Stellungnahme

Stellungnahme zum Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG)

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen und in der Pflege birgt ein großes Potential für eine schnellere, effizientere und vor allem bessere Versorgung. Dazu gehört insbesondere auch die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Der BKK Dachverband begrüßt die Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfes, der mit dem ePA-Opt-out-Prinzip und weiteren Regelungen eine weite Verbreitung der ePA und eine insgesamt bessere Versorgung erreichen will. Ebenfalls begrüßt wird, dass die Leistungserbringer verpflichtet sind, die ePA zu befüllen.

Künftig soll der elektronische Medikationsplan (eMP) nur noch zentral in der elektronischen Patientenakte gespeichert und automatisiert vorbefüllt werden. Für eine gute Handhabbarkeit und Wirksamkeit ist zu beachten, dass es dafür standardisierte Felder gibt, z.B. für die PZN, Packungsgröße, Darreichungsform. Zwingend ist von den Ärzten auch die Dosierung anzugeben. Manuelle Eingriffe, die zu Missverständnissen führen können, gilt es zu vermeiden. Freiverkäufliche Arzneimittel (OTC) sowie Nahrungsergänzungsmittel sollten eingetragen werden, sofern die versicherte Person einverstanden ist.


Ausdrücklich begrüßt wird, dass Krankenkassen ihren Versicherten künftig eigene eRezept-Anwendungen anbieten können, die in die ePA integriert werden und durch diese Bündelung echten Mehrwert, zum Beispiel für ein Medikationsmanagement, bieten können.
Für nicht sachgerecht wird erachtet, dass Notfalldaten zusätzlich auch auf der eGK gespeichert werden sollen. Damit besteht die Gefahr von nicht aktuellen oder widersprüchlichen Daten. Notfalldaten sollten künftig nur noch innerhalb der TI-Anwendung elektronische Patientenkurzakte (ePKA) als Teil der ePA-Plattform online vorgehalten werden.
Nicht zufriedenstellend geregelt ist im Gesetzentwurf das erstmalige Authentifizierungsverfahren. Die Möglichkeit, in der eRezept-App der gematik eine Funktion zur Beantragung von NFC-eGK und PIN mit nachgelagerten Identifikationsangebot bei der zuständigen Krankenkasse zu installieren, ist sehr umständlich und wird abgelehnt. Die bestehende, mit dem KHpflEG geschaffene, Regelung einer Identifizierungsmöglichkeit in Apotheken ersetzt als Präsenzverfahren nicht vergleichbar onlinegestützte Video-Ident-Verfahren. Der BKK Dachverband schlägt vor, dafür das Identifizierungsverfahren des neuen Personalausweises zu nutzen. Weitere Authentifizierungsinstanzen (Apotheken, Vertragsärzte und -zahnärzte) würden mittelfristig dann nicht mehr benötigt.
An verschiedenen Stellen wird die Einvernehmensherstellung mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfDI) in Benehmensherstellungen geändert. Der BKK Dachverband begrüßt dies.

Die gematik soll einen Digitalbeirat erhalten, der ständig mit Vertretern von BSI und BfDI besetzt ist. Hauptaufgaben des neuen Gremiums sollen in der Beratung zu Datenschutz und Datensicherheit sowie zu Nutzerfreundlichkeit der TI und TI-Anwendungen liegen. Der BKK Dachverband begrüßt eine engere und zeitnahe Einbindung von BSI und insbesondere dem BfDI bei Digitalisierungsthemen die Telematikinfrastruktur betreffend und sieht hier eine Chance, das Zusammenwirken von gematik, BSI und BfDI bei Themen wie der Gestaltung nutzerfreundlicher Prozesse und Abläufe bei Sicherstellung eines ausreichenden Datenschutzes im Sinne der Ergebnisse zu verbessern. Damit ist allerdings das Risiko verbunden, dass Klageverfahren auf die GKV zukommen könnten. Das wäre dann der Fall, wenn künftig zwar formal das Benehmen mit BSI und BfDI hergestellt wurde, die Ansichten über Datenschutz bzw. Datensicherheit versus Anwendungsfreundlichkeit jedoch weiterhin nicht übereinstimmen. Dies gilt es aus Sicht des BKK Dachverbandes zu vermeiden.


