Positionspapier

Impulse für den politischen Umgang mit Diabetes

Die Zunahme chronischer Erkrankungen ist eine Herausforderung, der nur durch engagiertes gesamtgesellschaftliches Handeln begegnet werden kann. Die Initiative Diabetes@Work will Politik und Öffentlichkeit den Handlungsbedarf im
Umgang mit chronischen Erkrankungen, speziell dem Diabetes mellitus Typ 2, aufzeigen und Lösungsanästze liefern.

Sieben Millionen Deutsche leiden an Diabetes

Diabetes ist auf dem Vormarsch. Heute leben in Deutschland bereits rund sieben Millionen Menschen mit diagnostiziertem Diabetes mellitus Typ 2. Nach Angaben der Deutschen Diabetes Hilfe kommen pro Jahr um die 500.000 Neuerkrankungen hinzu – das entspricht 1.500 Fällen pro Tag. Bis zu zwei Millionen der Betroffenen sind sich ihrer Erkrankung noch nicht bewusst – denn da Diabetes mellitus Typ 2 erst in einem sehr späten Stadium Symptome verursacht, wird er im Durchschnitt acht bis zehn Jahre zu spät diagnostiziert.

Mehr Prävention durch nationale Strategie gegen Diabetes

Bundespolitische Entscheider erkennen zunehmend die gesellschaftliche Bedeutung chronischer Erkrankungen wie Diabetes und nehmen ihre Verantwortung wahr. In der 19. Legislaturperiode verabschiedete der Deutsche Bundestag Vorgaben für eine Nationale Diabetes-Strategie. Die Bundesregierung ist damit aufgefordert, die Prävention und Versorgung von Adipositas und Diabetes mellitus deutlich voranzutreiben. Angesichts der steigenden Zahlen von Diabetes-Erkrankungen sind konkrete flächendeckende und nachhaltige Lösungen mehr denn je gefragt. Die Initiative Diabetes@Work begrüßt diesen Schritt ausdrücklich und unterstützt insbesondere die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Disease Management Programms (DMP), zur Weiterentwicklung der Diabetes-Surveillance am Robert-Koch-Institut (RKI) sowie zum Ausbau bestehender Diabetes-Informations- und Beratungsdienste.

Pandemie beinträchtigt Chroniker

Die aktuelle Covid-19-Pandemie sollte in diesem Zusammenhang nicht ungenannt bleiben. Insbesondere für berufstätige Diabetespatienten hat die Pandemie massive Auswirkungen.So wurden beispielsweise Vorsorgetermine aufgrund verkürzter Öffnungszeiten der Praxen verschoben oder aus Angst vor einer Ansteckung von Betroffenen abgesagt. Diese sind jedoch notwendig, um beginnende Komplikationen frühzeitig zu erkennen und abzuwenden. Zudem wurde während der Pandemie schnell klar, dass bestimmte Personengruppen ein besonders hohes Risiko haben eine schwere Covid-19-Infektion zu erleiden. Laut des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind ein hohes Alter, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und insbesondere chronische Erkrankungen, wie der Diabetes mellitus, entsprechende Risikofaktoren.

Umdenken im Betriebslichen Gesundheitsmangement

Andererseits zwingt uns die Pandemie, unser Privat- und Arbeitsleben neu zu organisieren und befeuert die Diskussion rund um das Thema „New Work“ und eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitsumwelt. Seit März 2020 denken zahlreiche Branchen gängige Vorstellungen über feste Arbeitszeiten und Arbeitsplätze neu und werden so veränderten Bedürfnissen und Lebensumständen ihrer Mitarbeitenden besser gerecht. Für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) hat diese Entwicklung weitreichende Folgen.

Gesundheit als Wettbewerbsfaktor

Denn Gesundheit ist ein entscheidender Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor. Daher wird es noch wichtiger, dass Unternehmen Wege finden, den Erhalt einer gesunden, motivierten und leistungsfähigen Belegschaft sicherzustellen. Betriebliches Gesundheitsmanagement muss sich mit den wandelnden Arbeitsbedingungen und der alternden Bevölkerungsstruktur auseinandersetzen und zeitgemäße Lösungen finden.

Neue Bundesregierung muss Präventionsgesetz neu fassen

In der neuen Legislaturperiode haben politisch Verantwortliche die Chance, angestoßene Maßnahmen konsequent umzusetzen und neue zu entwickeln. Neben der Umsetzung der Nationalen Diabetes-Strategie, sollte dabei die Novellierung des Präventionsgesetzes im Zentrum stehen. In den folgenden Handlungsfeldern sehen wir das Potenzial, den Umgang mit Diabetes entscheidend zu verbessern – sowohl am Arbeitsplatz als auch gesamtgesellschaftlich.

