Stellungnahme

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Ver-sorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz –ALBVVG)

Die Betriebskrankenkassen begrüßen die Intention des Gesetzgebers, Lieferengpässe bei Arzneimitteln gezielt zu bekämpfen und zu verringern sowie die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln stetig zu verbessern. Die globalen Abhängigkeiten und Zusammenhänge bei der Arzneimittelherstellung und –versorgung sind mit der Corona-Pandemie wieder deutlich geworden, wenngleich sie schon vorher bekannt waren. Eine gesamteuropäische Lösung für den Arzneimittelmarkt, welche die einzelnen Kostensenkungsmaßnahmen der Mitgliedsstaaten nicht berührt, ist ein erstrebenswertes Ziel. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf zur Bekämpfung dieser Lieferengpässe bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzt – ALBVVG) stellt sich diesen Herausforderungen leider nur teilweise und wird seinem Namen nicht gerecht.

Die Betriebskrankenkassen sehen daher den Bedarf für Anpassungen bei folgenden Punkten:

  • Es ist ein wichtiger und positiver Schritt, ein solides und sanktionsbewehrtes, öffentlich zugängliches Frühwarnsystem einzurichten. Die Betriebskrankenkassen begrüßen diesen Schritt. Sie schlagen aber vor, dass bereits im Voraus alle Akteure verpflichtet werden, ihre Daten ohne ausdrückliche Aufforderung des BfArM zu melden, um frühzeitig intervenieren zu können. Zusätzlich halten es die Betriebskrankenkassen wir wichtig, dass auch Apothekeneinkaufs- und -verkaufsdaten einbezogen werden, um ein umfassendes Bild der jeweiligen Versorgungslage zu erhalten. Dies ist ähnlich bereits erfolgreich bei paracetamol- und ibuprofenhaltigen Fiebersäften für Kinder umgesetzt worden. Durch diese Daten kann festgestellt werden, ob es sich bei einem Versorgungsproblem tatsächlich um einen Produktionsengpass handelt, oder ob die Lagerhaltung suboptimal ist. Im letzteren Fall kann eine Marktumverteilung möglicherweise Engpässe beheben.
  • Zwar sind die Auskunftspflichten der pharmazeutischen Hersteller über die Produktionsstätten der Wirkstoffe ein wichtiger Schritt, allerdings ergeben sich dann Probleme bzgl. der Abgabe durch die der Apotheken. Aus Sicht der GKV lässt sich nicht nachvollziehen, welche Medikamenten-Packungen nach Deutschland geliefert und von Apotheken abgegeben werden. Die Kriterien für die Ausschreibungen können somit leicht umgangen werden. Ausschreibungen der Krankenkassen müssen vergaberechtssicher umgesetzt werden können.
  • Die vorgesehene Preisobergrenze für Kinderarzneimittel von plus 50 Prozent auf die bestehenden Festbeträge wird von den Betriebskrankenkassen abgelehnt. Besser wäre es, den Basispreis auf den zuletzt festgelegten Festbetrag zu beschränken. Arzneimittelhersteller sollten ergänzend dazu verpflichtet werden, bei Preiserhöhungen weiterhin Lieferungen zu gewährleisten. Ansonsten würde das Geld lediglich von der Solidargemeinschaft zu international tätigen, gewinnorientierten Arzneimittelherstellern fließen. An der Versorgung würde sich nichts ändern, vielmehr würde der Anreiz der Hersteller vorhanden sein, die Preise anzuheben.
  • Die Betriebskrankenkassen lehnen ab, dass der Beirat nach § 52b Abs. 3c AMG zu Liefer- und Versorgungsengpässen für weitere versorgungskritische Arzneimittel die Anhebung des Festbetrags um bis zu 50 Prozent oder des Preises nach § 130a Absatz 3a um bis zu 50 Prozent empfehlen kann. Kritisch ist auch, dass der Beirat weitere versorgungsessentielle Wirkstoffe unter die eingeschränkte EU-Ausschreibung stellen kann.
  • Die Betriebskrankenkassen fordern, die Anzahl der Sitze der GKV im Beirat zu erhöhen. Diese sollte 50 Prozent betragen, um ein Gleichgewicht der Stimmanzahl im Beirat herzustellen. Ferner ist ein geeigneter Konfliktlösemechanismus zu etablieren.
