Positionspapier

Patientenorientiert, Vernetzt, Digital

Ein Positionspapier der Betriebskrankenkassen zur Zukunft der Krankenhausversorgung

Die Reform der Krankenhausversorgung ist eine der großen Aufgaben der
kommenden Wahlperiode. Dabei ist zentral, die Versorgung künftig aus
Sicht der Patient:innen mit ihren individuellen Versorgungsbedarfen zu
denken und zu gestalten, statt weiter nach scheinbar bewährten, aber doch
überholten Sektorenlogiken vorzugehen. Patientennutzen und Patientensicherheit müssen die bestimmenden Parameter bei der Ausgestaltung der
Krankenhausversorgung der Zukunft sein.

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Also: Wenn Versicherte zu Patient:innen werden, was brauchen und erwarten sie von der Versorgung mit Krankenhausleistungen?

Zugang zu Spezial- und Notfallversorgung

Patient:innen erwarten eine bedarfsgerechte wohnortnahe Grund- und eine qualifizierte Spezial- und Notfallversorgung. Für die Grundversorgung sollten auch verstärkt ambulante Angebote am Krankenhaus - soweit möglich - in Anspruch genommen werden können. Für die Notfallversorgung sind Rettungsdienststrukturen mit den Versorgungsschwerpunkten qualifizierter Notfallkrankenhäuser zu harmonisieren. Ein durch mehr Kompetenzübertragung aufgewerteter Rettungs- und Krankentransportdienst kann so auch weite Wege zu einer spezialisierten Notfallversorgung kompensieren. Unnötige Verlegungen und damit einhergehender Zeitverlust können vermieden werden. Für planbare und spezialisierte Versorgungsangebote sind Patient:innen durchaus bereit, auch weitere Wege auf sich zu nehmen. Sie erwarten dafür, dass sie dort unter höchsten Qualitätsstandards versorgt werden. Eine stärkere Konzentration und Spezialisierung können hierzu ihren Beitrag leisten. Um eine bewusste Entscheidung für, aber auch gegen ein bestimmtes Versorgungsangebot treffen zu können, benötigen Patient:innen niedrigschwellige Informationen und Transparenz über die durchgeführten Behandlungen und die Qualität der medizinischen Versorgung der jeweiligen Krankenhäuser.

Behandlung im digitalisierten Krankenhaus

Für eine bestmögliche Behandlung erwarten die Patient:innen, dass in einem modernen, digitalisierten Krankenhaus dem behandelnden Personal auf Knopfdruck alle notwendigen Informationen zu ihrer Patientenhistorie und dem bisherigen Behandlungsverlauf vorliegen. Der Einbezug der Patient:innen in Behandlungsabläufe und Entscheidungen trägt zur Patientenzufriedenheit bei. Dabei sollen sich Patient:innen sicher sein können, auf dem höchsten Stand der medizinischen Erkenntnisse, je nach vorhandener Expertise behandelt und bei Bedarf an spezialisierte Krankenhäuser weitergeleitet zu werden. Zu jedem Zeitpunkt ihres stationären Aufenthalts müssen sie von ausreichend und qualifiziertem Pflegepersonal betreut und versorgt werden.

Maßgeschneidertes Entlassmanagement

Die Patient:innen erwarten, dass die Versorgungskette auch über den stationären Aufenthalt hinaus hält, wenn sie sie brauchen. Dafür bedarf es der frühzeitigen Aufnahme eines patientenindividuellen Entlassmanagements im Krankenhaus. Dies beinhaltet, den individuellen Bedarf für erforderliche Anschlussmaßnahmen festzustellen und zu organisieren, Wissen und Informationen zeitnah weiterzuleiten und weiterbehandelnde Ärzt:innen bzw. Einrichtungen einzubinden. Für eine nahtlose Anschlussversorgung der Patient:innen müssen die Leistungserbringer in der Region bzw. auch darüber hinaus sektorenübergreifend in Netzwerkstrukturen zusammenarbeiten. Ein flächendeckendhohes Digitalisierungsniveau stellt eine schnelle Organisation und einen umfassenden Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten sicher.
 