Anpassung der Steuergesetzgebung

Diabetes ist keine alleinige Alterserscheinung, sondern betrifft immer häufiger Menschen im arbeitsfähigen Alter. Die jüngsten Ergebnisse des ZI-Versorgungsatlas zeigen, dass die Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 2 insbesondere zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr überproportional ansteigt (Abb. 1). Diese besorgniserregende Entwicklung führt dazu, dass der Diabetes Typ 2 zu einer immer größeren Herausforderung in der Arbeitswelt wird.

Gesundheitsförderung sollte am Arbeitsplatz stattfinden

Die Initiative Diabetes@Work spricht sich dafür aus, dass gesundheitsfördernde Maßnahmen unmittelbar am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit angeboten werden. So können auch diejenigen erreicht werden, die sich bisher noch nicht aktiv für ihre Gesundheit einsetzen. Dafür muss betriebliches Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe wahrgenommen werden. Nur wenn Führungskräfte selbst von BGM-Maßnahmen überzeugt sind, können diese ihre volle Wirkung entfalten – denn betriebliches Gesundheitsmanagement muss von allen gelebt werden. Dabei rechnet sich BGM nicht nur als Investition in die Gesundheit, sondern sichert auch nachhaltig den wirtschaftlichen Erfolg. Dank betrieblicher Gesundheitsförderung können die Fehlzeiten der Mitarbeitenden effektiv gesenkt werden.

Betriebliche Gesundheitsleistungen von der Steuer befreien

Demnach werden betriebliche Gesundheitsleistungen nach § 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes (EstG) steuerlich begünstigt. Zum 1. Januar 2020 wurde der Steuerfreibetrag von 500 auf 600 Euro je angestellter Person und Jahr angehoben. Diese Neuregelung zeigt, dass der Gesetzgeber die besondere Relevanz betrieblicher Gesundheitsleistungen und die damit verbundene Notwendigkeit einer Anpassung des Einkommensteuergesetzes erkannt hat. Nach Auffassung der Initiative ist die Erhöhung des Steuerfreibetrags um 100 Euro zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, greift jedoch zu kurz. Denn, sobald der Steuerfreibetrag von 600 Euro überstiegen wird, wird der Gesamtbetrag der Gesundheitsleistungen sozialversicherungs- und steuerpflichtig. Umfassende Investitionen in Gesundheitsangebote werden somit weiterhin gehemmt. Die Initiative Diabetes@Work fordert deshalb die generelle Steuerbefreiung von betrieblichen Gesundheitsleistungen.

Planung und Umsetzung bundesweiter Aufklärungskampagnen

Politik muss gesunde Lebensweise in den Fokus rücken

Risikofaktoren für eine Diabetes Typ 2-Erkrankung sind neben der genetischen Prädisposition und steigendem Alter vor allem kontrollierbare Lebensstilfaktoren wie körperliche Inaktivität und ungesunde Ernährung. Die Sensibilisierung für eine gesunde Lebensweise muss daher einen hohen politischen Stellenwert erhalten. Diabetes@Work setzt sich dafür ein, dass der Zunahme des Diabetes-Erkrankungen in der Gesellschaft mit gezielten Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen – unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen Adipositas und Diabetes – konsequent entgegengewirkt wird. Erfolgversprechende Maßnahmen müssen dort ansetzen, wo Menschen leben, lernen und arbeiten. Der Arbeitsplatz spielt bei der Prävention eine besondere Rolle.

Aufklärungskampagne für Beschäftigte sinnvoll

Die Initiative Diabetes@Work setzt sich deshalb für die zeitnahe Planung und Umsetzung einer bundesweiten Aufklärungskampagne ein, die unmittelbar in der Arbeitswelt der Menschen ansetzt. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, sollten insbesondere Mitarbeiter kleiner und mittelständischer Unternehmen adressiert werden, da diese 58 Prozent aller deutschen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ausmachen. Dabei ist es zentral, Betriebs- und Werksärzte verstärkt in entsprechende Aktivitäten einzubeziehen. Denn im Unternehmen können auch Menschen erreicht werden, die sonst nur selten zum Arzt gehen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Initiative ausdrücklich die Nationale Diabetes-Strategie, mit der die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beauftragt worden ist, eine Aufklärungs- und Kommunikationsstrategie zum Diabetes mellitus zu entwickeln, umzusetzen und zu evaluieren. Diese soll alle Phasen des Diabetes (Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention) umfassen, um gesundheitsschädigendes Verhalten zu verringern und gesundheitsförderliches Verhalten zu stärken. In der nächsten Legislaturperiode gilt es die nationale Diabetes-Strategie mit Leben zu füllen und eine zielgerichtete Aufklärungskampagne für das Setting Arbeitswelt möglichst zeitnah umzusetzen.

