05.12.2024 – Deutschlands Beschäftigte melden sich immer öfter krank, kehren aber nach relativ kurzer Zeit wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Das ist ein Ergebnis des heute veröffentlichten BKK Gesundheitsreports „Spurwechsel Prävention“ des BKK Dachverbands. Den Zahlen zufolge ist die Zahl der Krankschreibungen im Jahr 2023 hierzulande mit 22,4 Fehltagen pro Beschäftigtem zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, der Krankenstand verharrt allerdings weiterhin auf hohem Niveau. Grund hierfür sind vor allem überdurchschnittlich viele Krankmeldungen aufgrund von Atemwegserkrankungen, die auf parallele Infektionswellen mit unterschiedlichen viralen Erregern zurückzuführen sind. Zudem melden sich immer mehr Beschäftigte wegen psychischen Krankheiten arbeitsunfähig. Viele Betroffene sind oft erst nach Wochen oder Monaten wieder einsatzfähig. Der Fokus des diesjährigen BKK Gesundheitsreports richtet sich auf nachhaltige Prävention und die Frage, wie sich Krankheiten durch gezielte, maßgeschneiderte Maßnahmen im Privatleben und am Arbeitsplatz verhindern lassen.
„New Work Deal“: Firmen sind gut beraten, auf flexible Arbeitsbedingungen zu reagieren
Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes und Herausgebender des BKK Gesundheitsreports 2024, sieht vor allem die Unternehmen in der Verantwortung. „Schlechte Arbeit kann krankmachen, gute Arbeit macht gesund“, sagt er. „Gute Arbeit, bei der die Beschäftigten Freiräume haben und sich mit ihrem Betrieb und Unternehmen identifizieren können, setzt Motivationsschübe frei und sorgt dafür, dass Arbeit nicht als Belastung empfunden wird. In Zeiten, in denen wir immer mehr AU-Tage aufgrund psychischer Erkrankungen beobachten, ist ein gesundes Arbeitsumfeld das A und O. Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Kollektivvereinbarungen, die alles einheitlich regeln, werden der heutigen flexibleren Arbeitswelt nicht mehr gerecht. Gesetzgeber, Arbeitgeber und Tarifvertragsparteien müssen darauf reagieren. Mit einem solchen „New Work Deal“ stärken wir nicht nur unseren Wirtschaftsstandort, sondern auch nachhaltig die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Ursachenbekämpfung muss im Vordergrund stehen
Ein Umdenken sei dringend erforderlich, betont auch Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes. „Prävention wird oft belächelt und fristet nach wie vor ein Nischendasein im deutschen Gesundheitswesen. Dabei wird gerne übersehen, dass der Fokus derzeit weniger auf der Gesunderhaltung als vielmehr auf der Heilung von Krankheiten liegt. Dennoch steigen die Ausgaben der GKV seit Jahren ungebremst und derzeit dynamisch an, ohne dass eine signifikante Verbesserung der Outcomes kommt. Angesichts der steigenden Krankheitslast, der auf uns zurollenden demografischen Welle, des Fachkräftemangels und der prekären Finanzsituation der GKV ist ein Spurwechsel für die Prävention vom Standstreifen auf die politische Überholspur dringend erforderlich. In allen Politikfeldern, insbesondere im Gesundheitswesen, muss die Ursachenbekämpfung im Vordergrund stehen und nicht die Behandlung von Symptomen. Mehr Pillen statt mehr Bewegung darf nicht die Antwort sein. Zu einem umfassenden Maßnahmenpaket, das an den Lebensverhältnissen und am Verhalten ansetzt, gehören Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze, wie etwa ein Schulfach Gesundheit zur Steigerung der Gesundheitskompetenz, die Einbindung des Know-hows der Arbeitsmediziner sowie die Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten der Digitalisierung.“
Arbeitsmedizin als Teil der Gesundheitsversorgung mitdenken
„Wir haben in der Prävention eine Wirkungskrise und müssen sie daher neu aufstellen, und zwar evidenzbasiert, populationsorientiert und nachhaltig“, sagt Professor Holger Pfaff, Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln. „Diese drei Ziele dienen als Orientierungsrahmen für Praxis und Wissenschaft.“
Laut Dr. Lars Nachbar, Arbeitsmediziner und Leiter Volkswagen Konzern Gesundheitswesen und Arbeitsschutz, bietet insbesondere das Unternehmensumfeld gute Chancen, den Präventionsgedanken in den Köpfen zu verankern und den Boden für gesundheitsförderliches Verhalten zu schaffen. „Wir lassen das Potenzial, das im Setting Betrieb liegt, in den Bemühungen zur Verbesserung der Gesundheitsstrukturen weitgehend ungenutzt“, sagt er. „Arbeitsmedizin und die damit verbundenen medizinischen Strukturen in den Unternehmen sollten als Teil der Gesundheitsversorgung mitgedacht werden. Seit vielen Jahren bieten insbesondere die Großunternehmen Untersuchungsformate an, die auf Prävention und Früherkennung ausgerichtet sind und allen Mitarbeitenden, insbesondere auch der präventionsfernen Gruppe der Männer im beschäftigungsfähigen Alter zugänglich sind. Es gelingt zu selten, die dort gewonnenen Erkenntnisse in eine verbesserte Versorgung münden zu lassen. Das Setting Betrieb bietet weiterhin die Möglichkeit, Früherkennung von Erkrankungen zu forcieren, um Krankheitsverläufe positiv zu beeinflussen. Dafür sollte die Möglichkeit zur Überweisung und Verordnung bereits aus den Unternehmensstrukturen geschaffen werden, um wertvolle Zeit zu gewinnen und Chronifizierung zu verhindern. Sektorale Grenzen und eine von Gesunden geführte Datenschutzdiskussion helfen keinem Patienten.“
![BKK DV/ Markus Altmann](/fileadmin/_processed_/8/9/csm_Greb_Thorsten_240129-9286-A_3b72e6566a.jpg)