Das Potenzial für ein gesundes Altern und für die Vermeidung, Verminderung und Verzögerung von Pflegebedürftigkeit ist groß. Es wird jedoch in Deutschland bislang kaum ausgeschöpft. Jede erhaltene oder wiedergewonnene Selbstständigkeit trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei und entlastet gleichzeitig das Gesundheitssystem erheblich.
- Aus Sicht des BKK Dachverbandes sind folgende Schritte notwendig, um diese Ziele zu erreichen: Rahmenbedingungen und Anreize für Prävention zur Vermeidung, Verzögerung und Minderung von Pflegebedürftigkeit schaffen.
- Individuelle Präventionspfade entwickeln und niedrigschwellige Zugänge implementieren.
- Gezielte Stärkung der Versorgungsforschung im Bereich der Prävention und Rehabilitation von Pflegebedürftigkeit.
Es mangelt an niedrigschwelligen und bedarfsgerechten Präventionsangeboten
Die vorhandenen Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung sind häufig zu unspezifisch und zu wenig auf die Zielgruppe der älter werdenden Menschen und deren Bedürfnisse ausgerichtet. Insbesondere Menschen, die noch keine manifeste bzw. festgestellte Pflegebedürftigkeit gem. § 18 SGB XI haben, aber von Pflegebedürftigkeit bedroht sind oder Anzeichen von Gebrechlichkeit aufweisen sind als besondere Zielgruppe zu begreifen und konkret zu berücksichtigen. Es mangelt nicht nur an Transparenz über die verschiedenen präventiven Leistungen aller Kostenträger, sondern vor allem an strukturierten, niedrigschwelligen und bedarfsgerechten Präventionsangeboten. Darüber hinaus fehlen Anreize für die Entwicklung sektoren- und SGBübergreifender Konzepte zur Etablierung präventiver Strukturen für die verschiedenen Akteure (z.B. Leistungserbringer, Kostenträger). Mit Blick auf die über 60-jährigen ist das deutsche Gesundheitswesen zum einen nach wie vor stark krankheitszentriert ausgerichtet. Andererseits konzentrieren sich Prävention und Gesundheitsförderung derzeit vor allem auf Kinder, Jugendliche und die mittleren Altersgruppen und weniger auf Vermeidung oder Verzögerung von Pflegebedürftigkeit.
- Entwicklung und Bereitstellung einer zentralen (digitalen) Plattform mit einer trägerübergreifenden Leistungsübersicht für Präventionsangebote und Beratungsleistungen
- Einbindung der Präventionsangebote in die Präventionsempfehlung: Erhöhung der Anzahl ausgestellter Präventionsempfehlungen durch Ärzte und Pflegepersonal (n. § 25 SGB V, § 20ff. SGB V und § 18b SGB XI).
- Ausweitung der pflegekassenspezifischen Präventionsverpflichtung in der (teil-) stationären Pflege (§ 5 SGB XI) auch auf ambulant zu Pflegende.
- Belohnungs- und Bonusmodelle für die Inanspruchnahme spezifischer Präventionsangebote für Versicherte zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit.
- Weiterentwicklung der Pflegeberatung (n. § 7a SGB XI): Präventionsberatung auch für Menschen ohne Pflegegrad und deren An- und Zugehörige.
- Bisheriger Fehlanreiz für Leistungserbringer (steigende Pflegebedürftigkeit bedeutet steigende Vergütung) muss im Rahmen einer Systemreform gemindert werden.
- Kurzzeit- und Tagespflege strikt präventiv und rehabilitativ ausrichten: individuelle Potenzialerhebung und Maßnahmenplanung spätestens am ersten Tag der Inanspruchnahme.
- Spezifische Präventionsangebote für die Adressatengruppe der pflegenden An- und Zugehörigen: häusliche Pflege so lange wie möglich aufrechterhalten.
- Förderung und Anreize zur Entwicklung spezifischer Präventionsangebote für älter werdende Menschen.
Gesundheitsdatennutzungsgesetz hilft, Pflegerisiko frühzeitig zu erkennen
Die neuen Möglichkeiten des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (§ 25b SGB V) eröffnen den Krankenkassen die Chance, das potenzielle Pflegerisiko von Versicherten frühzeitig zu erkennen und individuell darauf zu reagieren. So kann proaktiv auf diese Personengruppe zugegangen werden, um bedarfsgerechte und frühzeitige Präventionsangebote zu unterbreiten. Hier zeigt sich ein neuer spezifischer Zugangsweg, um gezielt neue Präventionsmöglichkeiten einzusetzen, die weit über die bisherigen Angebote „von der Stange“ hinausgehen. Denn der Präventionsbedarf ist von der individuellen körperlichen, geistigen und sozialen Situation der Menschen abhängig. Um sinnvolle Maßnahmen von der unspezifischen Primärprävention bis zur Quartärprävention zu gestalten, müssen bedarfsgerechte und damit alternsgerechte Präventionspfade entwickelt werden.