Lebensmittelindustrie muss Zuckereinsatz reduzieren

Im Bereich Ernährung ist die Diabetes-Strategie hingegen hinter ihren Möglichkeiten geblieben. Die Strategie setzt zu sehr auf das individuelle Verhalten und ignoriert den Einfluss der Alltagsumgebung und des Lebensmittelangebots. Dabei ist eine Ernährungsumstellung gemeinsam mit Bewegung die Basis der Behandlung von Typ-2-Diabetes. Als Initiative fordern wir deshalb eine verbindliche Zuckerreduktion, die die Lebensmittelindustrie stärker in die Verantwortung nimmt.

Flankierende Beratung durch Ärzteschaft

Neben Präventions- und Aufklärungskampagnen ist auch die beratende Funktion von Ärzten unerlässlich. Durch Aufklärungsgespräche, Unterstützung und Koordination im Unternehmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung leisten Betriebsmediziner einen wichtigen Beitrag zur Prävention und Behandlung chronischer Erkrankungen. Zudem erhöhen sie gleichzeitig die Reichweite von Präventionsstrategien – besonders im Arbeitsumfeld. Da hier eine ganze Bandbreite an Personen erreicht werden kann, gilt es das Potenzial von Betriebs- und Werksärzten weiter auszubauen und zu stärken. Hierbei sollte die Sensibilisierung für das Thema Prävention, Gesundheitsförderung und arbeitsmedizinisches Basiswissen sowie das Wissen über die Unterstützungsmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger gestärkt werden und als Pflichtwissen im Medizinstudium vermittelt und in der Facharztausbildung für Arbeitsmedizin sowie bei Weiterbildungen vertieft werden. Mit diesem Wissen können Ärzte und Betriebsmediziner Betroffene zielgerichtet unterstützen, indem sie auf bestehende Angebote hinweisen oder sie bspw. in das für sie passende Präventionskursangebot leiten (Präventionsempfehlung). Zudem können Arbeitsmediziner mit diesem Wissen gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern darauf hinwirken, dass sich betriebliche Prävention und Gesundheitsförderung etabliert und dabei helfen, die Unterstützungsmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger, z.B. BGFBeratungsangebot der Krankenkassen im Rahmen der BGF-Koordinierungsstelle, Gesundheitsprogramm RV-FIT, in den Betrieben bekannt zu machen. Darüber hinaus sollten bestehende Beratungsgespräche – insbesondere in Bezug auf Diabetes evaluiert und entsprechend angepasst werden. Eine Aufarbeitung von konkreten Beratungsinhalten und Zielsetzungen ist wünschenswert, um einen Mehrwert zu erkennen und folglich in die Praxis der Betriebsmedizin überführen zu können. Daneben muss auf Seiten der Versicherten und Patienten die Motivation gesteigert werden, Beratungsangebote wahrzunehmen und diese von Ärzten auch aktiv einzufordern. Denn der enge Austausch kann die Nutzung von Präventionsangeboten maßgeblich steigern und die Therapietreue von Patienten nachhaltig verbessern.

Vernetzung der an Prävention und Versorgung beteiligten Akteure

Um Diabetes gesamtgesellschaftlich zu begegnen, bedarf es der gemeinsamen Anstrengung verschiedener Akteure. Beratungs- und Unterstützungsangebote von Sozialversicherungsträgern und öffentlichen Stellen müssen in den Lebenswelten besser verzahnt werden.

Bekanntheit von BGF-Koordinierungsstellen erhöhen

Die Notwendigkeit dafür hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit dem Präventionsgesetz die Grundlage für eine effektivere Zusammenarbeit von Unternehmen, Krankenkassen, Betriebsärzte und Anbieter von Gesundheitsleistungen geschaffen. Mit der Einführung der im SGB V § 20b Absatz 3 verankerten BGF-Koordinierungsstellen der Krankenkassen wurde eine Anforderung in der Umsetzung des Präventionsgesetzes erreicht. Nun muss der Fokus darauf liegen, den Bekanntheitsgrad durch effektive und zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit den Unternehmensorganisationen als Kooperationspartner weiter auszubauen. Die Vernetzung mit weiteren Partnern, wie zum Beispiel anderen Sozialversicherungsträgern oder politischen Akteuren, ist ebenfalls zu empfehlen.

