Seit dem Aus der Ampelkoalition liegen viele gesundheitspolitische Vorhaben auf Eis. Am 23.
Februar 2025 hat die Bundestagswahl über den neuen Bundeskanzler und dessen Kabinett entschieden. Ob bei der Pflege, bei der Rahmengesetzgebung, im Präventionsbereich oder bei der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung: Es gibt viel zu tun! Lesen Sie hier, welche Aufgaben die neue Bundesregierung und der neue Bundestag aus Sicht der Betriebskrankenkassen in der kommenden Legislatur lösen müssen.

Die hohen Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erregen die Gemüter: Sie sind zum Jahreswechsel im Durchschnitt um 1,1 Prozentpunkte angestiegen und senken das Nettoeinkommen der Versicherten. Es ist die größte Beitragserhöhung seit fast 30 Jahren, die aber so nicht hätte kommen müssen. Doch die letzten Regierungen haben den Krankenkassen immer mehr Kosten für Aufgaben aufgebürdet, die eigentlich nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.
So hat die kürzlich gescheiterte Ampelkoalition verfügt, dass die Krankenkassen für die Hälfte der Ausgaben der Klinikreform aufkommen sollen. 25 Milliarden Euro werden ab 2026 in den strukturellen Umbau der Krankenhäuser fließen – dabei sind eigentlich die Bundesländer für derartige Investitionen zuständig. Auch bei den Versicherungsbeiträgen für Bürgergeldbeziehende gibt es eine unverhältnismäßige Schieflage zu Ungunsten der Krankenkassen. Weil sich der Bund einen satten Rabatt gibt und der GKV nur 119 statt der eigentlich fälligen 350 Euro je Bürgergeldbeziehendem zurückzahlt, verlieren die Kassen rund neun bis zehn Milliarden Euro. Ein weiteres Beispiel ist die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, die wie bei Luxusgütern 19 Prozent beträgt, während auf Waren des täglichen Bedarfs nur sieben Prozent berechnet werden.

Dynamischer Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen
Diesen Entwicklungen müssen die künftige Bundesregierung und der Bundestag dringend Einhalt gebieten! Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen, die die Sozialversicherungsbeiträge hälftig bezahlen, müssen langfristig entlastet werden. Um die GKV-Finanzen und die Versichertenbeiträge zu stabilisieren, ist es zum einen notwendig, den Zuschuss, den der Bund den Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen gewährt, den Ausgaben entsprechend dynamisch anzupassen. Zum anderen sollten die Bundesländer, wie in der Verfassung vorgesehen, in Zukunft wieder sämtliche Investitionskosten für die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen übernehmen. Zudem würde eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Waren und Dienstleistungen, die der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger dienen, die Krankenkassen und ihre Versicherten finanziell entlasten.
Die Pflege braucht eine solide Finanzierung und Ausgestaltung
Neben einer fairen Ausgestaltung der GKV-Finanzierung gehören die Sanierung der Pflege sowie der sozialen Pflegeversicherung (SPV) ganz oben auf die Agenda. Die Zahl der Fachkräfte, die die Menschen ambulant oder in Pflegeheimen versorgen, kann mit der wachsenden Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die immer älter werden und mehr Unterstützung im Alltag benötigen, nicht mehr Schritt halten. Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich zwischen 2013 und 2023 auf 5,69 Millionen mehr als verdoppelt; im Jahr 2055 könnten es 7,6 Millionen sein. Dabei fehlten bereits 2024 laut Statistischem Bundesamt rund 130.000 Fachkräfte in der Pflege. Im Jahr 2049 könnte das Delta Prognosen zufolge auf bis zu 690.000 anwachsen.
Die Pflegekosten steigen und steigen
Und die Kosten für die Pflege steigen und steigen: Schon heute liegt der Eigenanteil in Pflegeheimen bei durchschnittlich 2.424 Euro, in der häuslichen Pflege müssen Betroffene im Schnitt 290 Euro monatlich aus eigener Tasche bezahlen. Zugleich ist die soziale Pflegeversicherung 30 Jahre nach ihrer Einführung praktisch pleite: Die jüngste Beitragssatzerhöhung um 0,2 Prozentpunkte zum 1. Januar 2025 wird innerhalb kürzester Zeit verpuffen.
