BKK Dachverband fürs Ohr

O-Ton-Paket von Prof. Dr. Schrappe zum BKK Kundenreport 2021

Interview zum BKK Kundenreport 2021 mit Prof. Dr. Schrappe (Professor für Infektiologie an der Universität zu Köln und ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat Gesundheit)

Hand hält Kompass auf einem Waldweg

FRAGE 1: Herr Prof. Schrappe, viele Kassen orientieren sich am Beitragssatz, um Versicherte für sich zu überzeugen. Eignet sich dieser als Vergleichsvariable oder wo liegt Ihrer Meinung nach der „echte“ Unterschied?

OT1: Natürlich spielt der Beitragssatz eine erhebliche Rolle für die Patienten. Die müssen die Beiträge ja aufbringen. Was trotz aller Ansprache des Themas Qualitätswettbewerb in den letzten Jahren vielleicht ein bisschen auf der Strecke geblieben ist: Patienten sind natürlich auch daran interessiert eine gute und erreichbare Behandlung zu bekommen. Und da könnten Kassen durchaus mehr punkten.

FRAGE 2: Gute Behandlung … welche Faktoren zeichnen denn allgemein eine gute beziehungsweise hohe Versicherungsqualität aus?

OT2: Es wird immer wieder zum Beispiel auf die Heilungserfolge verwiesen, zum Beispiel bei Tumorerkrankungen, das ist sehr wichtig. Es wird auf die Komplikationsraten verwiesen beim Thema Patientensicherheit, auch das ist extrem wichtig. Neben diesen Ergebnisindikatoren, so nennen wir die, also was kommt bei der Behandlung als Erfolg raus, gibt es natürlich auch wichtige Fragen, die zum Beispiel die Weitergabe von Informationen angeht, die Kooperation der Leistungsanbieter, also zum Beispiel Krankenhäuser und ambulante Versorgung und Reha. Sind die Informationen dann auch immer zeitnah vorhanden, wenn der Patient den Sektor wechselt? Auch diese, wir nennen es Prozessindikatoren, sind ausgesprochen wichtig. Und dann hat sich jetzt ja in der Corona-Krise gezeigt, dass wir auch zusehend mit Fragen der Erreichbarkeit zu tun haben, also ob man die Leistung überhaupt erhalten kann, weil Patienten Angst hatten ins Krankenhaus zu gehen beziehungsweise auch Leistungen umgeschichtet wurden.

FRAGE 3: Neben der guten Behandlung sprachen Sie eingangs auch von der erreichbaren Behandlung, was meinen Sie damit genau?

OT3: Für Patientinnen und Patienten ist ihre Behandlung ein regionales Geschehen. Das findet in der mittelgroßen Stadt oder sogar auf dem Land, in einer Region, statt. Und es kommt darauf an, dass die Kassen über ihre regionale Präsenz in der Lage sind die Behandlungsabläufe optimal zu koordinieren und die Informationsflüsse zusammen natürlich mit den Leistungsanbietern sicherzustellen und den Patienten als selbständig denkenden, selbständig handelnden Akteur mit einzubeziehen, der informiert werden muss und der auch Entscheidungen trifft, am besten auf informierter Basis.

FRAGE 4: Vielleicht noch einmal zusammengefasst, von welchen Kriterien sollte sich der Qualitätsanspruch seitens der Kassen leiten lassen?

OT4: Ja, ich denke, es kommt in Deutschland nicht darauf an dass wir bei der Behandlung einzelner Krankheitsbilder jetzt groß in Wettbewerb treten. Wir haben überall Luft nach oben, aber trotzdem haben wir natürlich ein entwickeltes und gutes Gesundheitswesen. Aber da, wo Kassen wirklich was tun können ist das Versprechen einzulösen und auch überhaupt erkennbar zu machen, wie gut die Behandlung organisiert ist. Behandlung von Krankheiten, von chronischen Krankheiten, werden ja fast nie mehr von einem Arzt alleine gemacht oder von einem Krankenhaus, sondern sind immer netzförmige Vorgänge, wo ganz viele Beteiligte, auch nicht medizinisch, pflegerische, Krankengymnasten, also ganz viele mitwirken müssen. Und das effektivste, das beste Argument, das eine Kasse heute vorbringen kann ist, dass sie ihren Versicherten das Versprechen gibt und auch für die Umsetzbarkeit sorgt, dass alle optimal zusammenwirken, dass der Patient das Gefühl hat, eine Behandlung aus einer Hand zu bekommen. Und wenn die Kassen da aktiver werden würden und auch damit mehr werben, ich glaube, das wäre ein wichtiger Schritt.