Anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit zum vorliegenden Gesetzentwurf nimmt der BKK Dachverband zu ausgewählten Sachverhalten wie folgt Stellung:
Die Eröffnung von neuen Tätigkeitsfeldern für Pflegefachpersonen im Rahmenvertrag nach § 73d SGV (neu) wird ausdrücklich begrüßt. Dies ist ein wichtiger – von den Betriebskrankenkassen immer wieder geforderter – Zwischenschritt auf dem Weg zu einem kompetenzgestuften Pflegesystem, welches den aktuellen Herausforderungen in der Versorgung adäquat begegnet. Gemeinsam mit dem Pflegefachassistenz- und dem angekündigten Pflege- und Gesundheitsexperten-Einführungsgesetz muss daraus eine schlüssige und durchlässige Kompetenz- und Bildungsarchitektur in der Pflege resultieren. Dies schließt eine klare Definition von Rechten, Verantwortlichkeiten, sowie das professionelle Miteinander mit anderen Berufsgruppen mit ein.
Der BKK Dachverband kann grundsätzlich das Ziel nachvollziehen, mit einem neuen „stambulanten“ Versorgungssektor eine Zwischenform zu den Sektoren ambulant und stationär zu schaffen. Damit wird gesetzlich jedoch eine Versorgungsform abgebildet, die mit den bestehenden Regelungen bereits realisierbar ist. Aus den nun vorliegenden kleinteiligen, komplexen und damit bürokratischen Regelungen geht hingegen kein nachhaltiger Innovationsschub für die soziale Pflegeversicherung (SPV) hervor. Lediglich ein eng umrissenes Wohn- und Pflegemodell wird damit in die Regelversorgung gebracht, wobei das Festhalten an der strengen Sektorensystematik in der SPV die notwendige Durchlässigkeit zwischen den Sektoren verhindert. Bestehende Wohngemeinschaftsansätze bzw. neue Versorgungsansätzen, die gerade erprobt werden oder sich in älteren Modellvorhaben als zielführend erwiesen haben, profitieren von den hier vorgelegten Änderungen hingegen nicht. Im Gegenteil: Die Regelungen zu den gemeinschaftlichen Wohnformen brechen einerseits die Logik des Leistungsrechts und führen damit zu einer zunehmenden Unübersichtlichkeit und andererseits zu einem Aufwuchs an Komplexität im Vertragsrecht und damit bei der Zulassung und den Vergütungsverhandlungen. In der Praxis dürfte sich der Versorgungsmehrwert insofern marginalisieren und damit nicht bewähren. Daher lehnen wir diese Regelung als unnötig und verkomplizierend ab.
Der BKK Dachverband begrüßt ausdrücklich die Öffnung des Zugangs von Präventionsleistungen für die häusliche Pflege. Prävention und Gesundheitsförderung ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit der Pflegeversicherung. Allerdings sehen wir hier noch Ausbau-, Konkretisierungs- und Nachbesserungsbedarfe, um einerseits Synergien zwischen GKV und SPV zu heben und zudem Menschen mit dem Risiko einer drohenden Pflegebedürftigkeit in den Blick von Präventionsleistungen zu nehmen. Zudem werden verschiedene parallele Zugangswege und Ansatzpunkte, sowohl für Pflegebedürftige, als auch von Pflegebedürftigkeit bedrohten Personen benötigt. Die zielgruppengerechte Gesundheitsförderung muss im Kontext von Pflegebedürftigkeit neu justiert werden und dabei viel früher ansetzen.
Die im Gesetz angelegte Stärkung der kommunalen Pflegestruktur- und Bedarfsplanung ist grundsätzlich begrüßenswert. So wie im Gesetzesentwurf vorgeschlagen dürften die Regelungen ihren Zweck allerdings nicht erfüllen, weil sie den Pflegekassen u.a. keine tatsächlichen Durchgriffsmöglichkeiten geben. Der Gesetzgeber muss den Pflegekassen daher folgende Handlungsoptionen im Zulassungsgeschäft ermöglichen: Ablehnung des Zulassungsbegehrens, Umwandlung des Versorgungsvertrags oder die Ausschreibung von Versorgungsverträgen für bestimmte Angebote. Dies sieht der vorliegende Entwurf jedoch nicht vor, sodass es auf dieser Grundlage zu keiner echten Bedarfssteuerung kommen kann. Ferner ist klarzustellen, dass der Sicherstellungsauftrag bezogen auf die Infrastruktur weiterhin den Ländern obliegt und sich gleichermaßen der Sicherstellungsauftrag der Pflegekassen weiterhin auf die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten – und dies im Einzelfall – bezieht. Außerdem fehlt eine einheitliche Struktur der Datenerhebung und -nutzung für eine Bedarfsplanung. Sollte der Sicherstellungsauftrag es erforderlich machen, haben die Pflegekassen künftig ggf. Einzelpflegepersonen anzustellen. Der BKK Dachverband lehnt dies weiterhin ab, da der Umstand aus einer durch Leistungserbringer verursachten Unterversorgung entstehen kann.
Der BKK Dachverband unterstreicht die Notwendigkeit die pflegerische Versorgung weiterzuentwickeln in Bezug auf die Infrastruktur, des Personaleinsatzes, der Versorgungssektoren usw. Nur durch eine klare Kompetenzordnung der Pflegeberufe, verbunden mit einer evidenzbasierten, wissenschaftlich fundierten Pflegeinfrastruktur- und Bedarfsplanung, kann den heutigen Herausforderungen in der ambulanten und stationären Versorgung wirksam begegnet werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist dabei als Vorgriff der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ zu verstehen. Dabei müssen die Versorgungsgebiete effizient gestaltet, bürokratische Hürden abgebaut und neue innovative Versorgungsmodelle gefördert werden. Die bisherigen Maßnahmen im vorliegenden Entwurf sind nur bedingt geeignet, um eine zukunftsfähige und qualitätsgesicherte Pflege nachhaltig zu gewährleisten. Dies muss also in Folgeregelungen nachgeholt werden.
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Antonia Müller
Referentin Politik
Pflege, Prävention, Heil- und Hilfsmittel, Europa, UPD, Nachhaltigkeit und Klima
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Antonia Müller arbeitet seit März 2024 als politische Referentin beim BKK Dachverband. Die studierte Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin ist für politische Fragestellungen zu den Themengebieten Digitalisierung, Prävention, Heil- und Hilfsmittel, Nachhaltigkeit, Pflege und Europa zuständig. Zuvor hat sie als Mitarbeiterin im Bundestag und Referentin im Deutschen Landkreistag in der Pflegepolitik gearbeitet.