BKK Dachverband fürs Ohr

O-Ton-Paket Franz Knieps (Vorstand BKK DV) zum Kundenreport 2021

Interview zum BKK Kundenreport 2021 mit Franz Knieps (Vorstand BKK Dachverband e.V.)

Hand hält Kompass auf einem Waldweg

FRAGE 1: Herr Knieps, viele Kassen orientieren sich noch immer am Beitragssatz, um Versicherte für sich zu überzeugen. Der erstmals in diesem Jahr erscheinende BKK Kundenreport sucht einen anderen Ansatz. Wie sieht der aus?

OT1: Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ist zu 95 Prozent durch das Gesetz festgelegt. Es gibt nur wenige Unterschiede in den Leistungen. Es gibt aber durchaus Unterschiede in der Qualität, der Versichertenbetreuung, des Services, des Verwaltungshandelns, also im Verhältnis Krankenkasse Versicherter. Und das versuchen wir etwas näher in den Blick zu nehmen und dann zu sagen, wie können wir diese Unterschiede sichtbar machen, wie können wir das messen und was können wir dem Versicherten an die Hand geben, damit er eine für seine Bedürfnisse passende Kasse findet. Und da ist der Beitragssatz ein denkbar ungeeigneter Indikator für.

FRAGE 2: Wenige Unterschiede in den Leistungen – wie steht’s denn allgemein um die Zufriedenheit der Befragten mit den gesetzlichen Kassen?

OT2: Also wenn man auf manchen Politiker oder manchen Medienbeitrag hört, müsste es ja damit sehr schlecht stehen. Wir haben deshalb bei rund 5000 Versicherten im Alter ab 18 Jahren nachgefragt: Wie zufrieden bist du denn mit deiner Krankenkasse? Wie zufrieden bist du denn mit dem sozialen Gut Krankenversicherung? Und dabei ist rausgekommen, dass die Versicherten, gerade im Vergleich mit anderen Dienstleistungsbranchen, doch sehr zufrieden sind. Wir haben einige Varianten, abhängig vom Alter oder gesundheitlicher Lage, aber die generelle Zufriedenheit ist sehr hoch!

FRAGE 3: Sie sprechen von Varianten abhängig vom Alter oder dem gesundheitlichen Befinden. Bedeutet das, Kassen sollten ihre Angebote klarer auf einzelne Versicherte zuschneiden?

OT3: Ich glaube, wir müssen genauer hinsehen, was denn die einzelnen Gruppen wollen. Es sind ja 90 Prozent der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Und wir wissen es ja aus dem Alltagsleben, Junge und Ältere, Gesunde und Kranke, Leute in Städten oder Leute im ländlichen Raum führen andere Arten von Leben. Und aus dieser anderen Lebensart, der anderen Lebenseinstellung, der unterschiedlichen Berufe, der unterschiedlichen Belastung ergeben sich auch ganz spezifische Wünsche, Bedürfnisse, Bedarfe für einzelne Versichertengruppen. Wir müssen also genauer hinsehen: Was wollen die Versicherten? Und zwar nicht, was wollen 80 Millionen, sondern was wollen junge Versicherte, was wollen alte Versicherte, was wollen Menschen mit gutem gesundheitlichem Status, was erwarten Menschen mit chronischen Erkrankungen, Menschen mit Handicaps. Wir müssen also genauer herausfinden, was sind die Bedürfnisse, was sind die Bedarfe.

FRAGE 4: In welchem Bereich sehen Sie, sehen die Befragten noch Nachholbedarf seitens der gesetzlichen Kassen?

OT4: Exemplarisch für die weniger gute Beurteilung steht die Prävention. Da machen die Versicherten offenbar sehr unterschiedliche Erfahrungen. Und wie ich am Anfang gesagt habe ist die Prävention der Paradeteil, der nicht gemeinsam und einheitlich für alle Krankenkassen gilt, sondern hier haben die einzelnen Krankenkassen großen Spielraum und können eigene Akzente setzen. Unser Eindruck ist nach der Kundenbefragung, dass die Krankenkassen noch nicht genau genug eruieren, was ihre Versicherten denn wollen. Wir haben auch unterschiedliche Traditionen. Die Betriebskrankenkassen sind der klassische Partner im Setting Betrieb, kümmern sich also um Arbeit und Gesundheit. Kassen, die lokal vor Ort sehr stark sind, kümmern sich beispielsweise um die Verhältnisse im Kiez, in der Stadt, im Dorf. Hier müssen die Krankenkassen noch klarer konturiert und sichtbarer werden.

