Stellungnahme

Stellungnahme des BKK Dachverband e.V. vom 06.11.2020 zu den Formulierungshilfen für Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zu den Finanzregelungen im Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG)

Die Betriebskrankenkassen begrüßen ausdrücklich, dass mit den vorliegenden Formulierungshilfen für Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen die Notwendigkeit für Änderungen an den Finanzregelungen im Entwurf eines zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG) adressiert werden. Sie sind mit Blick auf die besondere Situation kleiner Krankenkassen dringend erforderlich. Die konkreten Vorschläge für Änderungen bewerten die Betriebskrankenkassen jedoch äußerst kritisch. Insbesondere ist die geplante Änderung für Krankenkassen mit weniger als 50.000 Mitgliedern nicht geeignet, einen ausreichenden Schutz vor den Folgewirkungen der Vermögensabgabe lt. Entwurf zum GPVG bei den kleinen Kassen sicher zu stellen. Daher schlagen die Betriebskrankenkassen stattdessen weiterhin eine einfach umsetzbare und für die Planungssicherheit der kleinen Kassen bessere Lösung vor: Ein Sockelbetrag in Höhe von 3 Mio. Euro zuzüglich 0,2 Monatsausgaben stellt sicher, dass diese Kassen unvorhersehbare Ausgaben, wie z. B. im Falle eines Hochkostenfalles, bewältigen und damit die Versorgung finanzieren können.

II. Detailkommentierung

Änderungsantrag 1 
Zu Artikel 1 Nummer 8, § 242 SGB V: Sonderregelung zum Zusatzbeitragssatzanhebungsverbot bei Unterschreitung der Mindestreserve 2021 

Krankenkassen, die ausweislich der vorgelegten Rechnungsergebnisse für das erste bis dritte Quartal 2020 die Obergrenze ihrer Finanzreserven von 0,8 Monatsausgaben überschreiten und zugleich nach ihrem Haushaltsplan für das Jahr 2021 die Mindestrücklage nach § 261 Absatz 2 Satz 2 SGB V von 0,2 Monatsausgaben ohne eine Zusatzbeitragssatzanhebung unterschreiten würden, dürfen, so sieht es die beabsichtigte Änderung vor, ihre Zusatzbeitragssätze abweichend vom Zusatzbeitragssatzanhebungsverbot einmalig bereits zum 1. Januar 2021 anheben. Die Anhebung soll auf den Zusatzbeitragssatz begrenzt sein, der erforderlich ist, um eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestrücklage zu vermeiden.  
Speziell für kleine Krankenkassen mit weniger als 50.000 Mitgliedern ist zudem vorgesehen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde auf Antrag der Krankenkasse eine Zusatzbeitragssatzanhebung zum 1. Januar 2021 genehmigen kann, der über den zur Sicherstellung der Mindestrücklage notwendigen Zusatzbeitragssatz hinausgeht.  
In beiden Fällen gilt, dass, um Wettbewerbsgleichheit zwischen den Krankenkassen zu gewährleisten, bei der Bemessung der Zusatzbeitragssätze die Ausgabenerwartung des Schätzerkreises für das Jahr 2021 zugrunde zu legen ist. Abweichungen sind durch die Krankenkasse zu begründen. 

Die Betriebskrankenkassen begrüßen, dass Änderungsbedarf an der bislang vorgesehenen Anpassung des Zusatzbeitragssatzanpassungsverbotes gesehen wird. Keinesfalls ist die Regelung jedoch geeignet, Krankenkassen mit weniger als 50.000 Mitgliedern ausreichend vor den Folgen der beabsichtigten Vermögensabgabe zu schützen.  
Es erscheint widersinnig, wenn die betroffene kleine Kassen Vermögensreserven, die sie für ihre besondere Risikosituation aufgebaut haben, abgeben müssen, nur um sie erneut über höhere Zusatzbeitragssätze (ZBS) wiederaufzubauen – verbunden mit den negativen Folgen im Beitragswettbewerb. Für diese kleinen Kassen ist die vom Gesetzgeber als ausreichend argumentierte Vermögensreserve vom 0,2fachen bis maximal zum 0,8fachen einer Monatsausgabe nicht geeignet, besondere Situationen wie die Finanzierung von Hochkostenfällen auszugleichen. Schließlich greift auch der Mechanismus des Risikopools erst zeitlich stark verzögert mit dem Schlussausgleich.  Die Mitglieder der kleinen Kassen würden in diesem Sinne zudem doppelt belastet, weil der ZBS in der Vergangenheit so bemessen wurde, dass eine ausreichende Vermögensreserve vorhanden ist. Diese würde nun zumindest teilweise der Vermögensabgabe anheimfallen. 

