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"Der Staat muss weitere Milliarden geben, um die Beitragssätze in der Sozialversicherung stabil zu halten."

Interview zum Konjunkturpaket mit Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverband e.V.

30 Milliarden Euro will Deutschlands Bundesregierung ausgeben, um die Konjunktur infolge der Corona-Pandemie wieder anzukurbeln. Ein Teil davon soll ins Gesundheitswesen fließen - drei Milliarden Euro etwa ins "Zukunftsprogramm Krankenhäuser", eine Milliarde in die nationale Arzneimittelproduktion und den Ausbau der Gesundheitsämter. SWR Aktuell Radio hat unseren Vorstand Franz Knieps gefragt, war er vom Corona-Konjunkturpaket hält - und was das System aus der Krise gelernt hat.

Eine Krankneschwester überprüft im Operationssaal am Monitor die Werte eines Patienten.

Herr Knieps, für die Maßnahmen gibt es schätzungsweise so viel Geld wie für die Rettung der Lufthansa, vielleicht sogar weniger. Sollte uns das Gesundheitssystem nicht mehr wert sein?

Das kommt immer darauf an, wo man die Schwerpunkte legt. Das Gesundheitswesen ist ja nicht so ein Monolith wie die Lufthansa sondern hat viele Akteure auf vielen Ebenen: Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherungen, Privatversicherungen, Leistungserbringer öffentlich rechtlicher und privater Natur. Deshalb muss man zusammenzählen, was sich wie auswirkt. Beispielsweise wirken sich günstigere Mehrwertsteuersätze auch auf das Gesundheitswesen aus, selbst wenn sie nicht da erscheinen als Bilanz.

Wie viel spart zum Beispiel Ihre Krankenkasse voraussichtlich?

Das können wir noch nicht kalkulieren. So schnell schießen die Preußen nicht, dass sie sozusagen da in die letzte Ritze schauen können. Ich möchte aber noch auf eine andere Sache aufmerksam machen. Das Paket enthält vorne, nicht im Teil Gesundheit, ja auch ein Bekenntnis zur 40-Prozent-Grenze der Sozialversicherungsbeiträge und das heißt natürlich auch eine Begrenzung der Krankenversicherungsbeiträge. Und obwohl es so nicht ganz genau formuliert da drinsteht, bedeutet das, dass der Staat weitere Milliarden geben muss, um die Beitragssätze stabil zu halten. Das gilt dann auch in Richtung Rentenversicherung, in Richtung Pflegeversicherung, in Richtung Arbeitslosenversicherung.

Also Geld wird genug ausgegeben, zumindest viel. Die Krankenhäuser freuen sich, dass sie mit diesem Geld die längst geplante Digitalisierung bekommen. Ist das eigentlich langfristig nützlich oder erhöht es nur die Gewinne der Klinikkonzerne?

Nein, es ist nützlich. Die Frage der Trägerschaft ist eine politisch sehr streitige in unserem Land. Ich will aber nicht pauschal den privaten Krankenhäusern Profitgier und unangemessene Rendite unterstellen. Als Krankenversicherung ist für mich viel wichtiger, dass das Geld auch dort ankommt, wo zukunftsträchtige Strukturen entstehen. Wir haben ja eine Debatte in Deutschland, ob diese vielfältige und ausdifferenzierte Krankenhauslandschaft, die wir haben, in der Krise nützlich oder eher hinderlich war.

Wie ist denn Ihre Ansicht?

Meine Ansicht ist klar: Sie war wenig nützlich. Er ergibt doch keinen Sinn, in kleinen Krankenhäusern aus einem Intensivbett zwei zu machen, wenn die dort behandelnden Ärzte und Pflegekräfte gar keine Erfahrung in der Behandlung intensivpflichtiger Lungenkranker haben. Mir ist aber auch klar, dass diese Frage in Flächenländern wie Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg ganz anders zu beantworten ist als in Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg oder Bremen, wo in jedem dritten Haus ein Krankenhaus ist.
Vielleicht ist es aber doch gerade sinnvoll in so einer Krise, wenn in jedem Krankenhaus jemand ist, der sich mit Intensivpflege auskennt und dass man dann nur noch die Technik hinstellen muss...
Das wird man aber nicht gewährleisten können in normalen Zeiten. Denn diese Menschen in kleinen Krankenhäusern sehen zu normalen Zeiten diese Patienten nicht. Ich komme selbst aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Ich weiß, von welchen Schwierigkeiten man da redet.

Ein weiterer Punkt in diesem Konjunkturpaket ist der Aufbau von "modernen Notfallkapazitäten". Sind das nicht genau die Behelfskrankenhäuser und Notbetten, die der Bund in den vergangenen Jahrzehnten beim Katastrophenschutz einfach weggestrichen hat?

Naja, ich glaube nicht, dass wir nochmal daran anknüpfen können, was in Zeiten des Kalten Krieges üblich war. Wir werden die Debatte jetzt führen müssen und beispielsweise bestimmt 20 Prozent Kapazitäten für Notfälle vorhalten müssen. Aber wo das stattfindet und wie es dann mit Personal ausgestattet werden soll und wer es finanziert... Ich darf daran erinnern, dass in einem föderalen System die Bundesländer für Katastrophenschutz und Risikovorsorge zuständig sind und nicht etwa allein die Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Herr Knieps, was ist Ihre Prognose: Werden wir wenn diese Corona Krise vorüber ist ein besseres Gesundheitswesen haben, als wir es vorher hatten?

Ja, uneingeschränkt ja! In der Krise haben wir gelernt, bei allen Streitigkeiten, zu kooperieren. Wir haben viel gelernt in dieser Krise.

Transkript: Sarah Kramer, BKK Dachverband

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