Essen im Krankenhaus

Karotten und Linsen mit Biss und Wirkung

Von Michael Blasius, BKK ProVita

Gesunde und nachhaltige Ernährung ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen – aber auch für den Klimaschutz. Ende 2022 hat die Bundesregierung die Eckpunkte einer Ernährungsstrategie beschlossen, die unter anderem eine stärker pflanzenbetonte Ernährung, die Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln sowie den Einsatz von saisonal-regional und ökologischklimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung vorsieht. In unserer Rubrik PLANETARY HEALTH erzählen die Pioniere im BKK System vom positiven Einfluss gesunden Essens auf Patienten und Personal.

Schalen mit Essen

Gesunde und nachhaltige Ernährungsstrategie

Die Bundesregierung hat Ende 2022 die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegten Eckpunkte für die Ernährungsstrategie beschlossen. Mit dem Eckpunktepapier werden die Leitlinien für die künftige Ernährungsstrategie der Bundesregierung bestimmt. Ziel ist es, einen Beitrag zur Transformation des Ernährungssystems
zu leisten und die Rahmenbedingungen und Strukturen zu schaffen, damit alle Menschen in Deutschland sich gesund und nachhaltig ernähren können.

    

Gut zwei Drittel der Männer, ungefähr die Hälfte der Frauen und fast jedes sechste Kind in Deutschland sind übergewichtig.
Es hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun, wenn hart arbeitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich darauf verlassen können, in der Kantine gutes Essen zu bekommen.
Es sollte selbstverständlich sein, dass Patienten in Krankenhäusern das für ihre Genesung bestmögliche Essen bekommen.
Wir tun uns als Gesellschaft einen großen Gefallen, wenn wir unseren Kindern, dem Wertvollsten, was wir haben, in Kita und Schule ein gesundheitsförderndes und abwechslungsreiches Essensangebot machen.

Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

    

Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung setzt in erster Linie bei der Gemeinschaftsverpflegung an. Die zentralen Ziele sind:

  • eine stärker pflanzenbetonte Ernährung,
  • weitere Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln,
  • effektive Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, indem über die gesamte Kette Lebensmittelabfälle halbiert werden,
  • Mahlzeiten in der Gemeinschaftsverpflegung sollen gesünder und nachhaltiger werden und die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung einhalten,
  • erhöhter Anteil an saisonal-regional und ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung.

"So nachhaltig is(s)t Mensa und Kantine"

Zwischen November 2021 und Januar 2022 wurden im Rahmen einer Nestlé-Studie in Kooperation mit der Business Target Group und dem führenden Fachmagazin für Gemeinschaftsgastronomie gvpraxis 267 Entscheider aus der Betriebsgastronomie sowie 84 aus der Campusgastronomie befragt. Die Ergebnisse der Studie wurden am 9. März 2023, dem Eröffnungstag der Gastronomie- Leitmesse Internorga in Hamburg, vorgestellt: Die Studie zeigt, dass Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsgastronomie ein wichtiges Identitätsthema geworden ist. Rund 88 Prozent der Betriebsgastronomen und über 96 Prozent der Campusgastronomen fühlen sich in Sachen Nachhaltigkeit mittlerweile besser aufgestellt. Beide Gruppen sehen sich in der Verantwortung für nachhaltige Ernährung und treiben die Ernährungswende voran.
Allerdings stellen knappe Budgets und steigende Kosten für Energie und Lebensmittel eine Herausforderung dar. In Bezug auf das Speisenangebot bieten über 90 Prozent der Mensen und Kantinen täglich ein vegetarisches Menü an, und fast drei Viertel der Campusgastronomen haben täglich ein veganes Angebot. Dennoch bleibt die klassische Currywurst mit über 80 Prozent Präsenz ein fester Bestandteil des Angebots. Zukünftig rechnen 60 Prozent der Campusgastronomen mit einer Zunahme von vegan-vegetarischen Gerichten und einem abnehmenden Fleischkonsum. Pflanzenbasierte Fleischalternativen werden ebenfalls eine erhöhte Nachfrage erfahren.