Deutschland braucht eine tragfähige pflegepolitische Gesamtstrategie
Um diese schwierige Gemengelage aufzulösen und wieder zum Guten zu wenden, braucht Deutschland eine tragfähige und zukunftsorientierte pflegepolitische Gesamtstrategie, die vor allem die Nächstenpflege stärkt. Dazu gehört ein rationaler Diskurs, der auslotet, was politisch machbar und auch finanzierbar ist.
Soziale Pflegeversicherung finanziell stabilisieren
Die neuen politisch Verantwortlichen müssen sich dringend mit der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung beschäftigen und diese kurzfristig stabilisieren. Dazu ist es notwendig, die soziale Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen zu befreien und perspektivisch durch einen dauerhaften Steuerzuschuss zu stützen. Darüber hinaus ist ein Risikostrukturausgleich zwischen der privaten Pflegepflichtversicherung und der sozialen Pflegeversicherung zu installieren, da die Versicherten der sozialen Pflegeversicherung ein höheres Pflegerisiko als die Privatversicherten haben, aber z.B. die Ausbildungskosten mitbezahlen. Mittelfristig führt kein Weg an einer umfassenden Struktur- und Finanzreform vorbei, die auch das Zusammenspiel von sozialer Pflegeversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung in einer alternden Gesellschaft berücksichtigt, um Fehlanreize und Systembrüche zu vermeiden.
Fachkräftemangel durch effizientere Personalverteilung begegnen
Die Pflegebranche ächzt unter dem Personalmangel. Nur wenige ambulante oder stationäre Pflegeanbietenden können ihre offenen Stellen noch besetzen. Zum Mangel an geschultem Pflegepersonal gesellt sich ein hohes Maß an Ineffizienz: Die falsche Verteilung von Pflegekräften im System ist ein strukturelles Problem, das den Fachkräftemangel erst richtig prekär und unkontrollierbar macht. All dies hat dramatische Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen vor Ort und damit auch auf die Qualität der Pflege.
Der Schlüssel sind attraktive Arbeitsbedingungen, die es ermöglichen, Personal zu halten, zurückzugewinnen oder die Arbeitszeiten auszuweiten. Es braucht daher mehr Verbindlichkeit. So muss eine Pflegeeinrichtung einen laufenden BGF-Implementierungsprozess vorweisen, um für die Versorgung zugelassen zu werden.
Beschäftigte an erste Stelle setzen
Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege und effiziente regionale Versorgungsstrukturen können nur gewährleistet werden, wenn das vorhandene Personal an den richtigen Stellen eingesetzt wird. Dazu bedarf es einer detaillierten Bedarfsplanung, die die unterschiedlichen vorhandenen Qualifikationen berücksichtigt. Zudem sollten die Pflegeberufe mehr Kompetenzen erhalten, interdisziplinärer arbeiten dürfen und hochqualifizierte Pflegekräfte, sogenannte Advanced Practice Nurses (APN), eingesetzt werden.
Pflegende Angehörige mit Lohn und Rente absichern
Seit langem ist bekannt, dass viele Angehörige, die hierzulande den größten Teil der Pflege leisten, regelmäßig an ihre Grenzen stoßen. Sie versorgen derzeit mehr als 84 Prozent aller Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit und nehmen dafür oft jahrelang erhebliche körperliche, psychische und finanzielle Entbehrungen in Kauf. Mehr als Hälfte derjenigen, die einen Angehörigen zu Hause pflegen, können ihren eigenen Beruf nicht mehr in vollem Umfang ausüben oder müssen ihre Berufstätigkeit für ihren Pflegeeinsatz sogar ganz aufgeben.
Das sind Zustände, die so nicht bleiben dürfen. Pflegende Angehörige leisten mit ihrem Engagement einen entscheidenden Beitrag, der unsere gesamte Gesellschaft trägt und buchstäblich am Leben hält. Es ist daher höchste Zeit, ihren Einsatz und ihre Leistung zu würdigen und politische Maßnahmen zu ergreifen, die ihnen den Dienst am Nächsten erleichtern und die Pflegenden langfristig sozial absichern. So könnten die Einführung eines Pflegelohns unter bestimmten Voraussetzungen, eine volle rentenrechtliche Absicherung und die Schaffung eines flexiblen Pflegebudgets die derzeit desolate Situation in der häuslichen Pflege deutlich verbessern.