Angebot der BGF-Koordinierungsstellen weiterentwickeln

Darüber hinaus gilt es, das Angebot der BGF-Koordinierungsstellen mit Blick auf das Portal und die anschließende Beratung durch die Krankenkassen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Potenziale ergeben sich vor allem in der Niedrigschwelligkeit des Zugangs, was insbesondere für die adressierte Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen von Vorteil ist. Zudem gilt es die BGF-Koordinierungsstellen in die Landesrahmenvereinbarungen zu integrieren und die Investitionsmöglichkeiten der BGF-Rücklaufmitteln zu erweitern. Bereits ca. 260.000 Präventionskurse haben von der Zentralen Prüfstelle Prävention das Qualitätssiegel „Deutscher Standard Prävention“ erhalten. Mit Blick auf die Vielzahl an Angeboten wird deutlich, dass „one size fits all“-Lösungen nicht mehr zeitgemäß sind und die ZPP dazu beiträgt, die Vielzahl der Angebote qualitätsgeprüft auffindbar und zugänglich zu machen. Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung müssen vielmehr individuell zugeschnitten und so einfach bzw. niedrigschwellig wie möglich gestaltet werden. In diesem Zusammenhang spricht sich die Initiative Diabetes@Work dafür aus, die hohe Qualität der entsprechenden Angebote beizubehalten.

Plattform für Diabetesprävention im Betrieb

Angesichts fortschreitender Digitalisierungsprozesse im Gesundheitssystem sollte zudem eine digitale Plattform „Diabetesprävention im Betrieb“ implementiert werden und entsprechend gefördert werden. Um den Verantwortlichen im Betrieb das Auffinden von gesicherten Gesundheitsinformationen zu erleichtern, Wissen oder Materialien bereitzustellen, die sie zur Aufklärung und Sensibilisierung nutzen können, aber auch um eine regionale Vernetzung der Angebote und der Akteure vor Ort zu befördern. Die Digitalisierung bietet die Chance, Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung transparent zu machen, auf die Bedarfe von Nutzenden abzustimmen und junge sowie weniger gesundheitsaffine Zielgruppen zu erreichen.

Erweiterung der ePA um Präventionsangebote

Die elektronische Patientenakte (ePA) kann hier eine besondere Rolle spielen. Die Initiative setzt sich daher dafür ein, dass die ePA neben den Versorgungsdaten auch Präventionsangebote und -hinweise, ärztliche Präventionsempfehlungen sowie Verweise auf Informations- und Unterstützungsangebote der Selbsthilfe enthalten. Gleichzeitig birgt die Einführung der elektronischen Patientenakte große Potentiale für die sektorenübergreifende Vernetzung und Versorgung. Dieses Potential lässt sich jedoch nur heben, wenn alle Akteure Zugriff auf die entsprechenden Informationen haben. Mit Blick auf die Relevanz des Settings der Arbeitswelt gilt es Betriebs- und Werksärzte ebenfalls umfassend an die ePA anzubinden. Grundvoraussetzung bleibt immer die Einwilligung der Versicherten.

Nachhaltige Nutzung der Digitalisierungspotenziale

Die Digitalisierung ist aus dem Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Ob bei der Erforschung und der Diagnose von Krankheiten, bei der Therapie oder bei der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten: Digitale Technologien bergen in diesem Zusammenhang ein großes Potenzial und ermöglichen eine regional unabhängige, bessere und effizientere Versorgung. Zugleich ringt der Gesundheitsmarkt mit einer Vielzahl an Herausforderungen: Eine alternde Gesellschaft, Fachkräftemangel, Pflegenotstand und hoher Finanzierungsdruck erschweren eine gerechte, flächendeckende und wirksame Versorgung. Fest steht jedoch, dass die Digitalisierung der Schlüssel für eine patientenzentrierte Gesundheitsversorgung ist. Die notwendige Grundlage für die Weiterentwicklung sind individuelle Gesundheitsdaten. Diese sind derzeit eher begrenzt verfüg- und einsetzbar.

