Positionspapier

Zukunft der Krankenhausversorgung

Neue Impulse für eine zielgerichtete Weiterentwicklung

Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), der BKK Dachverband (BKK DV) und der Verband der Ersatzkassen (vdek) haben ein gemeinsames Thesenpapier formuliert, das Impulse für eine zukünftige Patientenversorgung im Krankenhaus gibt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Neuausrichtung der Krankenhausplanung, die Anpassung des Vergütungssystems sowie die Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung. Dabei werden die Erfahrungen aus der Pandemie einbezogen und zukünftige Herausforderungen mitgedacht.

Die Krankenhauslandschaft in Deutschland braucht neue Impulse für eine zielgerichtete Weiterentwicklung:

  • Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung: Das Leitbild für die Krankenhauslandschaft der Zukunft sind regionale und überregionale Netzwerke, in welchen Maximalversorger und bei Bedarf auch ausgewählte Spezialversorger mit ihrer Expertise zentral eingebunden sind. Zur Gewährleistung einer ausreichenden Investitionsfinanzierung muss sich der Bund dauerhaft einbringen.
  • DRG-Finanzierung: Das DRG-System muss dahingehend weiterentwickelt werden, dass eine sachgerechte Finanzierung bedarfsnotwendiger Vorhaltungen und hochspezialisierter Versorgung gewährleistet wird. Der Finanzierungsansatz muss dabei „Hand in Hand“ mit der Krankenhausplanung gehen.
  • Sektorenübergreifende Versorgung: Eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung „aus einer Hand” muss die flächendeckende Versorgung von ambulanten und stationären Leistungen gewährleisten und auch die Weiterentwicklung von Krankenhäusern zu integrierten Versorgungzentren ermöglichen. Hierfür müssen auch die bestehenden Finanzierungsinstrumente weiterentwickelt werden.
  • Ambulante Versorgung: Ambulante Angebote müssen weiterhin gefördert werden. Die Ambulantisierung ist nicht nur Ausdruck medizinischen Fortschritts, sondern auch ein Instrument für den Umgang mit dem Fachkräftemangel und zur Förderung einer am Patienten orientierten Versorgung.
  • Forschung und Versorgung vernetzen: Die Vernetzung der Universitätsmedizin muss weiter ge-fördert und verstetigt werden. Die Bedeutung der Universitätsmedizin für die Versorgung wird besonders in der Pandemie deutlich.
  • Aufgabenneuverteilung statt Fachkräftemangel: Eine Antwort auf den Fachkräftemangel ist die Neuausrichtung von Kompetenzen zwischen den medizinischen Fachberufen. Hier müssen international anerkannte Modelle dringend auch im deutschen Gesundheitswesen Eingang finden.
  • Qualität der Versorgung: Unterschiedlichen Versorgungsaufträgen muss bei der Bewertung von Versorgungsqualität Rechnung getragen werden, weshalb eine Risikoadjustierung zwingend erforderlich ist. Es sind umfassende Ansätze zu verfolgen, welche konsequent auf Qualitätsverbesserung, Patientensicherheit und Risikomanagement abzielen. Eine qualitativ hochwertige Versorgung zeichnet sich durch stetige Patientenorientierung aus und berücksichtigt den individuellen Patientennutzen.

Im Detail bedeutet das:

Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung: Wir brauchen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Versorgungsplanung und ein darauf abgestimmtes Vergütungssystem. Eine passive Krankenhausplanung der Länder, die aus einem Fortschreiben von Krankenhausplänen besteht, und die unzureichende Investitionskostenfinanzierung haben sich nicht als zielführend erwiesen, um eine qualitativ hochwertige und flächendeckende stationäre Gesundheitsversorgung langfristig zu gewährleisten. Dem Bundesgesundheitsminister ist insofern ausdrücklich zuzustimmen:

Zitat Jens Spahn aus dem Deuteschen Ärzteblatt.

Die Länder sind unter dieser Prämisse aufgefordert, eine aktive, an den Versorgungsbedarfen ausgerichtete Krankenhausplanung zu betreiben. Dabei muss die stationäre Versorgung gestuft weiterentwickelt und darauf aufbauend die Finanzierung ausgestaltet werden. In der Pandemie wurden Uniklinika und Maximalversorger zu Koordinatoren der regionalen Versorgung von Corona-Patienten. Der Netzwerkgedanke muss auch ungeachtet einer Pandemie in der Krankenhausplanung verankert werden. So lassen sich eindeutige Rollenzuordnungen der einzelnen Akteure etablieren, die auch für das reguläre Versorgungsgeschehen eine effiziente Patientenversorgung und eine bestmögliche Verteilung der finanziellen und personellen Ressourcen ermöglicht. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die demografische Entwicklung und den steigenden Fachkräftemangel in Deutschland. Bei einer bedarfsgerechten gestuften Krankenhausplanung steht zukünftig der Kooperationsgedanke stärker im Vordergrund. Auf Basis dieses Ansatzes und der damit einhergehenden Rollen-/Aufgabenzuordnung in der Versorgung lässt sich auch die Finanzierung bedarfsnotwendiger Strukturen (wie z. B. Notfallversorgung, Zentren) ableiten, die nicht ausschließlich dem Leistungsbezug unterliegen, sondern auch durch ihre Vorhaltung geprägt sind. Die Prämisse muss lauten „erst Planung, dann Finanzierung“.

