Pflege

Die Pflege muss wieder zukunftsfest und finanzierbar ausgestaltet werden!

Ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden, so lange es geht. Ein Leben mit vielen Geschichten, Erinnerungen und Gewohnheiten. Und wenn die Kräfte nachlassen und es alleine nicht mehr geht, hilft eine gute Pflege, ein Höchstmaß an Lebensqualität zu erhalten. Eine Pflege, die sich nicht nur um die körperlichen Bedürfnisse kümmert, sondern den Menschen mit all seinen Eigenheiten wahrnimmt und ihn dort abholt, wo er steht.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Leider richtig, denn die Pflege ist ein ganz wunder Punkt im deutschen Gesundheitswesen: Steigender Pflegebedarf, hausgemachter Personalmangel und ineffiziente Ressourcenverteilung, strukturelle Defizite und eine notleidende soziale Pflegeversicherung bringen das System immer mehr an seine Grenzen.

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Früh ansetzen lohnt sich - Pflegebedarf senken!

Eigentlich liegt es auf der Hand: Jede erhaltene oder wiedergewonnene Fähigkeit, zum Beispiel selbst zu duschen oder die Wohnung ohne Hilfe zu verlassen, trägt zur Lebensqualität bei und entlastet das Gesundheits- und Pflegesystem. Es müsste also genau dort angesetzt werden, wo bereits individuelle Bedarfe bestehen, aber noch keine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Nach dem Motto: Unterstützung anbieten, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Leider mangelt es nach wie vor an solchen wirksamen und individualisierten Interventionsangeboten, die helfen könnten, genau diese Fähigkeiten zu erhalten.

Der Grund: Unser Gesundheits- und Pflegesystem ist auf die Verwaltung vorhandener Defizite ausgerichtet - also die Behandlung von Krankheiten und die Bewältigung von Pflegebedürftigkeit - nicht aber auf die Erhaltung dessen, was funktioniert. Systemübergreifende Anreize für eine gezielte und flächendeckende Prävention sucht man vergebens. Andere Länder in Europa sind uns hier um Jahre voraus.

Sie halten den „Laden“ am Laufen und werden vergessen - pflegende An- und Zugehörige

„Kosten für Pflegeheime explodieren“ oder „Pflegekosten vor dem Kollaps?“ titelten die Tageszeitungen Ende 2024. Alles richtig und dramatisch genug. Doch die eigentlich viel größere Krise spielt sich in den eigenen vier Wänden der Pflegebedürftigen ab, die rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr betreut werden. Das gilt für überwältigende 84 Prozent der Pflegebedürftigen, die zu Hause und oft von den eigenen Angehörigen gepflegt und betreut werden. 

Ein Viertel der pflegenden Angehörigen kann nicht mehr voll erwerbstätig sein. Einige müssen ihre Berufstätigkeit ganz aufgeben. Bei zum Teil jahrelanger Pflege droht fast immer die Verarmung – und nicht selten auch physische und seelische Erschöpfung. Dabei leisten diese „Nächstenpflegenden“ einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft. Und was macht die Politik: Sie sitzt das Problem konsequent aus. Politische Maßnahmen wie die Einführung eines Pflegelohns, die Verbesserung der rentenrechtlichen Absicherung pflegender Angehöriger und die Schaffung eines flexiblen Pflegebudgets wären notwendige Schritte, könnten hier Abhilfe schaffen. Man muss es nur wollen!

Pflege(fach)kräfte – der Mangel bleibt Realität!

Die Pflege ächzt unter dem Personalmangel. Viele ambulante oder stationäre Pflegeanbietende können ihre offenen Pflegestellen nicht mehr besetzen. Und der Blick in die Zukunft? Düster: Laut Statistischem Bundesamt fehlten 2024 etwa 130.000 Pflegekräfte. Im Jahr 2049 könnten es bis zu 690.000 sein. 

Aber auch hier sind viele Probleme hausgemacht: Denn zum faktischen Mangel an geschulten Pflegepersonal gesellt sich – wie so oft im deutschen Gesundheitswesen – Ineffizienz dazu. Die ineffiziente und falsche Verteilung von Pflegekräften im System ist ein strukturelles Problem, das den Mangel erst richtig prekär und unkontrollierbar macht. All dies hat dramatische Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen vor Ort und damit auch auf die Qualität der Pflege.