Pflegebedürftigkeit durch Prävention hinauszögern
Zukünftige Pflegepolitik muss zudem in hohem Maße auf Prävention ausgerichtet sein. Es müssen alltagsnahe präventive Konzepte entwickelt werden, die darauf abzielen, den Eintritt von Pflegebedürftigkeit zu verhindern oder zumindest so lange wie möglich hinauszuzögern. Dazu bedarf es einer digitalen Plattform, die der Bevölkerung Präventionsangebote wohnortnah und trägerübergreifend zur Verfügung stellt. Ein solcher Schritt entlastet nicht nur die Pflegenden, sondern verhilft auch den potentiell Pflegebedürftigen zu längerer Autonomie und besserer Lebensqualität.
Pflegeberatung zur Präventionsberatung für Bürger ohne Pflegegrad ausbauen
Es ist daher dringend von Nöten, individualisierte Unterstützungsangebote für die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln, damit sie so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben ohne fremde Hilfe führen können. An einer solchen Prävention mangelt es dem derzeitigen Gesundheits- und Pflegesystem in Deutschland: Es ist zu sehr auf die Behandlung von Krankheiten und auf die Bewältigung von Pflegebedürftigkeit ausgerichtet. Anreize für eine gezielte und flächendeckende Vorsorge sucht man hierzulande dagegen leider vergebens. Das muss sich ändern!
Sozialgesetzgebung neu denken: Gesundheit und Gesunderhaltung muss übergeordnetes Ziel und Leitprinzip werden.
Die Gesunderhaltung der Menschen muss im Vordergrund stehen
Nicht nur die Pflege leidet unter mangelnder Prävention. Vielmehr ist das gesamte deutsche Gesundheitswesen davon betroffen: Laut Berechnungen der Europäischen Union (EU) sterben in Deutschland jährlich rund 124.000 Menschen wegen unzureichender gesundheitlicher Prävention. Das ist viel zu viel und mehr als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern: Im Vergleich der durch Prävention vermeidbaren Sterbefälle liegt Deutschland mit 157 pro 100.000 Einwohner und Jahr nicht nur hinter Ländern wie Dänemark, Schweden, Norwegen und den Niederlanden, sondern auch hinter Frankreich, Italien, Irland, Portugal und Spanien.
Prävention als oberstes Prinzip der Versorgung
Die zukünftige Gesundheitspolitik muss hier gegensteuern und Prävention und Gesundheitsförderung als oberste Prinzipien in der Gesundheitsversorgung verankern. Die Prävention muss endlich raus aus der Nische. Im Jahr 2023 gaben die gesetzlichen Krankenkassen pro Versicherten insgesamt 4.126,01 Euro aus, für Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Erkrankungen im Sinne des Sozialgesetzbuchs dagegen nur 8,49 Euro. Das sind gerade einmal zwei Promille oder 0,2 Prozent. Das Bild ändert sich auch nicht, wenn man die Gesamtausgaben für Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung betrachtet: 2023 betrug der Anteil der Ausgaben für Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung nur rund drei Prozent der gesamten Leistungsausgaben. Damit entfallen noch immer 97 Prozent der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Behandlung von Erkrankungen.
Gesundheit als Leitprinzip in allen Politikfeldern verankern
Dieser Status quo wird sich nur ändern, wenn Gesundheit und Gesunderhaltung als übergeordnete Ziele in allen Politikfeldern – also etwa auch in den Bereichen Verkehr, Arbeit, Wirtschaft, Bildung, Umwelt und Ernährung – und bei allen Gesetzesvorhaben mitgedacht werden und auch die Sozialgesetzgebung diesem neuen Denken angepasst wird. Krankheitsprävention muss im Sinne des Vorsorgeprinzips Priorität in der Gesundheitsversorgung erhalten. Die Betriebskrankenkassen wollen hierzu ihren Beitrag leisten und so viel wie möglich dafür tun, dass ihre Versicherten gar nicht erst krank werden, sondern gesund bleiben.
