BKK Magazin

BKK Magazin 1/ 2025

Lesen Sie hier das komplette BKK Magazin 1/2025 "Politikwechsel" online.

POLITIKWECHSEL
Franz Knieps
FRanz Knieps- Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverband e.V.

Editorial

Wer noch eine alte SGB V Ausgabe aus seinem Bücherregal ziehen kann, sieht es sofort: Heute ist das SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung, dreimal so dick wie der schmale Band bei seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1989. Aufgebläht wurde das Sozialgesetzbuch durch Juristen und Politiker, die das komplexe deutsche Gesundheitssystem nicht mit einem transparenten, verständlichen Sozialrecht begleitet, sondern ein immer komplizierter gewordenes Regelwerk geschaffen haben. Ein Gesetzgeber, der sich entlang der Konfliktlinien der bisherigen Gesundheitsreformen verzagt mit übermäßiger Bürokratie bewegt hat, ist in einer gefährlichen Erstarrung angekommen. Denn er hat sich dem Prinzip verschrieben, Grenzen und Verbote zu kodifizieren, anstatt den Horizont der Rechte und Möglichkeiten abzustecken für ein Gesundheitssystem, das sich vor unseren Augen rasant und disruptiv verändert.


So, wie es vor uns liegt, kann dieses Gesetzbuch das tägliche Handeln von Krankenhäusern, Ärzten, Pflege, Patienten, Versicherten und ihren Krankenkassen und Arbeitgebern nicht mehr anpassen an die Geschwindigkeit, mit der sich die Möglichkeiten der personalisierten, präzisen Medizin durch KI und Blick in die Gene entfalten, nicht an tektonische Veränderungen der Wirtschaft, nicht an eine alternde Gesellschaft mit neuen Wertevorstellungen und schon gar nicht an die Polykrisen, die weltweit Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenwürde als Basis der Zivilgesellschaft bedrohen. 

   
Gesetzliche Regulierungswut, die jedes Detail der staatlichen Bevormundung unterwerfen will, scheitert seit Dekaden an der Aufgabe, die weltweit einmalige Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung zu überwinden. Sie hat uns in ein vordigitales, in Sektoren und Finanzinteressen separiertes Gesundheitswesen geführt, das die Gesundheit der Menschen, Prävention und bessere Medizin für Patienten aus dem Blick verliert und vor den Aufgaben einer übergreifenden Planung von Kapazitäten, Versorgungslandschaften und Vergütungssystemen, die unabhängig von Wohnort und Einkommen optimale Medizin und Pflege für kranke und alte Menschen sichert, grandios scheitert.

 
Gegen den Strich gelesen sind das Baustellen, Hausaufgaben für eine neugewählte Bundesregierung, die nicht nur das politische Ressort Gesundheit berühren, sondern einen Standortfaktor einer modernen Industrie- und Wissensgesellschaft und eine Säule des sozialen Friedens ausmachen. Im Frühjahr 2023 hat die Initiative der Robert Bosch Stiftung „Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen“ ihre Vorschläge vorgelegt und in die Arbeit des Bosch Health Campus überführt. Zur Neuwahl des Bundestages 2025 fordern die Betriebskrankenassen nichts weniger als ein #rebootGKV. Wir wissen, das ist ein hoch gegriffenes politisches Ziel. Wir wissen, dass nur ein Bruchteil der Versprechen in Wahlprogrammen es in die Gesetzgebung schafft. Und wir haben schmerzlich gelernt, dass ein Angriffskrieg in Europa schnell einen Koalitionsvertrag über den Haufen wirft, der den Ausgleich des 10 Milliarden Euro Bürgergeld-Gap und der in der Pandemie von der Sozialen Pflegeversicherung vorgestreckten 6 Milliarden Euro aus Steuern garantiert. Aber wir haben konkrete Lösungsvorschläge, die wir in diesem Magazin vorstellen. Weg von der Kultur des tiefen staatlichen Misstrauens gegenüber den Akteuren des Gesundheitswesens, hin zu einem Mindset des Ermöglichens. Nicht sagen, was nicht geht, sondern: Neu machen! So ließen sich der gesetzliche Rahmen vereinfachen, unnötige Detailregelungen streichen. So könnte das SGB V wieder im Taschenbuchformat gedruckt werden.

Ihr Franz Knieps

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