Eine Neuausrichtung der Krankenhausplanung und einer Anpassung der Betriebskostenfinanzierung setzt voraus, dass die bisherigen Defizite in der Investitionskostenfinanzierung beseitigt werden. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die meisten Bundesländer diese Herausforderung nicht allein bewältigen werden. Es muss eine gezielte Weiterentwicklung bedarfsnotwendiger Versorgungsstrukturen im Mittelpunkt stehen. Hierzu sind Investitionsansätze in den Fokus zu nehmen, welche nicht nur von den Bundesländern getragen und inhaltlich mitgestaltet werden. Sämtliche Förderansätze müssen dabei für alle Trägerformen zugänglich sein.

DRG-Finanzierung: Mit einer Neuausrichtung der Versorgungsplanung muss auch eine Anpassung der Betriebskostenfinanzierung einhergehen. Die sachgerechte Refinanzierung bedarfsnotwendiger Versorgungsstrukturen ist unter den bisherigen Rahmenbedingungen des DRG-Systems nicht immergewährleistet. Das bisherige System muss um eine Finanzierungskomponente ergänzt werden, die eine Finanzierung bedarfsnotwendiger Vorhaltungen sicherstellt. Dabei muss die Grund- und Regelversorgung in bedarfsnotwendigen Krankenhäusern in der Fläche garantiert, aber auch die hochspezialisierten Versorgungsangebote insbesondere in der Notfallversorgung und in den medizinischen Zentren gewährleistet werden, wie sie in erster Linie Maximalversorger und Universitätsklinika vorhalten. Dabei müssen sowohl Aufwendungen als auch Effizienzverbesserungen durch zusätzliche Digitalisierung und Vernetzung von Krankenhäusern berücksichtigt werden. Die Neuausrichtung der Finanzierung ist eng zu verknüpfen mit der Krankenhausplanung und der darin enthaltenen Festlegung von Versorgungsstufen und bedarfsnotwendiger Strukturen. Im Mittelpunkt steht die Feststellung, dass diese zwingend für die Patientenversorgung erforderlich sind und Vorhaltungen in der derzeitigen Ausgestaltung des DRG-Systems nicht immer sachgerecht abgebildet sind. Darüber hinaus müssen der medizinische Fortschritt und die Anwendung innovativer Verfahren unter Berücksichtigung von Patientenbedürfnissen gestärkt werden. Zentren, welche die Einführung neuartiger Behandlungsmethoden unter qualitativ gesicherten Bedingungen und mit zusätzlicher Evidenzgenerierung gewährleisten können (Innovationszentren), sind hierfür zu fördern.

Versorgung im Netzwerk als Antwort auf Sektorenbrüche: Die sektorenübergreifende Versor-gungsplanung aus einer Hand muss Krankenhausplanung und ambulante Bedarfsplanung unter Berücksichtigung regionaler Rahmenbedingungen integrieren. Sie sollte von dem Leitbild des regionalen bzw. überregionalen Netzwerks ausgehen und auch vertragsärztliche Versorgungsstrukturen mit einbeziehen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass diese Art vernetzter Versorgung, z. B. unter Leitung von Universitätsklinika und Maximalversorgern gelingen kann. So konnten vorhandene Kapazitäten effizient genutzt werden. Auch die Zusammenarbeit mit den ambulanten Leistungserbringern und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst hat vielerorts gut funktioniert. Diese in der Pandemie ad hoc entstandenen regionalen und überregionalen Gesundheitssysteme unter Einbezug der Expertise von Universitätskliniken und Maximalversorgern haben sich bewährt und sollten auch ungeachtet einer Pandemie bei der Versorgungsplanung übernommen werden. Dabei sollte das regionale, aber auch überregionale Netzwerk sektorenübergreifend auch andere Leistungserbringer wie niedergelassene Fachärzte, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen umfassen. Mit abgestimmten und zwischen den Akt-euren festgelegten Versorgungspfaden kann eine effiziente, patientenzentrierte Versorgung in der Region ermöglicht werden. Hierzu ist nicht zuletzt ein flächendeckend hohes Digitalisierungsniveau notwendig, um telemedizinische Lösungen und reibungslosen Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten. Der digitale Reifegrad von Krankenhäusern muss ein Gradmesser werden, um eine Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen erkennen zu können.

