Elektronische Patientenakte

Präzisere Diagnosen und Therapie

Seit 2021 können gesetzlich Versicherte eine elektronische Patientenakte (ePA) bei ihrer Krankenkasse beantragen und diese bei jenen Ärztinnen und Ärzten nutzen, die technisch hierzu ausgestattet sind. Allerdings sind sowohl die Nachfrage der Versicherten als auch die Unterstützung der Ärzteschaft bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Stethoskop und Röntengenaufnahme auf Tablet

Eine flächendeckende Einführung der ePA in Deutschland hätte viele Vorteile, sowohl individuell für den einzelnen Versicherten als auch systemisch für das gesamte Gesundheitswesen. Versicherte könnten von einer besseren Organisation und Verfügbarkeit ihrer medizinischen Unterlagen profitieren, was die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit erhöht. Zum Teil hätten sie erstmals einen einfachen Zugang zu ihren medizinischen Informationen und könnten ihre Gesundheit besser verstehen.

Patientenakte ermöglicht Austausch medizinischer Unterlagen

Die Akte würde es den Versicherten ermöglichen, ihre medizinischen Unterlagen sicher und geschützt aufzubewahren und auszutauschen. Durch eine effizientere Information und Koordination aller an einer Behandlung beteiligten Leistungserbringer könnte eine ePA auch die Behandlungsdauer verkürzen, die Qualität und Sicherheit der Behandlung verbessern, das Einholen von Zweitmeinungen erleichtern oder helfen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden.

Präzisere Diagnosen, niedrigere Behandlungskosten

Auch das Gesundheitssystem könnte von einer verbesserten Kooperation und Kommunikation zwischen den Gesundheitsberufen profitieren, da die „knappe Ressource Arzt“ besser genutzt würde. Eine möglichst weit verbreitete ePA würde wahrscheinlich zu schnelleren und präziseren Diagnosen und Behandlungen führen, was wiederum die Behandlungskosten senken und die Behandlungsergebnisse verbessern würde. Der systemische Nutzen der ePA für die Verbesserung der Versorgung und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung ist umso größer, je mehr Versicherte über eine ePA verfügen.

Bürger können Patientenakte per „Opt-out" ablehnen

Für die Bundesregierung waren diese Überlegungen Grund genug, im Koalitionsvertrag zu formulieren, dass man in dieser Legislaturperiode allen gesetzlich Versicherten eine der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entsprechende ePA auf Basis eines Widerspruchsverfahrens („Opt-out“) zur Verfügung stellen wolle. Bei einem solchen Opt-out, das bereits aus anderen EU-Staaten bekannt ist, würde für jeden Versicherten, der nicht widerspricht, automatisch eine Akte angelegt, die dann für die Behandlung zur Verfügung stünde. In ihrer ressortübergreifenden Digitalstrategie hat die Bundesregierung dieses Vorhaben konkretisiert und das Ziel ausgegeben, dass auf diese Weise bis 2025 80 Prozent aller gesetzlich Versicherten über eine ePA verfügen, und die Akte zur zentralen Plattform im Gesundheitswesen wird.

Widerspruchsmöglichkeiten der Versicherten bedürfen der Klärung

Die politische Entscheidung, die ePA zukünftig für alle gesetzlich Versicherten einzuführen, wirft jedoch Fragen auf, die noch der Klärung bedürfen: Wie können die Rechte des Einzelnen bei einem solchen Schritt gewahrt werden? Welche Widerspruchsmöglichkeiten muss es für diejenigen Versicherten geben, die sich gegen das Anlegen einer Akte aussprechen und eine solche Speicherung und Nutzung ihrer medizinischen Informationen nicht wünschen?

Opt-out muss für Anlegen der Akte, Datenzugriff und Weitergabe von Informationen gelten

Die Ausgestaltung des Opt-out muss den Versicherten in drei zentralen Bereichen eine Entscheidung ermöglichen: in Bezug auf das Anlegen und Befüllen der Akte, in Bezug auf den Datenzugriff im Behandlungsfall und in Bezug auf die Weitergabe von Daten zu Forschungszwecken. Innerhalb dieser drei Bereiche sind wiederum eine Vielzahl von Abstufungen und Varianten denkbar, die eine mögliche Lösung graduell in Richtung eines der beiden Pole „freier Datenzugriff“ oder „kein Datenzugriff ohne explizite Datenfreigabe“ verschieben.

BMG setzt Zeitrahmen fest und legt Gesetzentwurf vor

Die Nationale Agentur für Digitale Medizin (gematik) hat den Auftrag, in einem breiten Beteiligungsprozess unter Einbeziehung ihrer Gesellschafter sowie der medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbände ein mehrheitsfähiges Modell zu entwickeln, das sich in der Versorgungspraxis bewährt. Die abschließende Ausgestaltung der Widerspruchsmöglichkeiten der Versicherten, die hierfür erforderliche Vorabinformation sowie die Festlegung eines Zeitrahmens, innerhalb dessen die Bereitstellung der Akten für alle Versicherten verbindlich zu erfolgen hat, obliegt dann dem Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen eines Gesetzentwurfes.