Ferner ist die Regelung abhängig von individuellen Genehmigungen der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde, was zu einem Zeitverzug und damit finanziellen Bedrohung im Ernstfall führen kann. Konflikt mit den Aufsichten ist ferner vorprogrammiert, da sich die Anhebungen des ZBS auf die Einschätzungen des Schätzerkreises beziehen sollen. Diese sind jedoch den Kassen im Detail, d. h. je Leistungsbereich, nicht bekannt. Bekannt sind lediglich die Veränderungsraten von berücksichtigungsfähigen Leistungsausgaben, Satzungs- und Ermessensleistungen sowie Verwaltungskosten. Insofern kann eine Krankenkasse kaum begründen, warum ihre Einschätzung von derjenigen des Schätzerkreises abweicht. In der Konsequenz könnten die Krankenkassen jeweils nur diese drei Blöcke insgesamt planen und dabei die Vorgaben aus dem Schätztableau verwenden, allerdings ohne irgendeinen Bezug auf ihre realen Verhältnisse. Von einer identischen Veränderungsrate bei den Ausgaben über alle Krankenkassen hinweg kann kaum ausgegangen werden. Muss eine Kasse also z. B. höhere Leistungsausgaben planen als sich aus der angegebenen Gesamtveränderungsrate ergeben würden, könnte sie als Begründung lediglich angeben, dass man mit einer dynamischeren Entwicklung rechnet als das BMG. 


Entsprechend sollte nach Auffassung der Betriebskrankenkassen dringend auch weiterhin eine Regelung zum zielgenauen Schutz kleiner Kassen erfolgen: 


Änderungsvorschlag: 

§272 Absatz 1 SGB V wird um den folgenden Satz 3 ergänzt:

„Bei Krankenkassen, die zum 30.06.2020 über weniger als 50.000 Mitglieder verfügen, werden für die Zuführung nach Satz 1 die Beträge zu 66,1 Prozent herangezogen, die eine Finanzreserve nach § 260 Absatz 2 Satz 1 in Höhe von drei Millionen Euro zuzüglich einem Fünftel des durchschnittlich auf einen Monat entfallenden Betrags der Ausgaben für die in § 260 Absatz 1 Nummer 1 genannten Zwecke der jeweiligen Krankenkasse übersteigen.“ 

§ 272 Absatz 2 Satz 1 SGB V wird wie folgt gefasst:

„(2) Das Bundesamt für Soziale Sicherung berechnet den Betrag nach Absatz 1 Satz 1 oder 3, der sich für jede betroffene Krankenkasse ergibt, und macht ihn durch Bescheid gegenüber der Krankenkasse geltend.“ 

Begründung: 
Krankenkassen mit weniger als 50.000 Mitgliedern benötigen zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den übrigen Krankenkassen höhere Rücklagen, insbesondere um Hochkostenfälle oder hochpreisige Arzneimitteltherapien finanzieren zu können. Diesem Umstand wurde der Gesetzgeber bereits im Rahmen des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes (GKV-VEG) gerecht, in dem er für diese Krankenkassen eine abweichende Obergrenze zum Abbau der Rücklagen festgelegt hat, die auf Antrag durch die zuständige Aufsichtsbehörde festgelegt wird. In der sachgerechten Konsequenz muss daher bei diesen Krankenkassen ein Sockelbetrag verbleiben, der nicht bei der Zuführung der Mittel für den Gesundheitsfonds herangezogen wird.  
Über eine solche Anpassung würde das grundsätzliche Finanzierungskonzept zur Sicherung des Niveaus des GKV-durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nicht gefährdet werden, da sie mit einem Finanzvolumen von weniger als 0,04 Mrd. Euro (0,5% der insgesamt vorgesehenen 8,0 Mrd. Euro) verbunden wäre.  

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