KUNDENREPORT 2023

Fragt die Versicherten!

Von Sarah Kramer, Politik und Kommunikation

Die Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland soll sich verbessern – und die Politik arbeitet hierfür derzeit an zahlreichen Gesetzesvorhaben. Doch offenbar plant das politische Berlin so einiges, an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Das geht aus dem diesjährigen BKK Kundenreport hervor, den die Betriebskrankenkassen Anfang November veröffentlicht und mit den drei Herausgebern in einer Pressekonferenz vorgestellt haben. Für die Publikation haben die Betriebskrankenkassen mehr als 5.000 Versicherte zur Leistungs- und Servicequalität von Krankenkassen befragt.

Hand mit Stift und Klemmbrett

Wer die Qualität der Versorgung auf die politische Agenda setzt, sollte die Bürgerinnen und Bürger danach fragen, wie hochwertige Gesundheitsleistungen und guter Service aus ihrer Sicht aussehen. Denn aus ihren eigenen Erfahrungen als Versicherte wissen sie sehr genau, an welchen Stellen das deutsche Gesundheitssystem gut funktioniert und in welchen Bereichen es hingegen an medizinischen oder pflegerischen Leistungen, Informationen, Kommunikationskanälen oder Service mangelt. Dessen ungeachtet gibt es hierzulande nur wenige Erhebungen, die die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Qualität von Versorgung systematisch und regelmäßig unter die Lupe nehmen und auswerten.

Repräsentative Versichertenbefragung mit mehr als 5.000 Teilnehmenden

Die Betriebskrankenkassen gehen mit gutem Beispiel voran: Im Abstand von zwei Jahrenbefragen sie die Versicherten zu ihren Erfahrungen mit ihrer Krankenkasse und zu ihren Erwartungen an Leistungs- und Serviceangebot. Die Ergebnisse der jüngsten repräsentativen Erhebung mit mehr als 5.000 gesetzlich und privat Versicherten zwischen 18 und 79 Jahren hat der BKK Dachverband Anfang November im BKK Kundenreport 2023 „Qualität von Krankenkassen – Fokus Nachhaltigkeit“ veröffentlicht. Die Befragung gibt zum einen Aufschluss über den qualitativen Status Quo der Krankenkassen. Zum anderen lassen sich aus den vorliegenden Zahlen konkrete Handlungsempfehlungen für die Kassen ableiten, an welchen Stellen sie Service und Leistungen verbessern sollten, um den Wünschen der Versicherten zu entsprechen.

Die Versicherten sind mit der gesetzlichen Krankenversicherung viel zufriedener, als die öffentliche Meinung dies allgemein unterstellt.

Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes

Report liefert repräsentative Zahlen zur Nachhaltigkeit von Krankenkassen

Darüber hinaus wurden die Versicherten für den diesjährigen Kundenreport zum ersten Mal auch zum Thema Nachhaltigkeit befragt, was die Publikation in einem eigenen Kapitel abbildet. Es enthält Zahlen dazu, in welchem Maße Leistungen und Services der Krankenkassen bereits ressourcenschonend sind. Last but not least liefert das umfangreiche Zahlenwerk wichtigen empirischen Input zu den aktuellen gesundheitspolitischen Plänen des Gesetzgebers, die unter anderem auf mehr Qualitätstransparenz der Krankenversicherungen (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz) und die verstärkte Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz) zielen. Die vorliegenden Zahlen und Wünsche der Versicherten hierzu reichen deutlich weiter als die jeweiligen Gesetzentwürfe und sollten die Politik daher nachdenklich stimmen.

Hohe Zufriedenheit mit der Krankenkasse

„Die Versicherten sind mit der gesetzlichen Krankenversicherung viel zufriedener, als die öffentliche Meinung dies allgemein unterstellt“, so Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes bei der Vorstellung der Publikation. Insgesamt 85 Prozent der Befragten mit gutem Gesundheitszustand gaben an, mit ihrer Krankenversicherung sehr zufrieden oder eher zufrieden zu sein: Bei Versicherten mit schlechter oder sehr schlechter Gesundheitssituation lag der Wert bei 75 Prozent. „Ich weiß nicht, ob es sonst noch viele Institutionen in der Republik gibt, die von ihren eigenen Mitgliedern ein solch positives Zeugnis ausgestellt bekommen“, so Knieps.