FRAGE 5: Sie sagen, eruieren, was die Versicherten wollen – was wollen denn die Versicherten laut BKK Kundenreport?

OT5: Wir stellen fest, Versicherte mit subjektiv oder objektiv schlechtem Gesundheitszustand sind auch weniger zufrieden mit ihren Kassen, die erwarten mehr als nur die Finanzierung von Leistungen. Hier wollen die Versicherten Hilfen haben, dass sie Informationen über Behandler, Ärzte, Krankenhäuser, über Behandlungsalternativen, besser konservativ oder mit einer OP, reicht eine Arzneimitteltherapie, brauche ich Eingriffe, da wollen sie mehr Informationen von den Krankenkassen, und da wollen sie auch wissen, was weiß denn die Krankenkasse über die Qualität einzelner Behandler, also welche Arztpraxis ist empfehlenswert, welches Krankenhaus ist empfehlenswert.

FRAGE 6: Corona bestimmt unseren Alltag. Persönliche Kontakte sind rar. Das betrifft oder betraf auch viele Geschäftsstellen der Kassen. Die Alternative sind digitale Kanäle. Wie sehen das die Befragten?

OT6: Gerade in der Pandemie erwarten die Versicherten Erreichbarkeit via digitaler Medien. Also ich meine, Telefon ist selbstverständlich, aber es ist leider noch nicht so, dass alle Angelegenheiten zwischen Versicherten und ihrer Krankenkasse elektronisch abgebildet sind. Also nicht alle Geschäftsprozesse sind digital hinterlegt. Hier erwarten gerade die Versicherten, die selber irgendeine größere Beweglichkeit, Stichwort mobiles Arbeiten, für ihre Tätigkeit erlebt haben, dass Gleiches auch für die Kasse gilt. Und ich hoffe sehr, dass auch wenn jetzt schrittweise die Geschäftsstellen wieder öffnen, dass diese digitale Kompetenz weiter ausgebaut wird. Den Rückenwind von den Versicherten haben die Krankenkassen dazu. Die Versicherten erwarten das!

FRAGE 7: Rückenwind fürs Digitale – mal umgekehrt gefragt, bedeutet das künftig eine Verlagerung des Kontakts, der Kommunikation, vor allem ins Digitale?

OT7: Zumindest erwarten die Versicherten das als generelles Angebot. Man darf das Kind aber nicht mit dem Bade ausschütten. Die Zufriedenheit der Versicherten mit der Krankenversicherung rührt auch daher, dass das Verhältnis empathischer geworden ist, dass sich also die Krankenkassenmitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zweifelsfall individuell um die jeweilige Situation der Versicherten kümmern. Eine Kasse wird künftig beides anbieten müssen: Gute Erreichbarkeit im Digitalen und schnelle Abwicklung im Massengeschäft, aber auch empathische, humanitäre Betreuung des Einzelfalles und die Suche nach Lösungen, nicht den pauschalen Verweis auf Gesetzeslagen. Da muss sich eine Kasse künftig drauf einstellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in beiden Bereichen trainiert sein.

FRAGE 8:
Auf den Punkt gebracht, welches Bild, welche Rolle, wünschen oder erhoffen sich die Versicherten von einer Krankenkasse?

OT8: Auf jeden Fall wollen die Versicherten, dass ihre Krankenkasse mehr ist als das bloße Finanzamt des Gesundheitswesens. Sie erwarten, dass sie einerseits für ein gutes Versorgungsangebot und zwar flächendeckend, nicht nur in der Großstadt, sondern auch in kleineren Städten und auf dem Land, Sorge tragen. Und sie erwarten, dass die Kasse nicht nur sich ums Geld kümmert. Also dass das Geld für die Versorgung da ist, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Sie erwarten, dass die Versicherten auch inhaltlich betreut werden, dass die Kasse nicht nur die große Regelung schafft, sondern dass sie bei Problemen im Einzelfall hilft. Und das hat auf der Seite der Kassen zur Folge, dass sie nicht nur Bezahler, neudeutsch Payer, sind, sondern zum Player, zum Gestalter, zum Unterstützer der Versicherten werden!
Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Knieps!

VERABSCHIEDUNG: Sehr gerne!

Cover BKK Kundenreport 2021

BKK DACHVERBAND E.V.