Patienten erwarten stabile Krankenkassenbeiträge

Als Versicherte erwarten die Patient:innen darüber hinaus stabile Krankenversicherungsbeiträge. Das setzt voraus, dass Beitragsgelder insbesondere im Bereich der stationären Versorgung als größter Ausgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung möglichst effizient eingesetzt werden. Sie müssen also dort ankommen, wo sie für die Versorgung wirklich benötigt werden. Versorgungsstrukturen im Krankenhausbereich müssen daher zukünftig zielgenauer ausgerichtet und finanziert werden.

Für die Handlungsfelder Restrukturierung der Krankenhauslandschaft, Krankenhausfinanzierung, Digitalisierung, Pflege im Krankenhaus und Krankenhausabrechnungsprüfung schlagen die Betriebskrankenkassen daher die folgende Maßnahmen vor:

Restrukturierung der Krankenhauslandschaft

Eine patientenorientierte Neuausrichtung der Krankenhausstrukturen gelingt nur mit einer Stärkung des Wettbewerbs um eine möglichst hohe Qualität der Versorgung. Zentral ist außerdem eine Krankenhausplanung, die auf den Elementen Konzentration und leistungsbezogene Spezialisierung aufbaut.  
Sektorenübergreifend geplante und organisierte, regionale und überregio-nale Versorgungsnetzwerke sorgen für einen optimalen Behandlungspfad der Patient:innen. 

Krankenhausfinanzierung

Krankenhausstruktur und Krankenhausfinanzierung müssen wieder aufei-nander abgestimmt werden. Eine stärkere auf die zu erbringende Leistung bezogene Krankenhausplanung muss mit einer stärker versorgungsstufen- und leistungsbezogenen Vergütung verbunden sein. Es gilt: gleiches Geld für gleiche Leistung innerhalb derselben Versorgungsstufe.  
Bedarfsnotwendige Leistungen und Strukturen müssen verlässlich finanziert werden. Entsprechend ist auch die Krankenhausfinanzierung inklusive der Investitionsfinanzierung weiterzuentwickeln. 
Überbordender Komplexität muss durch eine Verschlankung der Budgetfindung entgegengewirkt werden. 


Digitalisierung 

Für eine zukunftsfähige stationäre Versorgung ist ein höherer Digitalisie-rungsgrad der Krankenhäuser unabdingbar. Damit lassen sich Potentiale in Versorgungssicherheit und -abläufe, Wirtschaftlichkeit und Patientenorientierung heben. Gefördert werden sollen Krankenhäuser jedoch nur im Rahmen ihres Versorgungsauftrages.  


Pflege im Krankenhaus 

Patientenorientierung durch qualitätsgesicherte Pflege und die Erhöhung der Zufriedenheit der Pflegenden im Beruf sind die zentralen Stellschrauben, um die Situation der Pflege im Krankenhaus zeitnah zu verbessern. Bis zur Einführung eines Bemessungsinstrumentes, welches die Personalausstattung auf Station anhand des Pflegebedarfs der Patient:innen ermittelt, müssen die Pflegepersonaluntergrenzen beibehalten und weiterentwickelt werden.  

Krankenhausabrechnungsprüfung 

Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen sind nicht die Prüfungen durch die gesetzlichen Krankenkassen das Problem, sondern fehlerhafte Abrechnungen der Krankenhäuser. Daher muss eine korrekte und verbindliche Rechnungslegung die Prämisse sein. Knappe Ressourcen müssen in die Versorgung der Patient:innen fließen und nicht in komplexe Prüfsysteme.

Restrukturierung der Krankenhauslandschaft

Eine patientenorientierte Neuausrichtung der Krankenhausstrukturen gelingt nur mit einer Stärkung des Wettbewerbs um eine möglichst hohe Qualität der Versorgung. Zentral ist außerdem eine Krankenhausplanung, die auf den Elementen Konzentration und leistungsbezogene Spezialisierung aufbaut.  
Sektorenübergreifend geplante und organisierte, regionale und überregionale Versorgungsnetzwerke sorgen für einen optimalen Behandlungspfad der Patient:innen. 