Krankenkassen sollten Versicherten präventive Beratung anbieten dürfen
Die Krankenkassen sollten daher künftig individuell auf ihre Versicherten zugehen dürfen, um sie auf der Grundlage von sogenannten Routinedaten, aus denen Diagnosen, Therapieformen sowie Therapieerfolge und -misserfolge hervorgehen, gezielter und individueller beraten zu können. Die elektronische Patientenakte (ePA), die künftig für alle gesetzlich Versicherten zur Verfügung steht, bündelt vielfältige weitere Informationen zur Biographie jedes Versicherten aus medizinischer Sicht. Sie wird damit perspektivisch zu einem persönlichen Gesundheitsdatenraum mit Hoheit über die eigenen Daten für alle Versicherten und kann die Versorgung effizienter und zielgerichteter gestalten. Die Telemedizin ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern darüber hinaus, medizinische Messwerte aller Art in Echtzeit zu übermitteln. Alles das bietet große Potentiale, die Versorgung in Zukunft individueller und besser zu machen.
Das Sozialgesetzbuch muss neu geschrieben werden
Die Prozesse und Institutionen unseres Gesundheitswesens beruhen auf der Reichsversicherungsordnung (RVO) von 1911, die schrittweise in die Sozialgesetzbücher überführt wurde und in Teilen noch immer gilt. Doch die detailreiche und komplexe Gesetzesgrundlage ist intransparent, nicht mehr zeitgemäß und dringend reformbedürftig. Statt die Sozialgesetzbücher von Grund auf neu und zeitgemäß zu gestalten, haben die verschiedenen Regierungen in der Vergangenheit die darin enthaltenen Regelungen fortgeschrieben und immer weiter ausdifferenziert. Insbesondere das Sozialgesetzbuch V hat sich dadurch zu einem undurchschaubaren bürokratischen Monstrum entwickelt, das das Gesundheitswesen in ungesundem Maße überreguliert, ohne die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten spürbar zu verbessern.
Fehlanreize im Gesetz führen zu immenser Ressourcenverschwendung
Das Sozialgesetzbuch V ist heute ein Buch voller Fehlanreize, das im Versorgungsalltag zu einer immensen Verschwendung von Ressourcen beiträgt. Ein Beispiel: In Deutschland kommen auf 100.000 Einwohner 776 Krankenhausbetten – in Schweden reichen dagegen 200, in Spanien 296, in Dänemark 251 und in Italien 312. Natürlich kämpfen die deutschen Kliniken um ihre Rentabilität – und sind überwiegend fast pleite.
Viele stationäre Behandlungen, obwohl ambulante Versorgung möglich wäre
Patientinnen und Patienten werden hierzulande häufig stationär behandelt, obwohl dies auch ambulant möglich wäre. Aber mehr ambulante Versorgung, auch bei Operationen, ist schwer durchsetzbar in einem System, in dem zu viele Betten warten und Krankenhäuser und Ärzte und Ärztinnen in unterschiedlichen Vergütungssystemen erbittert um knappe Budgets konkurrieren. Es ist daher kein Zufall, dass Deutschland beispielsweise bei den Krankenhauseinweisungen im EU-Vergleich eher mäßig abschneidet.
Die Gesetzesgrundlage der solidarischen Krankenversicherung ist intransparent, nicht
mehr zeitgemäß und dringend reformbedürftig
„Sektoren-Silos“ statt Verzahnung und Vernetzung
Auch Verzahnung und Vernetzung gehören nicht zu den Stärken des Sozialgesetzbuchs. Nach wie vor besteht die Versorgungslandschaft in Deutschland aus „sektoralen Silos“ und einzelnen Sozialgesetzbüchern für Gesundheit, Pflege, Rehabilitation und Teilhabe (sowie Sozialhilfe, Rente, Arbeitslosigkeit, Unfallversicherung, Jugendhilfe und andere). Nebeneinander statt Miteinander ist die Devise. Netzwerke und Pfade entlang der Prävention, Versorgung, Rehabilitation und Pflege, die von den Bedürfnissen der Versicherten ausgehen und den Menschen einen spürbaren Nutzen und mehr Sicherheit bei der Navigation durch den Versorgungsalltag bieten würden, haben es in einem solchen Setting schwer.