Bewertung von Qualität fällt Versicherten schwer

Gleichwohl fällt es vielen Befragten immer noch schwer, ihre Krankenkasse hinsichtlich Leistungs- und Serviceangebot zu bewerten. Bereits bei der ersten Versichertenbefragung der Betriebskrankenkassen im Herbst 2020 hatten sich nur rund ein Drittel der Teilnehmenden im Stande gesehen, Aussagen hierzu zu treffen. Die aktuelle Erhebung liefert ähnliche Ergebnisse: Rund zwei Drittel der Befragten tun sich generell schwer damit, zu bewerten, welche Krankenkasse ihnen eine qualitativ hochwertige Versorgung bietet – und welche nicht. Auch sind Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Krankenkassen für die Versicherten offenbar nur schwer auszumachen. Dies sollten sich die Versicherer zu Herzen nehmen und die Bürgerinnen und Bürger auf qualitativ hochwertige Leistungen und Services oder vorgenommene Optimierungen derselben hinweisen. Transparenz an dieser Stelle kommt zum einen den Versicherten zugute, und macht es einzelnen Kassen zum anderen möglich, sich von der Konkurrenz abzusetzen. Nur wenn Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Krankenversicherern erkennbar sind, ist fairer Wettbewerb unter den Kassen möglich.

Transparenz kommt Versicherten zugute und ist Grundlage für fairen Kassenwettbewerb

Zugleich bedürfe es der zeitnahen Rückkoppelung und Kommunikation mit den Versicherten, sagt Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse und Mitherausgeberin des BKK Kundenreports. „Wir brauchen Befragungen und Feedbacksysteme in der Versorgung mit denjenigen, die versorgt werden“, sagt sie. „Um zu wissen, ob das, was Expertinnen und Experten sich ausdenken, auch tatsächlich bei den Menschen ankommt.“ 

Betriebskrankenkassen sind bei Service und Leistungsentscheidungen führend in der GKV

Betrachtet man die Zufriedenheit der Versicherten mit bestimmten Aspekten nach Krankenkassenart, haben die Betriebskrankenkassen im Reigen der gesetzlichen Krankenversicherer bei den Themen Service und Leistungsentscheidungen jeweils die Nase vorn. Insgesamt sind 83 Prozent der BKK-Versicherten sehr oder eher mit der Servicequalität ihrer Betriebskrankenkasse zufrieden. Mit ihren Leistungsentscheidungen sind 68 Prozent der Befragten sehr zufrieden oder eher zufrieden. „Wir haben den Anspruch, diesen Platz auch in Zukunft zu verteidigen“, sagt Franz Knieps.

Versicherte wünschen Ausweitung digitaler Angebote

Deutliche Veränderungen im Vergleich zur ersten Kundenbefragung der Betriebskrankenkassen zeichnen sich in den Antworten der Bürgerinnen und Bürger ab, wenn man diese zu einzelnen Aspekten des Leistungs- und Serviceangebots ihrer Krankenkasse befragt. Die Kassen haben – befeuert durch die Einschränkungen der Pandemie – Prozesse und Kommunikationskanäle zunehmend digitalisiert. Damit kommen sie dem Wunsch der Versicherten entgegen, die bestimmte Anliegen (wie etwa Rechnungen oder Krankenscheine einreichen) vornehmlich online erledigen wollen. Zwar greifen die Versicherten immer noch vorrangig zum Telefon, um mit ihrer Krankenkasse in Kontakt zu treten. Andere Kommunikationsformen wie E-Mails oder Apps setzen sich aber zunehmend durch. „Unsere Versicherten haben Ansprüche an eine digitale Betreuung“, erklärt Knieps. „Sie wollen nicht einfach beschallt und mit Angeboten überzogen werden, sondern sie erwarten inhaltliche Verbesserungen in dieser Art von digitaler Betreuung und eine politische Hervorhebung von wichtigen Dingen in dieser inhaltlichen Betreuung.“ 