Jede fünfte Kantine und Mensa bietet täglich eine Speise mit berücksichtigtem CO2-Fußabdruck an, und mehr als 70 Prozent der Mensen bieten täglich Bio-Produkte. Fast zwei Drittel der Betriebsgastronomen und die Hälfte der Campusgastronomen haben täglich regionale Lebensmittel im Angebot. Lebensmittelverschwendung wird ebenfalls angegangen: Fast jeder zweite Kantinen- und Mensaleiter hat das Speisenangebot verschlankt und setzt auf individuelle Portionsgrößen oder einen Kellenplan bei der Ausgabe der Speisen. Zwei Drittel der Betriebsgastronomen haben ein eigenes Abfall-Management. Insgesamt zeigt die Studie, dass Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsgastronomie ganzheitlich betrachtet wird. Trotz aller Krisen ist die Branche von Zukunftsoptimismus und einer positiven Aufbruchsstimmung geprägt.

Hitzemanagement - Ein Public Health Ansatz

Handlungsfelder zum Umgang mit Hitze

Und in Kliniken?

Die aktuelle Verpflegung in deutschen Krankenhäusern steht oftmals im Widerspruch zum Genesungsauftrag der Kliniken. So ist ein Großteil der Klinikspeisen nachteilig für die individuelle und die planetare Gesundheit. Das bescheinigte auch die CARE-Studie 2022:
„Viele Küchen schenken der Nachhaltigkeit noch wenig Aufmerksamkeit.“ Wer sich mit der Studienlage befasst, kommt an dieser unbequemen Wahrheit nicht vorbei: Krankenhausessen kostet nicht nur Lebensqualität, sondern auch Menschenleben. Dies hängt sowohl mit dem zusammen, was den Patienten und Patientinnen im Krankenbett serviert wird, als auch mit dem, was ihnen vorenthalten wird. Es ist erwiesen, dass Mangelernährung den Heilungsprozess erschwert. Die einfachsten Lösungen wären ein gutes Angebot an Standardmahlzeiten und eine professionelle Ernährungstherapie für diejenigen, die sie benötigen. Allerdings zeigt die Studienlage auch, dass dies in den meisten deutschen Krankenhäusern eben nicht geschieht. Ende 2019 warnte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrem 14. Ernährungsbericht im Auftrag der Bundesregierung vor den „schwerwiegenden Folgen“ der Mangelernährung in Krankenhäusern.

Ursprünge der PLANETARY HEALTH DIET

Als sich im Jahr 2018 eine kleine Delegation der BKK ProVita auf den Weg zur UN-Klimakonferenz COP24 in Kattowitz machte, um den Klimaschutzpreis „Momentum for Change“ der Vereinten Nationen in der Kategorie „Planetary Health“ für ein Ernährungsprojekt in Schulen zu erhalten, traf sie unter anderem auch auf Dr. Gunhild A. Stordalen, Gründerin von EAT, einer wissenschaftsbasierten globalen Plattform für die Transformation des Ernährungssystems. Ein Jahr später, im Jahr 2019, wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlerinnen der EAT-Lancet-Kommission die „Planetary Health Diet“ vorgestellt. Die Kommission setzt sich aus 37 Expertinnen aus verschiedenen Bereichen wie Ernährungswissenschaften, Landwirtschaft und Umwelt zusammen. Das Ziel der Kommission war es, einen globalen Leitfaden für eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu entwickeln, der sowohl die Gesundheit der Menschen als auch die Gesundheit des Planeten berücksichtigt. Sie basiert auf einer pflanzenbasierten Ernährung und einem geringen Verzehr von tierischen Produkten sowie auf einer nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln.