Potenzial von Big Data nutzen

Vor diesem Hintergrund begrüßt die Initiative Diabetes@Work, dass mit dem Patientendaten-SchutzGesetz (PDSG) erstmalig eine Rechtsgrundlage für die freiwillige Datenspende über die ePA geschaffen wurde. Die Verwendung anonymisierter Patientendaten zu Forschungszwecken ist aufgrund der strengen Zweckbindung und Zeitbeschränkung bei der Datenspeicherung aktuell nur sehr eingeschränkt möglich. Deshalb fordert die Initiative Diabetes@Work, die Datenschutzregelungen zu Zweckbindung und Zeitbeschränkung so zu gestalten, dass das Potenzial von Big-Data für die Versorgung chronischer Erkrankungen optimal ausgeschöpft werden kann. Digital erfasste Gesundheitsdaten müssen überdies künftig nach denselben Regeln und unter Einhaltung internationaler Standards dokumentiert werden. Die bundesländerübergreifende Harmonisierung der Rechtsauslegung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist somit von hoher Priorität und zentrales Anliegen der Initiative. Auf diese Weise könnten die Erforschung und Behandlung chronischer Erkrankungen sowie die Entwicklung von neuen Arzneimitteln entscheidend erleichtert und nachhaltig verbessert werden.

Telemedizinische Angebote ausweiten

Die Digitalisierung verändert und erweitert auch das Spektrum der Instrumente im Bereich der Gesundheitsförderung. Dabei gilt es, bewährte analoge Ansätze in Zukunft gewinnbringend mit digitalen Elementen zu kombinieren. Die Bundesregierung hat dieses Potenzial bereits erkannt und ebnete in dieser Legislaturperiode den Weg für telemedizinische Behandlungen und digitale Gesundheitsanwendungen in die Regelversorgung. Die Initiative begrüßt den Ausbau der Telemedizin, da auf diese Weise die Versorgung chronisch Erkrankter – insbesondere in ländlichen Regionen – unterstützt werden kann. Schon jetzt zeigen telemedizinische Programme, wie das telemedizinisch basierte Facharztkonsil für den diabetischen Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und des Bundes der Internisten (BDI), erste Erfolge. Jetzt gilt es diesen Weg konsequent zu verfolgen und weitere telemedizinischen Programme in die Behandlung von Diabetes aufzunehmen, um eine wohnortsunabhängige spezialisierte Versorgung gewährleisten zu können. Im nächsten Schritt müssen Maßnahmen ergriffen werden, die zur Steigerung der Akzeptanz seitens der Patienten – aber auch seitens der Ärzteschaft führen. Gleichzeitig gilt es die infrastrukturellen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Der Breitbandausbau und die Anbindung weiterer telemedizinischer Anwendungen an die Telematik-Infrastruktur sind hierfür fundamental.

Datenhoheit muss bei Patienten liegen

Akzeptanz und Vertrauen bilden den Grundstein, um die digitale Gesundheitsversorgung grundlegend zu verbessern. Ein wirksamer Datenschutz spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die Initiative fordert deshalb, dass die Datenhoheit zu jedem Zeitpunkt bei den Patienten liegt. Im Zuge dessen muss die digitale Gesundheitskompetenz der Bürger aufgebaut und nachhaltig gestärkt werden. Verständlich aufbereitete Informationen sind dafür unerlässlich. Die Initiative Diabetes@Work begrüßt vor allem die erfolgreiche Umsetzung des neuen Nationalen Diabetesinformationsportals (www.diabinfo.de). Das Portal leistet einen entscheidenden Beitrag, Betroffene im Umgang mit ihrer Diabetes-Erkrankung zu unterstützen und die Gesundheitskompetenz der Bürger zu verbessern. Im nächsten Schritt gilt es, den Bekanntheitsgrad und die Reichweite des Nationalen Diabetesinformationsportals zu erweitern und das Angebot kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Medienkompetenz der Bevölkerung stärken

Darüber hinaus setzt sich die Initiative Diabetes@Work dafür ein, die Medienkompetenz und kritische Urteilsfähigkeit der Bevölkerung im Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen und -anwendungen umfassend zu fördern. Das Setting der Arbeitswelt bietet an dieser Stelle einen wertvollen Anknüpfungspunkt. Die Covid-19-Pandemie verdeutlicht, wie wichtig es ist auch am Arbeitsplatz – unabhängig vom Arbeitsort – digitale Gesundheitskompetenzen durch geeignete Förderprogramme, z.B. durch die Berücksichtigung, Förderung und Anerkennung entsprechender betrieblicher Weiterbildungsund Schulungsprogramme, zu stärken. Nur so kann gewährleistet werden, dass Bürger in Zukunft von einem digital unterstütztem Versorgungsangebot souverän Gebrauch machen können.

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