In Deutschland können Patient:innen unter rund 1.900 Krankenhäusern frei wählen. Diese sind jedoch hinsichtlich ihrer fachlichen Ausrichtung, Qualifikation und Ausstattung sehr heterogen aufgestellt. Viele Krankenhäuser bieten Leistungen an, auch wenn sie davon nur wenige Fälle pro Jahr behandeln und nur bedingt oder gar nicht für diese Leistungserbringung geeignet sind. Sie stehen damit im Wettbewerb zu Krankenhäusern, die durch höhere Fallzahlen und adäquater Struktur die Leistungen qualitätsgesichert durchführen können. Die Schlechterbringung einer Krankenhausleistung ist für die Patient:innen aber unmittelbar mit einem hohen Risiko von physischen und psychischen Belastungen und ggf. mit dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen verbunden.

Spezifische Leistungsangebote müssen gesetzliche Qualitätsstandards erfüllen

Da die Patient:innen in der Regel die Qualität eines Krankenhausangebotes nur bedingt einschätzen können, müssen gesetzliche Regelungsparameter implementiert werden, die die Einhaltung von Qualitätsstandards garantieren und überwachen. Zukünftig sollte ein echter Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenhäusern nachhaltig forciert werden, der von den Patient:innen auch transparent nachvollzogen werden kann. Für Patient:innen muss ersichtlich sein, welches Krankenhaus führend in der Erbringung bestimmter Leistungen ist und bei welchen Krankenhäusern die niedrigsten Komplikations- und Mortalitätsraten vorliegen. Alle Patient:innen müssen sich darauf verlassen können, in jedem Krankenhaus mit seinem spezifischen Leistungsangebot qualitativ hochwertig versorgt zu werden. Die patientenorientierte Neuausrichtung der Krankenhausstrukturen muss durch die Krankenhausplanung umgesetzt werden. 

Patientensicherheit muss oberste Priorität haben

Dafür muss die Krankenhauslandschaft so umgebaut werden, dass eine Kon-zentration und Spezialisierung nach Leistungsbereichen in einem engen Zusammenspiel von Mindestmengen und Qualifikationen sowie Bedarfs- und Erreichbarkeitskriterien erfolgt. Gleichzeitig müssen Notfall- und Grundversorgung nach Erreichbarkeitsparametern auch in ländlichen Gebieten mit geringerer Bevölkerungsdichte sichergestellt werden. Patientensicherheit sollte bei der Versorgung grundsätzlich die oberste Priorität haben. Daher muss die berechtigte Forderung nach der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung auch zwingend eine Diskussion um Strukturqualität sowie Mindestmengen beinhalten. 

Einheitliches Stufensystem garantiert Versorgungsqualität, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit

Anzustreben ist daher ein bundesweit einheitliches Stufensystem, welches den Versorgungsauftrag und damit das Leistungsangebot eines jeden Krankenhauses nach Versorgungsstufen mit konkreten Vorgaben über die zu erbringenden Leistungen abschließend regelt. Dies kann über bundesweit gültige Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erfolgen. Dies garantiert Versorgungsqualität, Patientensicherheit aber auch die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausversorgung. Abweichungen vom konkreten Versorgungsauftrag können nur in definierten Ausnahmefällen zulässig sein. 

Sektorenübergreifende Versorgungsplanung

Für ein besseres Zusammenwirken aller an der Gesundung der Patient:innen beteiligten Akteure bedarf es sowohl mehr interprofessioneller Zusammenarbeit innerhalb des Krankenhauses, als auch mehr Kooperation zwischen den Leistungserbringern der anderen Versorgungsbereiche. Dafür müssen regionale und überregionale Versorgungsnetzwerke aufgebaut und genutzt werden, die sektorenübergreifend organisiert für einen optimalen Behandlungspfad der Patient:innen sorgen. Daher muss sich die Krankenhausplanung insgesamt in eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung eingliedern. Die flächendeckende Nutzung der elektronischen Patientenakte stellt sicher, dass alle beteiligten Leis-tungserbringer auf die Behandlungshistorie der Patient:innen zugreifen und wichtige Informationen schnell weitergeben können.

Gezielte Steuerung führt zu optimalen Versorgungsstrukturen

Eine gezielte Steuerung, mit denen Patient:innen in die jeweils geeignete Ver-sorgungseinrichtung geleitet werden können, ist dabei notwendig. Durch intelligente, wissenschaftsbasierte und bundeseinheitlich definierte Algorithmen kann künftig zunehmend automatisiert sichergestellt werden, dass die Steuerung von Patient:innen stets in die für die jeweilige Behandlung optimalen Versorgungsstrukturen erfolgt. 