Ernährungshinweise

Pflanzlich. Nachhaltig. Gesund. Ein Wegweiser für Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen

Bereits 2018 kamen auch Vertreterinnen des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), der Beratungsfirma a´verdis und der BKK ProVita zusammen, um die Möglichkeiten zu diskutieren, Kliniken bei der Verbesserung ihres Speisenangebots zu unterstützen. Am 21.02.2019 fand in Berlin ein Expertenforum zur Ausweitung einer gesunden, nachhaltigen, pflanzenbasierten Ernährung in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen statt. Neben Küchenchefs und Geschäftsführerinnen von Kliniken nahmen auch Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und des Verbandes der Diätassistenten (VDD) an der Veranstaltung teil. Mitgewirkt hat auch Prof. Dr. Michalsen, Professor für klinische Naturheilkunde an der Charité Berlin. Er weiß: „Ernährung kann einen wesentlichen Beitrag in der medizinischen Versorgung der Zukunft leisten. Die Bedeutung der Ernährung für die Prävention und Therapie der modernen Volkskrankheiten ist enorm. Krankenhäusern kommt dabei eine Vorbildfunktion zu.“ Der Leitfaden beinhaltet eine Umsetzung in fünf Schritten: Strategiefindung, Rezept- und Speiseplangestaltung, Einkauf und Verarbeitung, Wirtschaftlichkeit und Kalkulation sowie interne und externe Kommunikation. Dabei werden die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten ebenso wie der Mitarbeitenden berücksichtigt. Der Wegweiser enthält Good-Practice-Beispiele, Speisepläne, Rezepte und Wissenswertes rund um gesunde Ernährung. Mit dem Leitfaden sollen die Kliniken ermuntert werden, ihre Multiplikatorenwirkung zu nutzen – sowohl im Hinblick auf die Patientinnen und Patienten als auch die Mitarbeitenden. Für alle diese kann ein vollwertiges Verpflegungsangebot eine „Saat“ hin zur Entwicklung einer gesundheitsförderlichen, den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben angepassten Ernährungsweise bedeuten.

    

The Power is on your plate.

Dr. Gunhild Anker Stordalen, norwegische Ärztin und Gründerin der EAT-Stiftung

    

Nicht nur das "Was", sondern auch das "Wie" zählt

Ein weiterer Aspekt, der bei einer gesunden Ernährung oft vernachlässigt wird, ist das Bewusstsein für das Essen und das eigene Essverhalten. Mindful Eating ist ein Konzept, das dabei helfen kann, eine bewusste Beziehung zum Essen aufzubauen und eine gesunde Ernährung zu fördern. Durch Achtsamkeit und bewusstes Essen können Menschen ihre Essgewohnheiten ändern und so zu einer gesünderen Lebensweise beitragen. Daher entwickelt der BKK Dachverband gemeinsam mit Betriebskrankenkassen und PLANETARY HEALTH einem Team der Charité rund um Prof. Michalsen aktuell einen Leitfaden für Betriebe, um auch diesen gesundheitsfördernden Aspekt in die Berufswelt zu integrieren. Insgesamt zeigt sich, dass eine gesunde und nachhaltige Ernährung ein komplexes Thema ist, das viele Aspekte umfasst. Die Umstellung der Ernährung erfordert eine enge Zusammenarbeit und eine umfassende Informationsbasis für alle beteiligten Akteure. Die Planetary Health Diet und das Konzept des Mindful Eatings können dabei helfen, eine gesunde und nachhaltige Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung, den Kliniken und im privaten Bereich zu fördern. Für die Krankenhausküche bedeutet das in erster Linie, dass neue, gesundheitsfördernde und attraktive Gerichte entwickelt, beziehungsweise bereits existierende Gerichte optimiert werden sollten. Gleichzeitig hat immer der Geschmack die höchste Priorität. Nur so kann die Akzeptanz der Konsumentinnen und Konsumenten sichergestellt werden. Durch Informationsmaterialien oder ein sogenanntes Nudging – also das Anstoßen von Entscheidungen – kann das Konsumverhalten zudem gelenkt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Ernährungsstrategie der Bundesregierung und ähnliche Projekte dazu beitragen werden, eine nachhaltige Ernährung für alle Menschen zugänglich zu machen. BKK ProVita hat die Notwendigkeit erkannt und schon einige Maßnahmen eingeleitet. Wir sind auf einem guten Weg, den es sich lohnt, weiterzugehen: für die Umwelt und für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen.