Lieferengpässe bei Arzneimitteln

Die Ursachen für Lieferschwierigkeiten sind vielschichtig

Betriebskrankenkassen fordern Meldepflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Sie scheinen sich zu häufen, die Berichte über Wirkstoffe, die aktuell für Patientinnen und Patienten nicht in den Apotheken bzw. über den pharmazeutischen Großhandel verfügbar sind. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass Lieferengpässe nicht gleichbedeutend mit Versorgungsengpässen sind. Oftmals stehen Wirkstoffe anderer Hersteller oder auch therapeutische Alternativen für die Versorgung der Patienten zur Verfügung. Damit mag zwar ein Lieferengpass eines Medikaments, aber noch kein Versorgungsengpass bestehen.

Ein leerer Einkaufskorb steht auf dem Tresen einer Apotheke.

​​​​​​​Die Ursachen von Lieferengpässen

Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben viele unterschiedliche Ursachen. Sie kommen etwa dadurch zustande, dass zeitweilig nicht genügend Rohstoffe für die Produktion vorhanden sind. Auch sind sie Ergebnis der Verlagerung von Produktionsstätten auf wenige Standorte. Produktionsausfälle oder Qualitätsprobleme beeinflussen in der Regel den globalen Markt, sind nicht vorhersehbar und kaum vermeidbar. Ursachen können ebenso auch fehlerhafte Wirkstoffsynthesen, regulatorische Auflagen oder veränderte Unternehmensstrategien sein, wie beispielsweise die Reduktion des Sortiments oder Marktaustritte. Darüber hinaus hat auch der stetig wachsende Bedarf an Arzneimitteln in Schwellenländern Einfluss auf die Lieferketten. In seltenen Fällen gehen Lieferengpässe sogar auf Unfälle in Produktionsstätten zurück.

Rabattverträge der Krankenkassen sind nicht die Ursache für Lieferengpässe

Vielfach werden Lieferengpässe in Zusammenhang mit dem Instrument der Rabattverträge gebracht. Rabattverträge in Deutschland haben jedoch keine ursächliche Wirkung auf Lieferengpässe und führen nicht zu einer Abhängigkeit des Marktes von nur einem Anbieter. Dies liegt daran, dass Rabattverträgen keine zentralen Ausschreibungen zugrunde liegen, bei denen der gesamte Markt – wie teilweise in anderen Ländern üblich – einem einzigen Unternehmen zugeteilt wird.

In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schreiben vielmehr einzelne Krankenkassen (oder Verbünde von Krankenkassen) jeweils eigene Verträge aus, die gegebenenfalls regional in unterschiedliche Lose aufgeteilt werden. Dadurch gibt es eine Vielzahl von Ausschreibungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Ausschreibungsgewinnern. Dies ermöglicht permanent die Möglichkeit eines Marktzutritts. Diese Rahmenbedingungen stärken den Wettbewerb und führen durch die unterschiedlichen Ausschreibungen zu einer großen Vielfalt der an der Versorgung beteiligten Arzneimittelhersteller.



Zwischen Finanzierbarkeit und schnellem Zugang - in nur wenigen Jahren hat sich das Preisniveau der hochpreisigen Arzneimitteltherapien deutlich verschoben.

Hochpreisige Arzneimitteltherapien

Der Abschluss eines Vertrages führt bestenfalls zu einem hohen Maß an Planungssicherheit für die Arzneimittelhersteller und zu einer optimalen Auslastung der Produktionskapazitäten. Dies gilt insbesondere bei Verträgen, bei denen jeweils nur ein Hersteller einen Zuschlag erhält. Mit der Anzahl der Gewinner einer einzelnen Ausschreibung nimmt dieser Vorteil der Planungssicherheit für die Arzneimittelhersteller wieder ab.

Grundsätzlich wird in den Märkten, in denen Mehrfachvergaben möglich sind und wirtschaftliche Angebote erzielt werden können, das Instrument der Mehrfachvergabe in den Ausschreibungen bereits genutzt. In Märkten mit geringer Anbietervielfalt und entsprechend wenig Wettbewerb laufen Mehrfachvergaben jedoch ins Leere. Schätzungen zu Folge würden der gesamten GKV etwa 1,2 Milliarden Euro an Rabatten entgehen, sofern eine Verpflichtung zur Mehrfachvergabe vorgeschrieben werden würde. Die betroffenen Wirkstoffe würden sich in diesem Fall dem Rabattsystem quasi entziehen.

Studien weisen zudem darauf hin, dass durch Rabattverträge der Wechsel von Präparaten abnimmt, was zu einer kontinuierlichen Versorgung führt. Darüber hinaus bieten Rabattverträge aufgrund der vorgesehenen Vertragsstrafen wirksame Sanktionsmechanismen für den Fall, dass Medikamente nicht lieferbar sind. Lieferengpässe werden insbesondere aus dem stationären Sektor gemeldet. In diesem Segment greifen die Rabattverträge aber gerade nicht.

Dass Änderungen bei Rabattverträgen ein globales Lieferproblem lösen könnten, erscheint letztlich mehr als zweifelhaft.

Transparenz über drohende und bestehende Lieferengpässe erhöhen

Grundsätzlich ist es wesentlich, bestehende oder drohende Lieferengpässe transparenter zu machen. Die Betriebskrankenkassen befürworten daher eine Regelung, die aus der bislang freiwilligen Meldung von Lieferengpässen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Pflicht macht. Die Einrichtung eines Beirates beim BfArM, der die Versorgungslage mit Arzneimitteln kontinuierlich beobachtet und bewertet, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

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Referentin Arzneimittel

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Referentin Politik
GKV-Finanzierung, Digitalisierung, ambulante Versorgung, Leistungs- und Beziehungsrecht, Mitgliedschafts- und Beitragsrecht, Qualitätstransparenz

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