Krankenhausfinanzierung

Krankenhausstruktur und Krankenhausfinanzierung müssen wieder aufeinander abgestimmt werden. Eine stärkere auf die zu erbringende Leistung bezogene Krankenhausplanung muss mit einer stärker versorgungsstufen- und leistungsbezogenen Vergütung verbunden sein. Es gilt: gleiches Geld für gleiche Leistung innerhalb derselben Versorgungsstufe. Bedarfsnotwendige Leistungen und Strukturen müssen verlässlich finanziert werden. Entsprechend ist auch die Krankenhausfinanzierung inklusive der Investitionsfinanzierung weiterzuentwickeln. Überbordender Komplexität muss durch eine Verschlankung der Budgetfindung entgegengewirkt werden.

Eine Reform der Krankenhausfinanzierung setzt eine vorherige Reform der Krankenhausstrukturen voraus. Krankenhausplanung, welche Länderaufgabe ist, und Finanzierungsverantwortung fallen heute immer weiter auseinander. Länder kommen ihren Pflichten bei der Investitionsfinanzierung nicht ausreichend nach. Große Teile der investiven Kosten werden so zwangsläufig zweckwidrig aus Mitteln der GKV-Beitragsgemeinschaft bestritten. Krankenhausfinanzierung und Krankenhausplanung müssen zwingend wieder zusammen gedacht werden. Krankenhausstruktur, Investitionskostenfinanzierung, Versorgungsauftrag und Vergütung der Betriebskosten müssen wieder eng aufeinander ausgerichtet werden.

Bundeseinheitlich festgelegte Versorgungsstufen zur Krankenhausfinanzierung

Neben der Krankenhausplanung ist daher auch die Krankenhausfinanzierung anhand neu ermittelter und bundeseinheitlich festgelegter Versorgungsstufen zu differenzieren und weiterzuentwickeln. Eine Leistungsplanung sollte daher auch mit einer stärkeren versorgungsstufen- bzw. leistungsgruppenorientierten Vergütung verbunden sein. Versorgungsstufen müssen sich dabei so in den Finanzierungslogiken spiegeln, dass Krankenhäuser in der
gleichen Versorgungsstufe das gleiche Geld für die Erbringung der gleichen Leistung erhalten.

Finanzierungssystematik bedarfsgerecht weiterentwickeln

Hierzu ist die Finanzierungssystematik innerhalb des DRG-Systems bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Zukünftig sollte ein Vergütungssystem berücksichtigen, dass sich Krankenhäuser je nach Versorgungsstufe hinsichtlich Komplexität der Leistungen, Menge, bedarfsgerechter Vorhaltekosten und Kostenstrukturen im Allgemeinen unterscheiden.

Über- oder Unterdeckung der Vergütung vermeiden

Starke Über- oder Unterdeckung der Vergütung im Einzelfall sind dabei zu vermeiden, um übermäßige Anreize zur Mengenausweitung, entweder zur Verbesserung der Deckungsquote oder aber zur Gewinnmaximierung, entgegenzuwirken. Gleichzeitig können so auch nicht-gewollte Schließungen von Krankenhäusern, die in ihrer Region – insbesondere im ländlichen Raum – eigentlich für eine flächendeckende stationäre (Grund-)Versorgung gebraucht werden, auf Grund einer unzureichenden Deckung von Fixkosten vermieden werden.

Gemeinsame Investitionen von Bund, Ländern und Kostenträgern 

Für den Umbau und Erhalt der Krankenhausstrukturen bedarf es ausreichender Investitionen. Denkbar wäre, dass diese gemeinsam von Bund, Bundesländern und Kostenträgern getragen und inhaltlich sowie planerisch verantwortet werden. Ein solches Konzept könnte den bisherigen Krankenhausstrukturfonds nach seinem Auslaufen ab dem Jahr 2025 ablösen.