Viele digitale Angebote sind den Versicherten unbekannt

Auch persönliche Daten wollen die Versicherten künftig verstärkt mit ihrer Krankenkasse teilen. Dabei vertrauen 80 Prozent der Befragten darauf, dass ihre Kasse bei der Nutzung ihrer Daten die Datenschutzvorschriften einhält. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger würde einer noch intensiveren Nutzung persönlicher Daten zustimmen, wenn diese eine individuellere und bedarfsgerechtere Versorgung zur Folge hätte. Gleichwohl sind zahlreiche digitale Angebote, die die Krankenkassen ihren Versicherten mittlerweile zur Verfügung stellen wie etwa die elektronische Patientenakte oder Online-Hilfen zur Suche von Ärzten, den Befragten noch nicht bekannt. Daran sollten die Versicherungen arbeiten und künftig verstärkt auf elektronische Angebote und Pfade hinweisen. Damit schaffen sie Vertrauen und sorgen für Orientierung – ein Aspekt, der Versicherten den vorliegenden Zahlen zufolge zunehmend wichtig ist.

Unser Gesundheitswesen braucht mehr Transparenz und eine systemische Nutzung von Versicherten- und Patientenerfahrungen! Versicherten-Feedback statt nur lebloser Kennzahlen.

Dr. Gertrud Demmler, Vorständin SBK Siemens-Betriebskrankenkasse

Mehr als nur Bezahler: Versicherte wünschen sich ihre Kasse als Lotse

Zusätzlich zu einem höheren Maße an Qualitätstransparenz wünscht sich knapp ein Drittel der Befragten, künftig stärker als bisher und aktiv von ihrer Krankenkasse an die Hand genommen zu werden, um sich im Dickicht von Therapieangeboten und Leistungserbringern zurechtzufinden: Die Kasse soll nicht nur für Leistungen bezahlen und sich um die Anliegen der Versicherten kümmern, sondern vielmehr als Lotse im Gesundheitswesen fungieren. Dabei sind es vor allem jüngere Versicherte, die sich diesbezüglich mehr Engagement von ihrem Krankenversicherer wünschen. Wie die vorliegende Befragung zeigt, fühlen sich viele Bürgerinnen und Bürger unter anderem dann nicht ausreichend unterstützt, wenn sie online nach Ärzten, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten suchen. So sind derzeit nur 35 Prozent der Befragten mit der von den Kassen zur Verfügung gestellten digitalen Arzt- oder Kliniksuche zufrieden. Die Mehrheit der Versicherten wünscht sich insbesondere mehr Informationen und Transparenz zur Qualität von Ärzten und Krankenhäusern.

Mehr Vernetzung und sektorenübergreifende Versorgung

Zudem sollten die Krankenkassen aus Sicht der Befragten künftig mehr Einfluss auf die Gestaltung der Versorgung nehmen. Fast drei Viertel von ihnen erwartet, dass die Versicherer diesbezüglich sektorenübergreifend und integrativ agieren und insbesondere die Vernetzung der zahlreichen Leistungserbringer in der Gesundheitsbranche vorantreiben. Auch sehen sie mit Blick auf präventive Angebote Nachbesserungsbedarf: Die Versicherten wünschen sich weniger kurative Maßnahmen und ein Mehr an Versorgung, die auf die Vermeidung von Erkrankungen zielt.

Insbesondere die Jüngeren stufen Nachhaltigkeit als wichtig oder sehr wichtig ein, wenn sie sich für eine Krankenkasse entscheiden. Krankenkassen tun also gut daran, das Thema Nachhaltigkeit umzusetzen und entsprechende Angebote zu machen.

Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes

Betriebskrankenkassen wollen bis 2030 klimaneutral sein

Klimaschutz und nachhaltiges Handeln spielen in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft eine zunehmend wichtige Rolle und deren Akteure integrieren Ressourcenschonung, Umwelt- und Klimaschutz in die Architektur, Arbeits- und Geschäftsprozesse ihrer Institutionen und Organisationen. Auch bei den Betriebskrankenkassen ist Nachhaltigkeit seit geraumer Zeit auf der Agenda und findet in zahlreichen nachhaltigen Gesundheitsleistungen und Services sowie innerhalb der eigenen Strukturen ihren Niederschlag. Die Betriebskrankenkassen wollen bis 2030 klimaneutral werden und nachhaltige Versorgung etablieren. Auch hat der BKK Dachverband zusammen mit seinen Mitgliedern und BKK Landesverbänden im Juni 2021 die Initiative „BKK Green Health“ ins Leben gerufen, die darauf zielt, eine gemeinsame Haltung zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit zu entwickeln. Die Initiative hat die Studie „BGM goes Planetary Health“ der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) sowie deren Lunchtalk zum diesjährigen Hitzeschutztag und das Planetary Health Forum #PHF23 Ende November in Berlin gefördert.

Nachhaltigkeit im Bewusstsein der Versicherten verankern

Gleichwohl scheint der „Richtungswechsel“ der Krankenkassen hin zu mehr Nachhaltigkeit bei vielen Versicherten noch nicht angekommen zu sein. Zwar bringt ein großer Teil der Befragten Begriffe wie Klimaschutz, Ressourcenschonung oder Verantwortung mit Krankenversicherungen in Verbindung; fast ein Viertel der Umfrageteilnehmenden stellt diese Verknüpfung jedoch überhaupt nicht her. Auch stufen nur gut 26 Prozent der befragten Versicherten ihre derzeitige Krankenkasse als nachhaltig ein. Nachhaltigkeitsaspekte spielen bei der Wahl der Krankenversicherung bei fast einem Drittel der Befragten keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Hingegen stufen 38 Prozent aller Befragten, insbesondere die Jüngeren unter ihnen zwischen 18 und 29 Jahren mit 48 Prozent, Nachhaltigkeit als wichtig oder sehr wichtig ein, wenn sie sich für eine Krankenkasse entscheiden. „Krankenkassen tun also gut daran, das Thema Nachhaltigkeit umzusetzen und nicht nur Greenwashing zu betreiben, sondern entsprechende Angebote zu machen“, fordert Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes.

Input der Kassen soll Versicherte zu nachhaltiger Lebensführung befähigen

Wiederum eine Mehrheit der Versicherten wünscht sich von ihrer Krankenkasse nachhaltige Leistungen und Informationen zum eigenen nachhaltigem Handeln. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten hierzu von ihrer Kasse Input, der sie am Ende selbst zur gesundheitsförderlichen und zugleich nachhaltigen Lebensführung befähigt und zudem das Gesundheitssystem als Ganzes nachhaltiger macht. Mit Blick auf die vorliegenden Daten sollten Krankenkassen daher in Zukunft das Augenmerk ihrer Versicherten verstärkt auf Nachhaltigkeitsthemen lenken – und diese aktiver als bisher in ihre Kommunikation nach außen integrieren und mit Leben füllen. „Wir müssen deutlicher machen, was wir beim Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz tun“, fordert Klemm.

Cover Kundenreport 2023

BKK KUNDENREPORT 2023

BKK Kundenreport 2023: Versicherte wünschen sich ihre Krankenkasse als Lotse im Gesundheitswesen – nicht nur als Kostenträger. Sie erwarten mehr individualisierte Versorgungsangebote, mehr digitale Kommunikation und mehr Transparenz zu Qualität und Nachhaltigkeit. Ergebnisse der repräsentativen Befragung von 5000 Versicherten der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung hat der BKK Dachverband hier veröffentlicht.

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