren, gehören auf Platz Eins und Zwei der Jangtse in China mit 333.000 Tonnen Plastik jährlich und der Ganges in Indien und Bangladesch mit 115.000 Tonnen Plastik. Aber auch der Cross-River in Nigeria und Kamerun, der Brantas in Indonesien und der Amazonas in Südamerika. Immerhin, der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen versucht im Spiel zu bleiben und schlägt vor, globale Bereiche hoher Dringlichkeit beschleunigt voranzutreiben – und zwar soweit wie möglich demokratisch verhandelt. Oder zumindest inklusiv-partizipativ verhandelt auf den verschiedenen Skalenebenen der lokalen bis globalen Governance, um nicht über die Demokratie-Autokratie-Logik herausgekegelt zu werden. Und auch Kohärenz zwischen internen und externen Politikfeldern ist nicht eben leicht herzustellen. Unser Anspruch und politisches Handeln nach innen geht gerade in der Energiekrise oft nicht mit unserem politischen Handeln nach Außen einher. Das zeigen nicht nur LNG-Terminals im Wattenmeer, sondern auch noch immer die meisten Lieferketten. Der Blick auf den geopolitischen Aspekt des globalen Anspruchs von Planetary Health war beim #PHF23 auch ein Blick auf sich schließende Zeitfenster und auf eine Veränderung der politischen Tektonik: Je mehr staatliche Kooperation an die beschriebenen Grenzen gerät, wird zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Kooperation an Bedeutung gewinnen.
Was ist jetzt zu tun?
Was ist der prioritäre Handlungsauftrag? Die Diskussionen beim Planetary Health Forum 2023 haben es exakt beschrieben: Schnelligkeit. Kooperatives Angehen der systemischen Fragen. Die Themen von den planetaren Grenzen gedacht – nicht ausschließlich vom Klima – auf die Agenda des Gesundheitssektors setzen. Nicht warten. Loslegen, wo Akteure im Gesundheitssystem dies können, wo Branchen sich auf den Weg machen können. Die meisten Fragen der Umweltpolitik sind über gesundheitliche Auswirkungen politisch relevant geworden. Diesen Diskurs offensiv zu führen und an den Schrauben zu drehen, die in der Nähe unserer Handlungsmöglichkeiten stehen. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie hat Transformationshebel in den sognannten Bedarfsfeldern Energie, Ernährung, Mobilität, Wohnen identifiziert. Die beiden größten Hebel, die ein deutsches Krankenhaus im Jahr 2024 hat, sind die Küche und der Einkauf.
Dr. Martin Herrmann, Präsident von KLUG machte seinen zentralen strategischen Punkt: „Ernährungswende und Energiewende müssen auf die Agenda des Gesundheitssystems. Die Energiewende zu beschleunigen, ist ein Gesundheitsprojekt. Das Gesundheitssystem hat eine Riesenmöglichkeit, die Ernährungs- und Agrarwende voranzutreiben. Wir können Biodiversität und Klima gar nicht trennen von der Gesundheit von Menschen.“ Das dickste Brett, das politisch zu bohren ist: Das Gesundheitssystem ist in diesen Politikfeldern unterrepräsentiert. So sieht die road-map von Martin Herrmann aus: „Wir müssen zivilgesellschaftliche Bündnisse vor Ort schaffen, in den Kommunen und Landkreisen. Diese Bündnisse müssen sich mit Akteuren vernetzen, die sowieso schon da sind: Kammern, Krankenhäuser, Pharmaindustrie. Wir können nicht warten und zuschauen, bis der Staat etwas für uns macht. Das Gesundheitssystem hat eine starke Rolle und der Staat kann seine Rolle nur erfüllen, wenn wir unsere Aufgaben übernehmen und erwachsene Gegenüber sind, die Klartext miteinander reden. Und es ist ein wichtiger Impuls zu sehen, wie wirkmächtig wir schon sind und noch mehr sein können. Was zum Thema Hitze im deutschen Gesundheitssystem im Jahr 2023 passiert ist, das ist in wenigen Monaten mit wenigen Köpfen entstanden. Wir können den Unterschied machen.“
Es gibt schon viele Beispiele des Gelingens, über die wir im Gesundheitssystem selten reden. Das Planetary Health Forum 2023 war deshalb auch ein wichtiges Schaufenster gelungener Projekte und inspirierter Menschen, die sich gemeinsam auf den Weg gemacht haben. Darf eine Krankenkasse mehr für eine Narkose bezahlen, wenn die Pulverinhalatoren teurer sind als die Dosier-Aeorsole mit klimaschädlichen Gasen? Wolf Rogowski, Professor für Management und Organisationsentwicklung im Gesundheitswesen an der Universität Bremen hat in einem vom BKK Dachverband geleiteten Workshop vorgerechnet, wie die Kosten des Respektierens planetarer Grenzen durchaus in eine gesundheitsökonomische Evaluation eingepreist werden können: In die Kosteneffektivität pro gewonnenes gesundes Lebensjahr kann man präzise den Nutzen von Klimaschutz einrechnen (Seite 37). Das Teilen von best-practice ist wichtiger Treibstoff der Transformation.