Budgetierungssystem zu komplex und praxisfern

Die Weiterentwicklung der Finanzierungsmechanismen muss auch das Budgetierungssystem im Krankenhaussektor umfassen. Die zunehmende Ausdifferenzierung verschiedenster Finanzierungselemente ist in ihren Detailregelungen oftmals zu komplex und praxisfern. Insgesamt ist eine deutliche Verschlankung notwendig. Nur so ist es möglich, dass durch prospektive Verhandlungen auch die Betriebskostenfinanzierung wieder ihren Beitrag zur Umsetzung der Krankenhausplanung und Leistungssteuerung leistet.

Digitalisierung

Für eine zukunftsfähige stationäre Versorgung ist ein höherer Digitalisierungsgrad der Krankenhäuser unabdingbar. Damit lassen sich Potentiale in Versorgungssicherheit und -abläufe, Wirtschaftlichkeit und Patientenorientierung heben. Gefördert werden sollen Krankenhäuser jedoch nur im Rahmen ihres Versorgungsauftrages.

Im internationalen Vergleich ist die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser im Jahr 2021 nur mittelmäßig ausgeprägt. Medienbrüche, zum Beispiel beim Ausdruck von digitalen Informationen auf Papier und Wiedereingabe an anderen Stellen, erhöhen den Aufwand für alle Beteiligten und die Fehleranfälligkeit des Systems. Patient:innen, die aus ihrem Alltag zwischenzeitlich einen deutlich höheren Stand der Technik gewohnt sind, ist das nicht vermittelbar. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern dient der Erhöhung der Patientensicherheit und -zufriedenheit sowie der Versorgungsqualität. Die Herausforderungen der Digitalisierung sind dabei im Krankenhausbereich vielfältig.

Dokumentations- und Kommunikationssysteme vernetzen

Unterschiedliche Dokumentations- und Kommunikationssysteme innerhalb des stationären Sektors sowie zu angrenzenden Leistungsbereichen und Kostenträgern müssen interoperabel ausgestaltet sein. Die Hinzuziehung besonderer Expertise im Rahmen der Patientenversorgung, wie z. B. von qualifizierten Notfallversorgern, Spezialversorgern, Universitätskliniken oder Zentren innerhalb von regionalen oder überregionalen Versorgungsnetzwerken auf hohem digitalen Standard muss für alle eingebundenen Leistungserbringer nicht nur (technisch) möglich, sondern die Regel werden.

Elektronische Patientenakte (ePA) als zentrales Medium

Für die Patient:innen wird die elektronische Patientenakte (ePA) zum zentralen Medium, über das in Zukunft ihre Gesundheitsversorgung organisiert wird. Die ePA muss von allen Beteiligten im Krankenhaus sowie mitbehandelnden Leistungserbringern einsehbar und befüllbar sein. Der Krankenhauszukunftsfonds zur Förderung der Digitalisierung ist ein sinnvoller und notwendiger Schritt des Gesetzgebers. Für jede Art der Förderung gilt jedoch, dass zunächst die gewünschte Struktur definiert werden muss, bevor eine Investition erfolgen kann.

Förderung mit Blick auf künftige Rolle der Klinik

Das bedeutet auch, dass Krankenhausstandorte, die anhand der vorzusehenden Versorgungsstufen eine krankenhausplanerische Neuausrichtung bedürfen, nur auf eine solche Weise gefördert werden, wie es ihrer zukünftigen Rolle und den wahrzunehmenden Versorgungsangeboten entspricht.

Digitaler Fortschritt muss messbar sein

Der digitale Reifegrad der Krankenhäuser muss messbar und damit vergleichbar werden. Dafür muss präzise definiert werden, welcher Reifegrad flächendeckend, aber auch krankenhausindividuell vorgehalten werden soll. Dies ermöglicht eine krankenhausindividuelle Entwicklungs- und Finanzierungsplanung. Die Digitalförderung ist erfolgreich, wenn die deutschen Krankenhäuser innerhalb der nächsten fünf Jahre flächendeckend definierte Anforderungen eines einheitlichen Reifegradmodelles, z. B. Erfordernisse für EMRAM-Stufe 5, und dabei den höchsten Standard an IT-Sicherheit erfüllen.

