Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung braucht ein neues Fundament

Eine rasant alternde Gesellschaft, steigender Fachkräftemangel und explodierende Kosten: Die Lage der sozialen Pflegeversicherung (SPV) spitzt sich zu. Die nach jahrelangem politischen Ringen zum 1. Januar 1995 eingeführte und als sozialpolitische Errungenschaft gefeierte fünfte Säule der Sozialversicherung steht knapp 30 Jahre nach ihrem Start vor dem Kollaps. Ein neues Thesenpapier des BKK Dachverbandes zur Pflege zeigt auf, mit welchen Mitteln der Gesetzgeber das Aus noch abwenden könnte.

Pflegerin mit Seniorin

Mehr als 5,2 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland pflegebedürftig - und es werden immer mehr. Laut Prognosen könnten hierzulande im Jahr 2070 bereits rund 7,7 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen sein. Gleich wohl stehen schon heute nicht ausreichend Fachkräfte zur Verfügung, um die Bedürftigen zu versorgen. Auch klafft in der Kasse der sozialen Pflegeversicherung ein riesiges Loch in Milliardenhöhe. Nach Berechnungen des BKK Dachverbandes reichen die Einnahmen aus den Versichertenbeiträgen gerade noch bis zum Jahresende 2024, um die Ausgaben für pflegerische Leistungen zu decken.

Ein neues Thesenpapier des BKK Dachverbandes zur Pflege zeigt Wege aus der Krise auf - und enthält die Forderung nach einer umfassenden Reform der fünften Säule der Sozialversicherung. „Es ist an der Zeit, die SPV auf ein grundlegend neues Fundament zu stellen“,  schreiben die Autoren in dem Papier. Dabei bedarf es aus Sicht der Expterinnen und Experten der Betriebskrankenkasse vor allem einer neuen, soliden finanziellen Grundlage für die Pflege. Um die Beitragssätze in der SPV stabil zu halten und die Kosten der Pflegeleistungen zu decken, halten die Autoren des Thesenpapiers einen dauerhaften Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung aus Steuermitteln für unabdingbar.

Darüberhinaus muss die Entlastung und gesellschaftliche Wertschätzung der Pflegenden übergeordnetes Ziel einer Pflegereform sein. Dabei geht es sowohl um das Wohl von professionellen Pflegefachkräften als auch um die Zukunft von pflegenden Angehörigen, die derzeit das Gros der Pflege in Deutschland stemmen. Die Politik muss beide besser absichern und die rechtlichen, wirtschaftlichen und professionellen Rahmenbedingungen für nachhaltige und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen im Pflegesektor schaffen. Dabei gilt es, die Möglichkeiten der Digitalisierung sowohl in der ambulanten als auch in der stationären und häuslichen Pflege zu nutzen. Hierzu gehören verlässliche Dienstpläne ebenso wie lebensphasengerechte Arbeitszeitmodelle sowie ein professionelles Gesundheitsmanagement. Pflegende Angehörige sollten zudem künftig mehr Anerkennung durch die Einführung eines Pflegelohns sowie durch die vollständige Berücksichtigung von Pflegezeiten bei der Berechnung der Rente erhalten. 

Eine Aufwertung der Profession durch erweiterte Kompetenzen und mehr Eigenständigkeit der Fachkräfte könnte entscheidend zu einer größeren Berufszufriedenheit beitragen und außerdem die Tendenz zur Abwanderung aus der Pflege verringern. So könnte auch Deutschland künftig hochqualifizierte Advanced Practice Nurses in der Pflege einsetzen, wie es Länder wie Neuseeland oder die Niederlande bereits seit Jahren erfolgreich tun.

Und auch Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung müssen in der Pflege in Zukunft eine Rolle spielen. Politisch bedarf es hierfür eines ganzheitlichen Transformationsansatzes, der sowohl soziale als auch ökologische Aspekte berücksichtigt und dessen Handlungsrahmen die Sozialgesetzbücher künftig vorgeben. Dies ist derzeit noch nicht der Fall.