Hörfunkbeitrag

Franz Knieps im Gespräch bei WDR5 Echo des Tages, 17.03.2022

Wie gut ist Karl Lauterbach der Wechsel vom Experten zum Minister gelungen?

Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes, über Gesundheitsminister Karl Lauterbach und eine erste Bilanz nach 100 Tagen.

Mikrofon mit Audio-Peak-Level

Moderatorin:
WDR5 ist hier mit dem Echo des Tages am Donnerstagabend. Ein Tag der Aussprachen und Debatten, wir haben es schon gehört, war das heute. Und da ging es auch viel um Corona. Das Bund-Länder-Treffen zum Beispiel, da haben wir schon darüber geredet. Dann war da die Debatte um die Impfpflicht, die hat die Tagesordnung im Bundestag bestimmt. Seit dieser Woche gilt ja schon die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Deutschland und der Pieks für alle, tatsächlich, ob der nochmal Wirklichkeit wird, einige haben da so ihre Zweifel. Einer der diese Impfpflicht lieber heue als morgen haben will, ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, das hat er auch heute nochmal deutlich gemacht.

O-Ton BM Karl Lauterbach:
Wir können die Pandemie für Deutschland zum ersten Mal beenden mit der Impfung, mit der Impfpflicht. Lassen Sie uns doch diese Gelegenheit ergreifen!

Moderatorin:
Als er vor 100 Tagen als Teil des Scholz-Kabinett mit der Arbeit loslegte, da ruhten ja viele Hoffnungen auf ihm nach dem Motto „Ja da kommt jetzt einer der hat Ahnung von der Pandemie, der kriegt das hin!“ Ich habe mit Franz Knieps gesprochen, er ist Vorstand des BKK Dachverbandes der Betriebskrankenkassen und er war einer der wichtigsten Berater der früheren Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ich habe ihn gefragt „Welche Schulnote kriegt denn Lauterbach bei Ihnen nach 100 Tagen?“

Franz Knieps:
3 Minus.

Moderatorin:
Ach, das ist ja gar nicht so schlecht. Das ist ja auf jeden Fall mal versetzt, aber da ist noch Luft nach oben. Warum fällt Ihre Note so aus?

Franz Knieps:
Ja, weil die 100 Tage a) nicht normal waren, sondern nach wie vor unter dem Eindruck der Pandemie. Und Karl Lauterbach hat sich aber nicht darauf eingestellt, dass er eine andere Rolle einnehmen muss als Minister, denn als früher freischwebender Abgeordneter.

Moderatorin:
Ja, aber ist das tatsächlich wahr Herr Knieps? Hat er diesen Rollenwechsel nicht geschafft? Also so vom ewigen Mahner in der Expertenrolle hin zum Politiker, der eben auch Kompromisse sucht und auch macht?

Franz Knieps:
Ich glaube es wurde ihm eher aufgedrückt, als er dass selbst aus eigener Überzeugung verändert hat.

Moderatorin:
Wen haben Sie da im Kopf? Vielleicht Marco Buschmann, den FDP-Justizminister?

Franz Knieps:
Ja mit Sicherheit. Der hat ja ziemlich deutlich gemacht, dass er mit den Lauterbach-Vorstellungen in der Pandemie wenig anfangen kann. Und da ist ja Karl Lauterbach relativ schnell eingeknickt. Ich finde das ja auch problematisch, dass ein Minister sagt „Ich will eigentlich lieber etwas Anderes, aber da ich jetzt in einer Koalition bin, muss ich das so machen.

Moderatorin:
Jetzt schauen wir mal auf das, was gemacht wurde, beziehungsweise was läuft. Also wir haben auf jeden Fall schon einmal die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die gilt seit dieser Woche. Wir haben zumindest, ich sag mal so einen regen Austausch über Vorschläge, die es gibt, in Sachen allgemeine Impfpflicht und Karl Lauterbach ist auf jeden Fall der Mann, der sagt „Lieber gestern als morgen Impfpflicht für alle!“. Wenn die jetzt doch in irgendeiner Form käme, würde dann Ihre Note vielleicht besser ausfallen?

Franz Knieps:
Das hängt von den Begleitumständen ab. Der Teufel liegt im Gesundheitswesen immer im Detail. Damit das klar ist: Ich befürworte eine allgemeine Impfpflicht. Was dahinter gespannt wird, mit Kontrollmechanismen durch die Krankenkassen, das halte ich für hochproblematisch. Da kann man sehr viel kaputtmachen.

Moderatorin:
Und Ihrer Meinung nach hat Karl Lauterbach hier nicht das Zeug Tacheles zu reden beziehungsweise es richtig zu machen?

Franz Knieps:
Ja, ich habe es immer für einen politischen Fehler gehalten, dass die Bundesregierung nicht selber ausdiskutiert, was sie denn als Regierung will und dann einen Vorschlag macht. Das so zu zerfasern in mittlerweile fünf Anträge, das halte ich für politisch äußerst schwierig und es geht dabei auch Expertise verloren, die ein Entwurf aus dem Hause Lauterbach hätte. Dafür sind Ministerien ja da, dass das politisch gewollte, in das verwaltungstechnisch korrekte umgestaltet wird.

Moderatorin:
Jetzt ist Thema Corona eines, das seinen Alltag bestimmt, ganz klar, allerdings beileibe nicht das einzige, das er als Gesundheitsminister auf dem Schirm haben muss. Die Pflege ist da zu nennen, die Situation an den Krankenhäusern, unglaublich einflussreiche Lobbygruppen von Ärzten bis hin zu Krankenkassen und Apotheken. Was erwarten Sie da jetzt von Lauterbach, auch wenn wir mal von Corona wegkommen?

Franz Knieps:
Ja, dass er wirklich in einen Arbeitsmodus kommt, wie ihn die früheren Ministerinnen und Minister auch hatten. Dass er eine Jahresplanung macht und darüber auch redet, was er in diesem Jahr schultern will. Dass er dann in die einzelnen Gesetzgebungsprozesse eintritt. Gestern hat er, musste er ja einen Gesetzentwurf zur Finanzierung der Krankenkassen zurückziehen, weil das politisch noch nicht abgestimmt war. Da ist jetzt aber relativ großer Handlungsdruck. Nicht in einem Ruck-Zuck-Verfahren, wie beim Infektionsschutzgesetz und möglicherweise auch bei der Impfpflicht, sondern in einem normalen Verfahren mit Anhörung der Beteiligten, mit Anhörung der Bundesländer, mit Diskussion mit anderen Ressorts. Und das ist ein komplexer Prozess und so ähnlich wird es auch gehen müssen beim Pflegebonus, so ähnlich wird es gehen müssen bei der Krankenhausreform, wo es ja eine Regierungskommission geben soll, das muss jetzt alles mal in die Hand genommen werden.

Moderatorin:
Sagt Franz Knieps, Vorstand des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen, über Gesundheitsminister Karl Lauterbach und seine Bilanz nach 100 Tagen.