Integrierte Versorgung zur Orientierung der Patienten
Aus den genannten Gründen ist es an der Zeit, das Sozialgesetzbuch neu zu schreiben. Ein neues Sozialgesetzbuch muss die Zusammenarbeit der verschiedenen Versorgungsbereiche, also die integrierte Versorgung, in den Mittelpunkt stellen. Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, weitere Gesundheitsberufe wie bspw. Ergotherapeuten und Psychotherapeutinnen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sollte es zur Pflicht werden, medizinische Leistungen gemeinsam zu erbringen, sich über die Behandlung von Patienten abzustimmen und für einzelne Phasen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu benennen. Dies gibt den Patientinnen und Patienten Orientierung und Sicherheit.
Einfacher Zugang zu medizinischen Leistungen als Leitprinzip
Der einfache Zugang der Versicherten zu medizinischen Leistungen sowie eine qualitativ hochwertige Versorgung sollten als Leitprinzipien festgeschrieben werden. Eine neue gesetzliche Grundlage muss ausschließen, dass Hilfebedürftige wochen- oder gar monatelang auf notwendige Arzttermine oder medizinische Eingriffe warten müssen.
Einheitliches Vergütungssystem muss Behandlungsqualität Rechnung tragen
In das Sozialgesetzbuch gehört auch ein neues, einheitliches Vergütungssystem für alle Leistungserbringenden: Es sollte nicht mehr danach unterscheiden, ob Gesundheitsleistungen ambulant oder stationär erbracht werden und auch die Qualität einer Behandlung berücksichtigen. Außerdem sollte das Gesetz Anreize für ressourcenschonende Behandlungsformen setzen.
Wettbewerb der Kassen fördert Innovation
Nicht zuletzt muss ein neues Sozialgesetzbuch die Krankenkassen in die Lage versetzen, untereinander in einen Wettbewerb um die beste medizinische Versorgung einzutreten. Dies ermöglicht technischen Fortschritt und medizinische Innovationen zum Nutzen der Versicherten.
Nachhaltigkeit im Sozialgesetzbuch verankern
Auch Nachhaltigkeit gehört dringend ins Sozialgesetzbuch. Schließlich zählt das Gesundheitswesen mit zu den größten Emittenten von klimaschädlichen Gasen und produziert riesige Mengen an Abfall. Auf der anderen Seite muss das Gesundheitssystem für die Folgekosten des Klimawandels aufkommen, etwa für die Zunahme von Allergien und anderen Krankheiten und deren Behandlungen.
Bislang müssen Krankenkassen als Kostentragende medizinische Leistungen auch dann bezahlen, wenn sie die Umwelt mehr als nötig belasten. Sie haben in der Regel keinen Einfluss auf die Ausgestaltung bestimmter Leistungen und müssen bezahlen, was Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und andere Leistungserbringende nach allgemein gültigen Vergütungsregeln abrechnen. Verträge, in denen Nachhaltigkeit verankert werden könnte, können die Kassen in der Regel nicht schließen, weil das Sozialgesetzbuch ökologische Nachhaltigkeit nicht vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Beteiligten allein dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsgebot, wonach Gesundheitsleistungen notwendig, zweckmäßig und kostengünstig zu erbringen sind.
Die Politik sollte neben dem Wirtschaftlichkeitsgebot auch ein Nachhaltigkeitsprinzip im Sozialgesetzbuch verankern. Zudem müssen Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringenden zu schließen, die konkrete Maßnahmen zur Nachhaltigkeit beinhalten.
Nachhaltigkeitsstrategie muss Doppelrolle der Kassen berücksichtigen
Nicht zuletzt bedarf es einer verbindlichen nationalen Nachhaltigkeitsstrategie für das Gesundheitswesen. Sie muss es allen Akteuren möglich machen, klare Ziele und Maßnahmen daraus abzuleiten und dabei die besondere Rolle der Krankenkassen als Kostentragende und für die Gesundheit der Menschen Verantwortliche berücksichtigen.
#rebootGKV – Neu machen, anders machen, besser machen muss die Devise!
Die Politik muss sich also endlich ein Herz fassen und die Probleme anpacken. Neu machen, anders machen, besser machen muss die Devise in der neuen Legislatur sein – für eine zukunftsfeste und bezahlbare Gesundheitsversorgung und Pflege, für den sozialen Zusammenhalt und für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dieses Ziel erreichen wir nicht mit einer Politik der Tippelschritte, sondern nur mit einem großen politischen Wurf, mit einem „Reboot“ der gesetzlichen Krankenversicherung.