Ambulante Versorgung: Behandlungsverfahren ändern sich und werden schonender. Wo früher ein stationärer Aufenthalt nötig war, kann die Versorgung heute auch ambulant im Krankenhaus erfolgen. Ambulantisierung ist zudem ein Ansatz zum effizienten Einsatz vorhandener Ressourcen. Das gilt insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel. Ambulante Strukturen für eine Versorgung während des Tages erfordern weniger Vorhaltung von Personal. Ambulante Versorgung im Krankenhaus ist da-bei nicht immer mit einer Versorgung im vertragsärztlichen Bereich gleichzusetzen. Generell muss die Förderung ambulanter Krankenhausversorgung auf einem Finanzierungsmodell beruhen, das für Kliniken wirtschaftlich tragbar ist. Vor allem in dünn besiedelten Regionen, in denen die Gesundheitsversorgung in der bisherigen Struktur nicht mehr gewährleistet werden kann, müssen Krankenhäuser verstärkt zur ambulanten Versorgung und in andere Leistungsangebote wie der Kurzzeitpflege eingebunden werden. Hierdurch wird für Patienten die Behandlung in Krankenhäusern mit einem integrierten Versorgungsangebot ermöglicht. Dabei sollten diese Krankenhäuser im Rahmen eines regionalen oder überregionalen Versorgungsnetzwerks über telemedizinische Lösungen mit größeren Kliniken wie Universitätsklinika und Maximalversorger kooperieren.

Forschung und Versorgung nachhaltig vernetzen: Neben der Vernetzung in der Region steht darüber noch die Vernetzung der Standorte der Universitätsmedizin. Das BMBF hat schnell auf die Pandemie reagiert und ein Programm für die versorgungsnahe Forschung an COVID-19 aufgesetzt. Auf dieser Ebene lassen sich Erkenntnisse austauschen und Therapieverfahren standardisieren. Dadurch profitieren auch alle anderen Leistungserbringer in den regionalen und überregionalen Netzwerken zeitnah von den Erkenntnissen aus der bundesweiten Vernetzung der Universitätsmedizin. Diese Vernetzung muss verstetigt werden. So kann auch auf künftige Pandemien noch besser reagiert werden.

Aufgabenneuverteilung statt Fachkräftemangel: Dem Fachkräftemangel bei Pflegern, Ärzten und Gesundheitsfachberufen im Krankenhaussektor muss mit einem Maßnahmenmix begegnet werden. Neben veränderten Versorgungsstrukturen und Stärkung der ambulanten Versorgung muss sich auch die Aufgabenzuordnung in den medizinischen Professionen ändern. Pflege- und Gesundheitsfachberufe müssen eine Aufwertung erfahren und Kompetenzen erhalten, wie dies in anderen europäischen Ländern üblich ist. Die Kompetenzverteilung darf nicht durch veraltete Berufsauffassungen behindert werden. In Gesundheitsberufe muss mit Orientierung an internationalen Ansätzen stärker investiert werden.

Qualität der Versorgung: Eine in allen Aspekten qualitativ hochwertige Patientenversorgung muss weiterhin im Fokus stehen. Eine konzeptionelle Neuausrichtung der bisherigen Qualitätsinstrumente ist erforderlich. Im Fokus sollten dabei Qualitätsverbesserung, Patientensicherheit und Risikomanagement stehen. Grundsätzlich sollte bei der konzeptionellen Neuausrichtung ein umfassender Ansatz verfolgt werden, welcher Qualitätsverbesserung und -förderung, Patientenorientierung und Risikomanagement in den Mittelpunkt stellt. Bestrebungen nach einer risikoadjustierten öffentlichen Berichterstattung sind zu unterstützen. Der Vielfalt und den unterschiedlichen Versorgungsaufträgen ist dabei Rechnung zu tragen. Die Fokussierung auf komplexe Behandlungen oder auf multimorbide Patienten mit interdisziplinärem Versorgungsbedarf darf nicht zur verzerrten Darstellung der Qualität mit vermeintlich schlechteren Ergebnissen führen. Daher ist immer eine wissenschaftlich fundierte Risikoadjustierung für einen fairen Vergleich erforderlich. Gleichzeitig sollten Qualität und Leistungsangebot nicht nur transparent, sondern auch für alle Personenkreise (u. a. Krankenkassen, Patienten) zugänglich und nachvollziehbar sein.

PDF herunterladen