BKK Magazin

BKK Magazin 4/ 2025

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Copyright Markus Altmann

Editorial

Eine ernste finanzielle Lage habe sie vorgefunden. Seit der Erklärung von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken zur GKV-Finanzsituation zum Amtsantritt sind nun die berühmten 100 Tage im Amt mit dem 14. August verstrichen. Hat die neue Bundesregierung den Ernst der Lage bei Krankenversicherung und Pflege mit klaren Entscheidungen beantwortet? Krachend gescheitert ist die CDU-Ministerin am SPD-Finanzminister mit dem Versuch, die Refinanzierung der Lücke beim Bürgergeld von zehn Milliarden Euro aus Steuern zu erreichen und auch der Griff des Staates während der Pandemie auf die Beiträge der Pflegeversicherung wird nicht aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen. Obwohl klar ist, dass die durch hohe Energiepreise ins Minus gedrückte Wirtschaft in Deutschland zu schwach ist, um die hohen Sozialausgaben nachhaltig tragen zu können, plant die Bundesregierung nun lediglich ein Darlehen an die GKV. Das ist weiße Salbe, eine Farce, denn in der dramatischen Situation der gesetzlichen Krankenkassen, von denen viele bereits zu unterjährigen Beitragserhöhungen gezwungen waren, gelingt durch geliehenes Geld bestenfalls ein Aufschub. Darlehen sind schlicht keine Stabilisierungsmaßnahme! Gleichzeitig geraten die Ausgaben im Gesundheitswesen weiter außer Kontrolle. Das aktuelle Defizit ist schon jetzt höher, als vom Schätzerkreis für 2024 und die ersten Monate 2025 geplant. Diese Finanzsituation der GKV, der nun auch die alternden Boomer ins Haus stehen, erzwingen klaren Willen zu Führung und rasche Entscheidungen. Zuvorderst muss der Ausgabendynamik ein Haltesignal gesetzt werden. Und dann müssen echte strukturelle Reformen folgen.  

Denn Arzttermine gegen Geld, damit Kassenpatienten schneller einen Arzttermin bekommen? Das kann, das darf in einem solidarischen System nicht sein. Eine Anfrage der Grünen legt Feuer an eine alte Frage nach der Zweiklassenmedizin, die in guten Zeiten gern verschämt beiseitegeschoben wird: Kasse oder Privat? Aber die Zeiten sind eben nicht gut, und so muss das Bundesgesundheitsministerium dieses Feuer rasch austreten, weil sonst das Prinzip des gleichen Zugangs zum Gesundheitssystem abbrennt wie trockenes Stroh. Damit sind wir bei den Gespenster-Vorschlägen, die durchs Sommerloch getrieben werden, um von den eigentlichen Problemen abzulenken: Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, höhere Selbstzahlungen bei Arzneimitteln, Effizienzreserven durch weniger Krankenkassen, um nur die größten Aufreger zu nennen. Zum Raunen um die Zahl der Krankenkassen gibt es noch keine konkreten Pläne des Gesetzgebers, aber wir dürfen die Deutungshoheit nicht den Jongleuren von Polemik und Unsinn überlassen. Wer mag schon Kurzschlusshandlungen der Politik ausschließen? Vor allem weil Gesundheitspolitik längst zwischen whatever-it-takes des Ukraine-Krieges und marode Brücken und Bahnlinien geraten und Populismus en vogue ist. Für die Bretter, die gesundheitspolitisch zu bohren sind, liegen bessere Lösungen abseits der GKV-Finanzen auf dem Tisch: die Verbesserung der Versorgung durch einen koordinierten (Erst)-Zugang und Begleitung einer Patient Journey, eine qualitätsbasierte Krankenhausreform ohne Aufschub und Verwässerung in den Bundesländern oder auch das Einhegen der Preissteigerungen bei Orphan Drugs. Immerhin gibt es gute Signale für die Pflege: Das Pflegekompetenzgesetz folgt der Erkenntnis, dass Pflege weit mehr kann, als man ihr jetzt zutraut. Wenn der Gesetzgeber auf Prävention und Gesunderhaltung setzen will, muss er Pflege ohnehin einbinden und die Pflegefachberufe werden dadurch attraktiver für junge Menschen.
 

Ihre Anne-Kathrin Klemm

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