  • Die Apothekenhonorare bei gestückelten Packungen sind anzupassen. Da kein doppelter Beratungsaufwand vorhanden ist, sollte hier eine Abrechnung des Honorars nur einmal stattfinden können.
  • Für Apotheken werden für nicht-verfügbare Arzneimitteln erleichterte Abgaberegelungen geschaffen. Es ist positiv, dass die Gewährleistung der Verfügbarkeit durch zwei separate Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen abgesichert wird. Die erleichterte Abgaberegelung ist allerdings unnötig, da der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V zwischen dem GKV-SV und dem DAV für entsprechende Klärung sorgt.
  • Bei Austausch eines verschriebenen Arzneimittels nach § 129 Absatz 2a SGB V ist künftig durch die Apotheke ein Zuschlag in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben. Diesen Aufschlag lehnen die Betriebskrankenkassen strikt ab. Mit der Vergütung für Arzneimittel sind alle Aufwände abgegolten. Eine weitere Honorierung käme einer doppelten Vergütung gleich.
  • Die Betriebskassen lehnen den Zuschlag für den Großhandel von 50 Cent samt Um-satzsteuer strikt ab, welcher im Falle eines Austauschs eines verschriebenen Arznei-mittels durch die Apotheke nach § 129 Absatz 2a SBV zum Tragen käme. Dem Groß-handel ist nicht bekannt, ob die Apotheke ein Arzneimittel regulär bestellt oder auf-grund eines angedachten Austausches. Eine Abrechnung über das Rezept ist nicht möglich. Zusätzlich entsteht dem Großhändler durch die Belieferung des zum Aus-tausch bestellten Arzneimittels keinerlei Mehraufwand. Eine Extra-Vergütung ist da-her abzulehnen. Großhändler sollten vielmehr dazu verpflichtet werden, sämtliche Arzneimittelhersteller in Ihr Portfolio aufzunehmen. Ferner sollten die Apotheken dazu verpflichtet werden, mindestens einen Vollsortimenter als Großhandel zu ver-wenden und wenigstens einen zweiten als Rückversicherung.
  • Die Betriebskrankenkassen begrüßen die gesetzliche Änderung beim Kombinationsabschlag von neuen Arzneimitteln. Nun ist nur noch das Benehmen zur Umsetzung mit den pharmazeutischen Unternehmern herzustellen und nicht mehr ohne Konflikt-lösungsmechanismus zu verhandeln. Dies ist eine wichtige Grundlage, um den Kombinationsabschlag umsetzen zu können.
  • Der BKK Dachverband begrüßt zudem, dass der Gesetzgeber keine Veränderungen bei der Nullretaxation der Krankenkassen von nicht-ordnungsgemäß abgegebenen Arzneimitteln durch die Apotheken vorsieht. Schließlich wird die Umsetzung des eRezeptes viele Fälle, die nun aus formalen Fehlern moniert werden, ausschließen. Die korrekte Eingabe aller Felder bei der Verschreibung des eRezeptes durch die Ärzte wird demnach zu einer erheblichen Entlastung der Apothekerinnen und Apotheker führen. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste ggf. gesetzlich bei der Ärzteschaft nachgeschärft werden, um die Möglichkeiten und Erleichterungen durch das eRezept voll auszuschöpfen. Gleichzeitig kommt den Apothekerinnen und Apothekern bei der Überprüfung eines Rezeptes weiterhin eine besondere Verantwortung zu. Sie haben die Kompetenz und es liegt daher sowohl gesetzlich festgelegt sowie auf Spitzenver-bandsebene gemeinsam verhandelt ein klarer Katalog vor, wie mit Fehlern oder Unklarheiten in der Arzneimittelverordnung umzugehen ist. Es ist ihre Aufgabe, Rezept-fehler zu finden und gegebenenfalls zum Schutze des Patienten zu korrigieren. Ein falsch verschriebenes Medikament kann beim Patienten zu unerwünschten Nebenwirkungen, im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. So leisten Apothekerinnen und Apotheker einen wichtigen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit. Das Bundesso-zialgericht hat zudem die Nullretaxierung explizit für zulässig und die besondere Rolle der Apotheker erklärt.
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Natalie Kohzer
Referentin Arzneimittel

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