Pflege im Krankenhaus

Patientenorientierung durch qualitätsgesicherte Pflege und die Erhöhung der Zufriedenheit der Pflegenden im Beruf sind die zentralen Stellschrauben, um die Situation der Pflege im Krankenhaus zeitnah zu verbessern. Bis zur Einführung eines Bemessungsinstrumentes, welches die Personalausstattung auf Station anhand des Pflegebedarfs der Patient:innen ermittelt, müssen die Pflegepersonaluntergrenzen beibehalten und weiterentwickelt werden.

Die Arbeitssituation von Pflegekräften in deutschen Krankenhäusern zu verbessern, steht schon lange zurecht auf der politischen Agenda. Derzeit ist bei der Zahl der Beschäftigten ein positiver Trend zu verzeichnen, denn die Anzahl der Pflegekräfte in den Krankenhäusern steigt wieder. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte zeitnah zu verbessern und die Attraktivität des Berufes zu erhöhen. So ist der Akademisierungsgrad in der Pflege in Deutschland weiterhin vergleichsweise gering, es gibt nur wenige Aufstiegsmöglichkeiten und das hierarchische Verhältnis zwischen ärztlichem und pflegerischem Dienst entspricht weder einem modernen Verständnis von Teamarbeit noch der Bedeutung der Pflege im Behandlungsprozess.

Durch nicht notwendige Krankenhausaufenthalte Entlastung der Pflegekräfte erreichen

Das Problem in Deutschland ist allerdings nicht allein die absolute Anzahl an Pflegekräften, sondern das Verhältnis von Pflegekräften zu Krankenhausfällen. Die positive Ausgangssituation, dass Deutschland bei der Anzahl der Pflegekräfte pro Einwohner im europäischen Vergleich mit zur Spitzengruppe zählt, wird durch die hohe Zahl an Krankenhausfällen vollständig eingebüßt. Eine Entlastung der Pflegekräfte kann erreicht werden, indem nicht notwendige Krankenhausaufenthalte vermieden werden und durch die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft die Leistungserbringung auf spezialisierte Krankenhausstandorte konzentriert wird. Wichtig ist ferner eine konsequente Nutzung ambulanter Leistungsangebote sowie ein an die Bedarfe der Patient:innen angepasstes Entlassmanagement.

Rahmenbedingungen für die Pflegenden schaffen, ihren Beruf entsprechend ihrer Qualifizierung auszuüben

Vorrangiges Ziel muss es sein, die Patientensicherheit durch eine qualitätsgesicherte Pflege in den Vordergrund zu rücken. Gleichzeitig sind Rahmenbedingungen für die Pflegenden zu schaffen, ihren Beruf entsprechend ihrer Qualifizierung ausüben zu können. Perspektivisch gehört dazu bei entsprechender Ausbildung auch die Übernahme von bislang Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten. Der Anspruch muss eine evidenzbasierte und aktivierend-therapeutische Pflege sein.

Anreize schaffen in gut ausgebildetes Pflegepersonal zu investieren

Dazu müssen auch Anreize auf Krankenhausseite geschaffen werden, in gut ausgebildetes Pflegepersonal zu investieren. Pflegerische Leistungen sollen dazu in den Steuerungssystemen der Krankenhäuser abgebildet werden und sich so auf der Einnahmenseite niederschlagen. Hierbei ist es aber auch notwendig, die derzeitige Finanzierung der Pflege im Krankenhaus so weiterzuentwickeln, dass die mit der Einführung des Pflegebudgets entstandenen Anreize ausgeschlossen werden. Vermieden werden muss, dass Pflegefachkräfte wieder vermehrt für Servicetätigkeiten und eben nicht für qualifizierte Pflegetätigkeiten eingesetzt werden.

Digitalisierung sorgt für Entlastung der Pflegekräfte und erhöht die Patientensicherheit

Zur Verbesserung der Arbeitssituation bedarf es zudem der zeitnahen Einführung einer „durchgehend digitalen, syntaktisch, semantisch und organisatorisch interoperablen Pflegedokumentation“, wie sie in der Förderrichtlinie des Krankenhauszukunftsfonds umfassend definiert wird. Doch nicht nur digitale Pflegedokumentation, auch der verstärkte Einsatz digitaler Pflegefachanwendungen bei der Versorgung der Patient:innen kann zur Entlastung der Pflegenden beitragen und die Patientensicherheit erhöhen.