Die ePA aus Sicht der Betriebskrankenkassen

Für alle Versicherten wird eine ePA angelegt. Dazu erhalten die Versicherten geeignete Informationen von ihrer Krankenkasse. Diese informieren über die Vorteile, die die eine ePA mit sich bringt. Dazu zählen auch die Mehrwerte, die entstehen, wenn Versicherte die ePA aktiv, also etwa in der App ihrer Krankenkasse verwalten. Für diese aktive Nutzung durch die Versicherten ist weiterhin eine Registrierung (ähnlich dem heutigen Verfahren) erforderlich. Wichtig zu wissen ist, dass die Krankenkassen in diesem Modell zwar die ePA anbieten und zur Verfügung stellen sowie Daten in die Akte einstellen können, aber selbst keine Einsicht in die in der ePA gespeicherten Daten haben.

Nur speziell berechtigte Teilnehmer des Gesundheitswesens, insbesondere diejenigen, die an der Behandlung von Patientinnen und Patienten beteiligt sind, können auf die Informationen in der ePA zugreifen. Diese Gesundheitsprofis können dadurch Erkenntnisse aus vorliegenden Befunden und medizinischen Unterlagen in der elektronischen Patientenakte ziehen. Mit ihr erhalten sie etwa einen Überblick, welche Medikamente ihre Patientin oder ihr Patient nimmt. Weitere Dokumente können sie jederzeit sinnvoll ergänzen und so Doppeluntersuchungen vermeiden. Mit der Zeit lässt sich in der ePA die eigene medizinische Historie immer lückenloser fortschreiben. Die medizinische Behandlung kann gezielter und damit effektiver erfolgen. 

Versicherten sollten die Möglichkeit erhalten, den Zugriff der Leistungserbringer auf ihre Daten im Vorfeld einer Behandlung über die ePA-App differenziert einstellen zu können. Welche Optionen es gibt, könnte bei der erstmaligen Nutzung der ePA-App etwa ein Tutorial erläutern. Um die Hürden auf Seiten der Versicherten möglichst gering zu halten, ist eine Voreinstellung denkbar, die allen Behandelnden einen lesenden Zugriff ermöglicht. Wenn Versicherte die ePA-App ihrer Krankenkasse nicht nutzen und daher keine Einstellungen im Berechtigungsmanagement vornehmen können oder wollen, sollte es auch möglich sein, dem Lesen ihrer Daten durch Leistungserbringer ad hoc im direkten Kontakt mit diesen zu widersprechen.

Sollen Daten auf Wunsch der Versicherten grundsätzlich vom Zugriff durch Leistungserbringer ausgeschlossen werden, so können sie diese in ihrer ePA-App verschatten. So bleibt es für Leistungserbringer möglich, Versicherte gezielt nach diesen Daten zu fragen, wenn sie vermuten, dass die Daten im Behandlungskontext medizinisch relevant sein könnten. Eine Freigabe von verschatteten Daten für die Einsichtnahme bliebe jedoch den Versicherten vorbehalten.

Die einstellenden Leistungserbringenden können jederzeit ihre eigenen Dokumente bearbeiten/löschen, um etwa fehlerhafte Einträge zu korrigieren. Leistungserbringer und Krankenkassen sind verpflichtet, alle relevanten Daten der Versicherten in die ePA einzustellen. Dies geschieht automatisch und nicht wie heute nur auf Wunsch der Versicherten. Nur eine hohe Anzahl von befüllten Akten bringt den notwendigen Nutzen und Mehrwert, um die ePA im Behandlungsalltag konsequent zu nutzen.

Damit ergeben sich zwei Nutzungswege für die ePA für alle: Zum können Versicherte nach einer Registrierung die ePA-App nutzen, um alle Datenfreigaben rund um die Patientenakte selbst zu steuern und zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls auch Zusatzangebote rund um die Akte zu nutzen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, sich nicht weiter mit der Akte auseinanderzusetzen und den Behandlern den Umgang mit der Akte zu überlassen. So könnten Patienten passiv von den Vorteilen der Akte in der eigenen medizinischen Behandlung profitieren, ohne sich selbst um die Akte kümmern zu müssen.

Nicht zuletzt sollte eine ePA für alle aus Sicht der Betriebskrankenkassen auch einen Gemeinnutzen erzielen. Die in der Akte gespeicherten Daten sollten daher als „Datenspende“ in der Standardeinstellung der ePA kontinuierlich in pseudonymisierter Form an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte übermittelt werden, wo sie gemeinwohlorientierter, nichtkommerzieller Forschung zugute kommen könnte. Versicherte, die dies nicht wünschen, können dem direkt bei ihrer Krankenkasse widersprechen oder eine entsprechende Einstellungsänderung in ihrer ePA-App vornehmen.

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