Stellungnahme

Stellungnahme des BKK Dachverbandes e.V. vom 26.10.2020 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen sieht unter anderem vor, die Aufgabenbeschreibung der Krankenkassen um den Zusatz der Berücksichtigung geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischer Besonderheiten zu ergänzen. Damit soll der Blick für die besonderen Belange unterschiedlicher Versichertengruppen geschärft und die Passgenauigkeit von Aufklärung, Beratung und Leistungen verbessert werden. Die Betriebskrankenkassen begrüßen die Ergänzung ausdrücklich. Wünschenswert wären weitere Ausführungen, was den Begriff behindertenspezifische Besonderheiten betrifft. Nur so kann sichergestellt werden, dass eine bundesweit einheitliche Umsetzung im Sinne des Gesetzes erfolgt. Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ist es darüber hinaus wichtig, Angebote zu schaffen, die die Zielgruppe nicht insoweit einschränken, dass eine Wahrnehmung der Angebote zur Stigmatisierung führt.

Die vorgeschlagene Einführung eines § 73c SGB V soll u. a. zur Sicherung des Kindeswohls in Fällen von Missbrauch und Vernachlässigung die Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten mit den Jugendämtern weiter verstetigt werden. Hierzu werden neue vertragliche Beziehungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kommunalen Spitzenverbänden im Rahmen des SGB V vorgesehen. Grundsätzlich wird die Initiative zur Verstetigung einer Zusammenarbeit zwischen niedergelassenem Bereich und Jugendämtern begrüßt. Bereits heute sind Vertragsärzte verpflichtet, bei Gefährdung des Kindeswohls tätig zu werden. Neben einer moralischen Verpflichtung sind entsprechende Aufgaben ebenfalls bereits Bestandteil der im EBM festgelegten ärztlichen Vergütung. Unverständlich ist daher, dass die GKV verpflichtet werden soll, telemedizinische Fallbesprechungen zwischen Vertragsärzten und Jugendämtern einseitig zu finanzieren. Das Thema Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar, die nicht allein durch die Versichertengemeinschaft der GKV getragen werden kann. Darüber hinaus ist anzumerken, dass es sich bei den Jugendämtern nicht um Leistungserbringer im Sinne des SGB V handelt. Der neue § 73c zielt vielmehr auf das Verhältnis von Leistungserbringern zu Dritten ab – in diesem Fall Vertragsärzteschaft zu Jugendämtern. Insofern wäre eine rechtssystematische Verankerung der Kooperationsverträge im SGB VIII angezeigt. 
Die Betriebskrankenkassen regen an, im Rahmen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz die Nationale Präventionsstrategie ebenfalls im SGB VIII zu verankern, um die Kooperation und Vernetzung zwischen Kinder und Jugendhilfe und den zuständigen Sozialversicherungsträgern zu fördern und zu verstärken. Dies betrifft vor allem das Ziel “Gesund aufwachsen”. 
“Gesund aufwachsen” ist ein zentrales Ziel der Nationalen Präventionsstrategie. Für den Zielbereich sind in den Bundesrahmenempfehlungen wesentliche gesundheitsförderliche Handlungsbedarfe und prioritäre Zielgruppen wie werdende und junge Familien, Kinder, Jugendliche, Auszubildende beschrieben. Es wird aufgezeigt, durch welche Leistungen die Sozialversicherungsträger zur Erreichung der Ziele beitragen und welche Unterstützungsaufträge sie jeweils in Bezug auf die verschiedenen Zielgruppen haben. Dabei wird auch auf Kooperationserfordernisse eingegangen und dargestellt, welche Organisationen und Einrichtungen beim Engagement für die jeweiligen Zielgruppen beteiligt werden sollten. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe waren über die obersten Landesjugendbehörden an der Vorbereitung der Bundesrahmenempfehlung beteiligt (vgl. Bundesrahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 3 SGB V 2019). 
Die Nationale Präventionsstrategie sowie die Erreichung des Ziels „Gesund aufwachsen“ sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, ebenso wie die Schaffung gesunder Lebensverhältnisse. Dafür müssen weitere gesellschaftlich relevante Akteure zielgerichtet in die Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen eingebunden werden. Durch geeignete Kooperationen können sich so Kompetenzen und Ressourcen sinnvoll ergänzen (vgl. dazu auch Nationaler Präventionsbericht 2019). Das setzt voraus, dass alle verantwortlichen Akteure und Stellen eigenverantwortlich ihren Beitrag hierzu leisten, bereit sind, eigene Ressourcen einzubringen und eigeninitiativ auf unterstützende Partner und Sozialversicherungsträger zuzugehen, diese aktiv einzubeziehen oder im Bedarfsfall auf diese zu verweisen. Eine Beteiligung sowohl inhaltlicher als auch finanzieller Natur betrifft insbesondere die im Rahmen der Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie gemeinsam vereinbarten Maßnahmen. 