Der BKK Dachverband startet deshalb mit einer neuen Stabsstelle in das Jahr 2024: „Mit unserer Stabsstelle Nachhaltigkeit schaffen wir die institutionelle Grundlage für nachhaltiges Handeln im BKK-System und in der gesamten Gesundheitsbranche“ so Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes. Unter der Führung von Diplom-Gesundheitswirt Martin König wird die Stabsstelle Lösungen für nachhaltige Rahmenbedingungen in der Gesundheitsversorgung sowie deren Finanzierung entwickeln. Zentrales strategisches Ziel: ressourcenschonendes und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften soll in die Sozialgesetzgebung. 80% der road-map, die wir brauchen, ist beschrieben. Dynamik und Geschwindigkeit erreichen wir, wenn wir die Dimension der Herausforderung nicht ignorieren, aber die Möglichkeiten des Handelns eben auch nicht.
Der BKK Dachverband Workshop bei #PHF23
Nachhaltigkeit hat sich einen Platz im gesundheitspolitischen Diskurs erobert, aber der Handlungsbedarf ist akut. Unser Gesundheitswesen muss präventiver, gesundheitsfördernder, klimaresilienter, umweltschonender und klimaneutraler werden. Wie gehen wir diese Herausforderungen an? Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes, konnte am 1. Dezember 2023 die Ergebnisse des Workshops vorstellen, den der Dachverband geleitet hat.
Impulse aus Wissenschaft, GKV und Politik
- Können wir bei der Evaluation von Präventionsmaßnahmen Nachhaltigkeit in die Kosten einrechnen?
- Prof. Wolf Rogowski, Universität Bremen, hat vorgerechnet, wie die Kosten des Respektierens planetarer Grenzen in die gesundheitsökonomische Evaluation eingepreist werden können.
- Was können Krankenkassen bei Prävention heute erreichen und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen verbessern die Handlungsmöglichkeiten?
- Anne-Kathrin Klemm hat erklärt, wie Abrechnung und Strukturen der Vergütung verändert werden müssen, um Über-, Unter- und Fehlversorgung zu verändern und Prävention zu stärken: Bisher betonen Vergütungsstrukturen die Kuration vor der Gesunderhaltung und Prävention.
- Politische Rahmenbedingungen. Johannes Wagner, MdB, Bündnis 90/Die Grünen hat in seinem Impuls deutlich gemacht: Er ist ein starker Verbündeter, um das Ziel Nachhaltigkeit im SGB V zu verankern.
Das Clustern aus dem brainstorm im #PHF23 workshop hat dies ergeben:
- Auf der Makroebene: eine gemeinsame Vision entwickeln, eine gemeinsame Sprache finden und ein attraktives Zukunftsbild beschreiben, auf das sich Menschen tatsächlich zubewegen wollen: make the healthy choice the easy choice.
- Auf der Mesoebene Wissenstransfer, Strukturen und Prozesse interdisziplinär verändern, Wirkung über die gesundheitspolitische Blase hinaus.
- Mikroebene: Vernetzung und dort loslegen, wo wir stehen und Verantwortung tragen: Keiner muss auf den anderen warten.
Der vom BKK Dachverband geleitete Workshop macht deutlich: Der Schlüssel, um planetare Gesundheit zu verankern, liegt im persönlichen Nutzen und der Erkenntnis, dass Investitionen – zeitlich und finanziell – langfristig positive Effekte haben. Setzt man den Fokus allein auf das Gesundheitswesen, reicht das nicht: Wir müssen die Bedeutung planetarer Gesundheit für die Gesundheit von Menschen in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen mitdenken.