Sehr begrüßt wird die geplante, umfassende Reformierung der Prozesse zur Herstellung von Interoperabilität in der Gesundheits-IT. Interoperabilität braucht eine klare Verantwortlichkeit für die nötigen Festlegungen sowie die Verbindlichkeit der getroffenen Festlegungen für alle Akteure. Dazu wird ein eigenes Kompetenzzentrum für Interoperabilität (KIG) im Gesundheitswesen geschafften. Das BMG legt per Verordnung auf Basis der Empfehlung des KIG verbindliche Standards, Profile und Leitfäden fest. Die geplanten Zertifizierungs- und Konformitätsbewer-tungsverfahren für IT-Systeme im Gesundheitswesen stellen in den Augen des BKK Dachverbandes weitere wichtige und notwendige Schritte für das Erreichen von Interoperabilität zwischen den Leistungserbringern und Sektoren dar.
Der BKK Dachverband begrüßt ausdrücklich, dass der Gesetzgeber telemedizinische Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung umfassender verankern möchte. Ohne ergänzende Klarstellung der aus Sicht des BKK DV unverzichtbaren Rahmenbedingungen ist das im aktuell vorliegenden Referentenentwurf beschriebene Vorhaben allerdings nicht geeignet, hier eine Versorgungsverbesserung zu erreichen. Die vorgeschlagene Aufhebung der Begrenzung von Videosprechstunden wird ohne eine entsprechende Definition von Rahmenbedingungen, die u. a. Anpassungen der Bedarfsplanung und der Vergütungssystematik im einheitlichen Bewertungsmaßstab einschließt, abgelehnt. Um der Gefahr zu begegnen, dass künftig Leistungserbringer Arztsitze annehmen, die ausschließlich telemedizinisch versorgen, ohne räumliche Nähe zu den zu versorgenden Versicherten, muss für ein der Menge nach nicht begrenztes Angebot an Videosprechstunden die persönliche Erreichbarkeit am Praxisstandort im Mindestumfang von 25 Wochenstunden Voraussetzung bleiben. Es ist gesetzlich klarzustellen, dass angebotene Videosprechstunden die Pflicht zur persönlichen Erreichbarkeit nicht mindern. Darüber hinaus ist die Vergütungssystematik im EBM auf Leistungserbringer ausgerichtet, die eine Arztpraxis vorhalten.


Dass künftig auch in Apotheken assistierte Telemedizin und einfache medizinische Routineaufgaben zur Unterstützung von Videosprechstunden erbracht werden sollen, wird abgelehnt. Dadurch werden Parallelstrukturen aufgebaut und vergütet, ohne dass geklärt ist, ob sie notwendig sind oder überhaupt in Anspruch genommen werden. Zu bevorzugen wäre eine Integration in die Primärversorgungszentren. Dort passt die assistierte Telemedizin inklusive der me-dizinischen Routineaufgaben zur Unterstützung auch wesentlich besser hin. Insbesondere in strukturschwachen Regionen könnte die Nutzung von Videosprechstunden in Primärversorgungszentren Wegstrecken für Patienten in dünn besiedelten Räumen vermeiden. Zusätzlich könnte weitere medizinische Expertise über digitale Kooperationen eingebunden werden.


Der BKK Dachverband begrüßt, dass der Leistungsanspruch auf Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Medizinprodukte höherer Risikoklassen ausgeweitet wird. Eine DiGA einer höheren Risikoklasse kann bei ernsthaften Erkrankungen oder zur Entscheidungsfindung in kritischen Situationen eingesetzt werden und hat einen größeren therapeutischen Nutzen. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass durch ein technisches Defizit oder eine fehlerhafte Nutzung die Patientensicherheit gefährdet wird. Daher braucht es im Rahmen des Prüfprozesses einer DiGA strengere Vorgaben als bisher bei der Klassifizierung und Eingrenzung zur Risikoklasse I und IIa. Der BKK Dachverband regt an, dass man sich für die Bewertung und Zulassung einer DiGA der Risikoklasse IIb am Bewertungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 135 SGB V orientiert. Da die Therapie einer DiGA mit der Risikoklasse IIb Teil des ärztlich ver-antworteten therapeutischen Prozesses sein wird und somit einer im Vorfeld sorgfältigen Indikationsstellung bedarf, soll der Anspruch auf die DiGA mit Risikoklasse IIb lediglich über den Verordnungsweg möglich sein.
Dass mehr Transparenz über den Nutzen von DiGA hergestellt werden soll und diese Erkenntnisse noch mehr in die Preisgestaltung einfließen sollen, ist richtig. Die Digitalisierung muss dazu genutzt werden, Transparenz über den Behandlungserfolg der Intervention herzustellen und somit auch die erfolgversprechende Versorgung für den Versicherten zu ermöglichen.
In diesem Kontext ist auch das Vorhaben, DMP um digitalisierte Versorgungsprozesse für Versicherte zu erweitern, grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Ausgestaltung der Regelungen zu den digitalen DMP bleibt jedoch weitgehend unkonkret hinsichtlich der zu erwartenden prozessualen und technischen Ausgestaltung. Es werden im Entwurf lediglich TI-Fachanwendungen bzw. DiGA als Komponenten vorgegeben, die der G-BA zu berücksichtigen hat. Hier steht zu befürchten, dass im Ergebnis eine Digitalisierung um der Digitalisierung Willen kodifiziert wird und nicht zwingend die patientenzentrierte Prozessgestaltung ausschlaggebend ist.


Die Verstetigung des Innovationsfonds und auch die höhere Flexibilität, indem die bisherige Beschränkung von 20 % für den themenoffenen Bereich aufgehoben wird, werden ausdrücklich begrüßt. Die bisher geförderten Projekte zeigen nicht nur Verbesserungen für bestehende Versorgungsprobleme auf. Sie fördern auch die sektorenübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen. Das ist essentiell für die Versorgung der Zukunft. Allerdings sollte die jährliche Fördersumme auf 100 Mio. Euro beschränkt werden. Bereits jetzt werden bei weitem nicht alle Mittel verausgabt.

Die ausführliche Detailkommentierung entnehmen Sie dem als Download beigefügtem PDF-File.

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Kontakt

Ulrike Müller
Referentin Politik
GKV-Finanzierung, Digitalisierung, ambulante Versorgung, Leistungs- und Beziehungsrecht, Mitgliedschafts- und Beitragsrecht, Qualitätstransparenz

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