Krankenhausstrukturreform

Fokus auf Spezialisierung und Spitzenqualität

Warum Deutschlands Kliniken ihr Angebot auf bestimmte Behandlungen begrenzen sollten

Rund 1900 Krankenhäuser, 8,3 Betten pro 1000 Einwohner und eine Vielzahl an Trägern: Bei den Kliniken ist Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Jeweils rund ein Drittel der Krankenhäuser befindet sich in öffentlicher, frei-gemeinnütziger oder privater Trägerschaft. Anders als in anderen Ländern können Patienten jedoch in nahezu allen Krankenhäusern Leistungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen – und das stets auf dem aktuellen Stand der Medizin.

Ärzte im Operationssaal

Der Krankenhaussektor ist innerhalb der GKV der größte Ausgabenblock und macht mit mehr als 80 Milliarden Euro (2019) rund ein Drittel der jährlichen Gesamtkosten aus. Hauptfinanzierungsquellen für die Krankenhäuser sind zum einen diagnosebezogene Fallpauschalen (sogenannte DRGs) sowie das Pflegebudget, das ab dem Jahr 2020 durch Pflegeentgelte vergütet wird. Damit finanzieren die Krankenversicherungen die Betriebsausgaben der Krankenhäuser. Für die Finanzierung der Investitionen der Krankenhäuser sind die Bundesländer zuständig.

Ein angemessener Zugang zu stationären Leistungen in Deutschland ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt also grundsätzlich gewährleistet. Trotzdem stehen Bund, Länder, Kostenträger und nicht zuletzt die Krankenhäuser selbst vor enormen Herausforderungen, die deutschen Krankenhausstrukturen zukunftsfest zu machen. Schwierigkeiten entstehen im deutschen Krankenhaussystem derzeit vor allem aufgrund des geringen Spezialisierungsgrades der Kliniken und der fehlenden Steuerung der Patienten in das je nach Situation optimale Krankenhaus. Dies führt dazu, dass auf der einen Seite eine hohe Belastung des Personals mit sehr vielen Patienten besteht, es auf der anderen Seite aber zu wenige gleichartige Fälle pro Krankenhaus gibt. Daraus folgen hohe Kosten für das Gesamtsystem, da somit an vielen Standorten eine identische Infrastruktur vorgehalten werden muss. Zudem sind Defizite bei der Behandlungsqualität sichtbar, wenn die Kliniken komplizierte Operationen nur wenige Male im Jahr durchführen. Dazu sei ein Beispiel genannt: Das Risiko, während der komplexen Transkatheter-Aortenklappenimplantation – dem Austausch einer Herzklappe per Katheter – zu versterben, schwankt bei den routiniertesten und den am wenigsten geübten Kliniken zwischen 5,2 und 7,6 Prozent. Das bedeutet, dass in den unerfahrenen Kliniken bei 100 Operationen ein Patient zusätzlich stirbt, der in einer anderen Klinik überlebt hätte.

Es müssen also nachhaltige Antworten auf und Lösungen für verschiedenste Fragen gefunden werden, die jeweils indirekt oder direkt ineinandergreifen und sich in einer zentralen Fragestellung zusammenfassen lassen:

Wie kann vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung und zunehmenden medizinischen Möglichkeiten das hohe Niveau der deutschen Krankenhausversorgung bei begrenzten finanziellen Ressourcen gehalten und möglicherweise noch verbessert werden?

Zum einen erscheint es sinnvoll, den ambulanten Bereich zu stärken und nur solche Patienten stationär im Krankenhaus zu behandeln, die eine spezialisierte Behandlung auch wirklich benötigen. Zum anderen müssen Patienten immer die höchstmögliche Behandlungsqualität erhalten.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass eine konsequente Strategie der Spezialisierung und Ambulantisierung ein wichtiger Schritt ist, um allen Bevölkerungsschichten den gleichen Zugang zu Spitzenmedizin langfristig zu sichern. So hat Dänemark einen landesweiten Spezialisierungsplan eingeführt und investiert bis zum Jahr 2024 insgesamt 5,7 Milliarden Euro in den Umbau seiner Krankenhauslandschaft. Auszahlungen an die Projektverantwortlichen vor Ort erfolgen nur, wenn die Kliniken regionenübergreifend zusammenarbeiten und ein Fünftel der Gelder in neue Technologien investieren. Mittlerweile weist Dänemark bei vielen Indikationen bessere Werte auf als Deutschland. Das Verhältnis der Gesundheitsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt ist stabil geblieben (10,5 Prozent) und damit weiterhin niedriger als hierzulande (11,2 Prozent).

Politikpapiere Zukunftsprogramm Krankenhäuser

Die Betriebskrankenkassen haben einen Vorschlag erarbeitet, wie die Gelder des im Rahmen des „Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets“ der Regierungskoalition ebenfalls verabschiedeten „Zukunftsprogramms Krankenhäuser“ sinnvoll verausgabt werden sollten.

Der BKK Dachverband berät die Politik:Zum BKK DV-Positionspapier

Aus Sicht der Betriebskrankenkassen sollten auch in Deutschland komplexe Eingriffe nur von den besten Kliniken durchgeführt werden. Darum ist eine stärkere Konzentration solcher Leistungen auf spezialisierte Zentren unumgänglich. Hier sind zum einen die Bundesländer gefragt, auch über ihre Landesgrenzen hinaus noch besser zusammenzuarbeiten. Zum anderen müssen alle Beteiligten den Mut aufbringen, notwendige Strukturveränderungen einzuleiten.

Die Krankenhauslandschaft muss dahingehend umgebaut werden, dass eine Konzentration und Spezialisierung nach Leistungsbereichen in einem Zusammenspiel von Mindestmengen und Qualifikationen sowie Bedarfs- und Erreichbarkeitskriterien erfolgt. Gleichzeitig müssen Notfall- und Grundversorgung nach Erreichbarkeitsparametern auch in ländlichen Gebieten mit geringerer Bevölkerungsdichte sichergestellt werden. In Metropolregionen, in denen offensichtlich ist, dass unter den genannten Maßgaben nicht mehr alle bisher vorgehaltenen Krankenhäuser notwendig sein werden, sind Überkapazitäten abzubauen. Die Infrastruktur kann dann etwa für ambulante Gesundheitszentren oder die ambulante oder stationäre Altenpflege umgewidmet werden. Nur so werden die begrenzt vorhandenen pflegerischen und ärztlichen Fachkräfte effizient in den tatsächlich notwendigen Krankenhäusern in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Gerade in der Bewältigung der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass nicht beliebig vorgehaltene Krankenhauskapazitäten der Schlüssel zur qualifizierten Versorgung Erkrankter gewesen sind, sondern insbesondere spezialisierte und hochqualifizierte Krankenhäuser einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.

Eine Strukturveränderung hin zu einer zukunftsgewandten Krankenhausversorgung gelingt insgesamt jedoch nur, wenn alle planerischen und auch vergütungsrelevanten Aspekte so weit wie möglich sektorenübergreifend gedacht werden und das deutsche Krankenhauswesen verpflichtet wird, auch die Potenziale der Digitalisierung deutlich stärker zu nutzen als bisher.

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Christian Busch
Teamleiter Krankenhaus, Ambulante ärztliche Versorgung, Zahnärzte

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Matthias Kretzler
Referent Krankenhaus

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