Entwicklung eines Pflegepersonalbemessungsinstruments

Eine digitale Dokumentation schafft Transparenz über die erbrachten Pflegeleistungen und deren Qualität und bildet die Basis für eine Modernisierung in Form einer leistungsorientierten Vergütung. Ein weiterer Schritt auf Basis der standardisierten Pflegedokumentation, um eine belastungsadäquate Personalallokation zu erreichen, ist die Entwicklung eines Pflegepersonalbemessungsinstrumentes, welches die Personalausstattung auf Station anhand des Pflegebedarfs der Patienten ermittelt. Verbunden mit einer Dienstplanungssoftware könnte durch einen Soll-Ist-Abgleich die Pflegepersonalbesetzung schichtbezogen optimal geplant und umgesetzt werden und dient sowohl der Mitarbeiter- als auch der Patientensicherheit.

Bedarfsorientierte Personalbemessung und Pflegepersonaluntergrenzen

Bis dahin müssen, flankierend zu einer bedarfsorientierten Personalbemessung, Pflegepersonaluntergrenzen beibehalten und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Untergrenzen drücken zwar nur das Mindestverhältnis zwischen Pflegenden und Patient:innen aus und sind damit ausdrücklich kein ausreichendes Instrument, um eine bessere Personalausstattung zu erreichen. Pflegepersonaluntergrenzen dienen aber als „rote Linien“ zur Vermeidung von Patientengefährdung und Überlastung des Pflegepersonals.

Basis aller aufgeführten Maßnahmen ist es, bundesweit sowie für jedes Krankenhaus individuell Transparenz über die pflegenden Beschäftigten sowohl hinsichtlich der Anzahl, des Beschäftigungsumfangs als auch der Qualifikation herzustellen.

Krankenhausabrechnungsprüfung

Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen sind nicht die Prüfungen durch die gesetzlichen Krankenkassen das Problem, sondern fehlerhafte Abrechnungen der Krankenhäuser. Daher muss eine korrekte und verbindliche Rechnungslegung weiterhin das Ziel aller Bemühungen sein. Knappe Ressourcen müssen in die Versorgung der Patient:innen fließen und nicht in komplexe Prüfsysteme.

Auch im Jahr 2020 stellte sich die Abrechnungsgüte der Kliniken sehr unterschiedlich dar. Im Mittel betrug der Anteil der nicht beanstandeten Schlussrechnungen im zweiten Halbjahr 2020 rund 50 Prozent. Das heißt weiterhin, dass jede zweite Krankenhausrechnung nach erfolgter Prüfung durch die Medizinischen Dienste von den Krankenkassen beanstandet wurde. Krankenhausabrechnungen sind damit unverändert in hoher Zahl fehlerhaft – dabei ist unerheblich, ob unabsichtlich oder gezielt. Es ist für Krankenkassen daher unverzichtbar, Rechnungen weiterhin zu prüfen, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung im Sinne einer sachgerechten Mittelverwendung der Beitragsgelder nachkommen zu können.

Prüfquoten erhöhen nicht die Qualität der Rechnungsstellung

Aufgrund der durch den Gesetzgeber eingeschränkten Prüfquoten in Höhe von fünf Prozent in 2020 und 12,5 Prozent in 2021 waren und sind Krankenkassen mangels ausreichender Prüfkontingente jedoch gezwungen, fehlerhafte Rechnungen ungeprüft und in voller Höhe zu bezahlen.

Prüfquoten erhöhen nicht die Qualität der Rechnungsstellung. Vielmehr sinkt sogar der Anreiz aufseiten der Kliniken korrekt abzurechnen, insbesondere wenn die Krankenkasse ihre Prüfquote bereits ausgeschöpft hat. Die Einschränkung der gesetzlichen Krankenkassen in ihren Prüfmöglichkeiten konterkariert also das Ziel, Anreize zur korrekten Rechnungsstellung zu schaffen. Sämtliche Instrumente, die auch mit dem MDK-Reformgesetz eingeführt wurden und teilweise erst ab 2022 wirksam werden, sind konsequent anzuwenden, um das Ziel einer verschlankten und weniger streitanfälligen Krankenhausabrechnungsprüfung zu erreichen.

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