Änderungsvorschläge

§ 2 SGB VIII wird wie folgt ergänzt: „(4) Bei der Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 und bei der Aufgabenwahrnehmung nach Absatz 2 berücksichtigt die Jugendhilfe die in den Bundesrahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 3 SGB festgelegten Ziele. Bei der Berücksichtigung der in Satz 1 genannten Ziele werden insbesondere die Teilziele unter dem Ziel „Gesund aufwachsen“ festgelegt sind, beachtet.“ 

§ 81 SGB VIII wird um folgende Nummer 14 ergänzt: „14. den Trägern der Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach § 20 f SGB V.” 

Im Hinblick auf eine stärkere Verzahnung der Bemühungen um die Kinder- und Jugendgesundheit schlagen die Betriebskrankenkassen vor, Regelungen zu treffen, die die Abstimmung zwischen Öffentlichen Gesundheitsdienst, Jugendhilfe und Sozialversicherungsträger auf Landesebene weiter verbessern. Im Zuge des Masernschutzgesetztes wurde im § 20f Abs. 2 Satz 1 Nummer 5 Landesrahmenvereinbarungen zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie in der Form ergänzt, dass die Partner der Landesrahmenvereinbarungen (pro Bundesland die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen, auch für die Pflegekassen, die Träger der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung sowie die im Land für Gesundheitsförderung und Prävention zuständige Stelle) auch eine Regelung treffen, wie u. a. die örtliche öffentliche Jugendhilfe über die lebensweltbezogenen Gesundheitsförderungs- und Präventionsleistungen der Krankenkassen zu informieren sind. Für die Planung, Abstimmung und Umsetzung von Maßnahmen ist jedoch eine wechselseitige Transparenz über die Leistungen aller Partner zur Umsetzung der Landesrahmenvereinbarungen unerlässlich. Statt einer nur auf die Gesetzliche Krankenversicherung bezogenen Informationsverpflichtung gegenüber Öffentlichen Gesundheitsdienst und Jugendhilfe sollten sich die Partner der Landesrahmenvereinbarungen daher auf eine Regelung zur Sicherstellung von Transparenz über ihre Aktivitäten im Land verständigen. In allen Bundesländern wurden mit den Landesrahmenvereinbarungen auch Kooperationsstrukturen zur Umsetzung der landesbezogenen Aufgaben in der Gesundheitsförderung und Prävention etabliert bzw. (wo schon zuvor solche Strukturen bestanden) weiterentwickelt. Damit wäre in allen Ländern eine wechselseitige Information und Abstimmung zu den gemeinsam zu verfolgenden Zielen und Handlungsfeldern sowie zu den Aktivitätsschwerpunkten der Partner gewährleistet.  

Änderungsvorschlag 

§ 20f Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 wird nach den Wörtern „die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den Trägern der örtlichen öffentlichen Jugendhilfe“ wie folgt ergänzt: „einschließlich der Gewährleistung wechselseitiger Transparenz über die jeweiligen Leistungen zur Umsetzung der Landesrahmenvereinbarungen.“  

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