Finanzierung – Reform überfällig, aber bitte mit Realitätsbezug

Die soziale Pflegeversicherung ist nahezu pleite. Die jüngste Beitragssatzerhöhung um 0,2 Prozentpunkte zum 1. Januar 2025 wird innerhalb kürzester Zeit verpuffen. Schon zum Ende des ersten Quartals 2025 droht das gleiche Drama von neuem. Flickschusterei an allen Ecken und Enden, Ideen für eine nachhaltige und effizientere Neuordnung der Pflegefinanzierung -  Fehlanzeige. 

Dabei fangen die Probleme gerade erst an: Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich zwischen 2013 und 2023 auf 5,69 Millionen mehr als verdoppelt - im Jahr 2055 könnten es 7,6 Millionen sein. 

Und die Kosten steigen exponentiell: Schon jetzt liegt der Eigenanteil in Pflegeheimen bei durchschnittlich 2.424 Euro, in der häuslichen Pflege müssen im Schnitt 290 Euro monatlich dazubezahlt werden. Und das bei einer Regelaltersrente nach allen Abzügen von durchschnittlich 908 Euro für Frauen und 1.348 Euro für Männer. Wer nun also eine Änderung hin zu einer Vollversicherung fordert, muss auch sagen, wie und von wem sie finanziert werden soll. Bislang überzeugt jedoch keine der vorgelegten Finanzideen.

Der Pflege muss wieder auf die Beine geholfen werden:

Die Betriebskrankenkassen wollen die Pflege wieder zukunftssicher und finanziell gesund gestalten. Sie fordern:

  • Deutschland braucht einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über Pflege, auch unter dem Gesichtspunkt, was machbar und bezahlbar ist. Eine Pflegevollversicherung ist bei leeren Kassen undenkbar. 

     

  • Die Finanzierung der SPV muss kurzfristig stabilisiert werden. Die SPV ist von versicherungsfremden Leistungen zu befreien und perspektivisch durch einen dauerhaften Steuerzuschuss zu stützen. Zudem ist ein Lasten- bzw. Risikoausgleich zwischen der privaten Pflegepflichtversicherung und der SPV zu installieren. Mittelfristig ist eine umfassende Struktur- und Finanzreform erforderlich, die auch das Zusammenspiel von SPV und GKV in einer alternden Gesellschaft in den Blick nimmt.
  • Notwendig ist eine Neuordnung des Leistungs- und Vertragsrechts der SPV, die unter anderem die starre sektorale Trennung zwischen ambulant und stationär überwindet. Prämisse ist dabei die Beibehaltung des Teilleistungsprinzips der SPV.
  • Prävention muss konsequent und frühzeitig in den Versorgungs- und Pflegeprozess integriert werden und eine engere Verzahnung von medizinischer und pflegerischer Versorgung sicherstellen. Es bedarf alltagsnaher Präventionskonzepte mit einer digitalen Plattform, auf der Präventionsangebote wohnortnah und trägerübergreifend zur Verfügung gestellt werden. Die Pflegeberatung könnte zu einer Präventionsberatung auch für Menschen ohne Pflegegrad ausgebaut werden. Auch die Kurzzeit- und Tagespflege sollte konsequent präventiv und rehabilitativ ausgerichtet werden.

     

  • Dem Mangel an Pflegefachkräften und Pflegehilfskräften muss entgegengewirkt werden: Mit einer effizienten Verteilung der Pflegenden im System, einem sinnvollen Qualifikationsmix, mehr Kompetenzen für spezialisierte Pflegende (APN), effizienten regionalen Versorgungsstrukturen und guten Arbeitsbedingungen.

     

  • Notwendig ist eine pflegepolitische Gesamtstrategie, in der die Nächstenpflege explizit gestärkt werden muss. Dazu gehört unter anderem die Förderung von Kurzzeitpflegeplätzen und betrieblich angebundenen Tagespflegeplätzen. Pflegende An- und Zugehörige müssen - unter bestimmten Voraussetzungen - einen eigenen Anspruch auf einen Pflegelohn erhalten.

Dieser Artikel erläutert eine von insgesamt sechs Forderungen der Betriebskrankenkassen
an die nächste Bundesregierung nach der Bundestagswahl 2025. #rebootGKV

Forderungen zur Bundestagswahl 2025 der Betriebskrankenkassen

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