BKK Magazin

BKK Magazin 4/2023

Lesen Sie hier das komplette BKK Magazin 4/2023 "Blick in die Zukunft" online.

BKK Magazin 4 2023 BLICK IN DIE ZUKUNFT
Franz Knieps
Franz Knieps – Vorstand des BKK Dachverbandes

Editorial

Stellen wir uns für einen Moment lang eine Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland vor, in der Ärztinnen und Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte, Patienten und deren Krankenkassen Zugang zu relevanten Gesundheitsdaten haben und diese entlang eines Therapiepfades mit allen Akteuren im Gesundheitswesen sektorenübergreifend ohne Schnittstellenprobleme teilen können. Nein, lassen wir das. Es genügt, das Land zu verlassen und uns bei den europäischen Nachbarn umzusehen. Meine jüngste Reise führte nach Helsinki. In Finnland trifft man auf Leute, die verstehen gar nicht, welches Problem wir haben! Linda Soikkeli vom finnischen Ministerium für Soziales und Gesundheit hat dort den effizienten, digitalen und strukturierten Datenaustausch beschrieben. Der finnische Staat verliert sich nicht in regulatorischer Feinsteuerung. Gesetze und öffentliche Gelder werden eingesetzt, um alle Beteiligten zu ermutigen, Neues auszuprobieren und Erkenntnisse zu teilen. Im Vordergrund steht die Patientenperspektive. Immer. Zusammenarbeit steht vor Eigennutz. Viele Lösungen, die wir in Deutschland seit langem diskutieren, sind schon lange selbstverständlicher Teil des medizinischen Alltags. Sämtliche Daten, die bei der Behandlung entstehen, werden automatisch in die zentrale Patientenakte Kanta übertragen. Zugriff auf diese Daten haben Healthcare Professionals und selbstverständlich die Patienten selbst. Und so ist es nicht nur in einem skandinavischen Land. In dieser Magazin Ausgabe berichten wir über das dänische Digitalnetzwerk Medcom und die Webseite sundhed.dk – eine Schnittstelle für Versicherte, um den eigenen Datensatz einzusehen, der von allen Beteiligten entlang der Patient Journey genutzt werden kann. Seit den 1990er Jahren gilt in Dänemark die Übereinkunft aller Leistungserbringer, dass Gesundheitsdaten zum Vorteil der Patientinnen und Patienten digital einsehbar sein müssen.

Für eine bessere und effizientere Versorgung einer alternden Gesellschaft müssen die Herausforderungen Multimorbidität, Fachkräftemangel und Finanzierungsprobleme gemeistert werden. Uns aber fehlt der Taktgeber, es fehlt die Strategie, es fehlt die Koordinierung.
Es wäre schon viel getan, wenn wir selber in der GKV besser würden. Noch immer sind viele Kassen im Denken ihrer analogen Prozesse gefangen, auf die sie irgendwie digitale Lösungen aufsetzen wollen. Exponentiell wachsende Rechenleistung und der Blick in die genetische Struktur des Menschen führen zu noch nicht absehbaren Wirkungen auf gesundheitliche Versorgung und das soziale Sicherungsversprechen. Predictive Medicine wirkt auf die GKV, sie verschiebt die Versorgung aus der kurativen in die primär- und sekundärpräventive Begleitung von Menschen. Daher können wir nicht länger festhalten an einem System der Doppelstrukturen in abgeschotteten Silos, an minutiöser Bürokratie, an absurden Vergütungssystemen für Ärzte mit undurchschaubaren Regelleistungssystemen, an Fehlsteuerung für die Krankenhauslandschaft. Schon gar nicht an Befunden, Rezepten und Medikationsplänen, die auf Papier geschrieben und mit Brief und Fax versendet werden. Es kann nicht so bleiben, dass wir einen Facharzttermin, einen OP Termin oder die Nachbehandlung rechtzeitig zur Entlassung aus dem Krankenhaus nur organisieren können, wenn wir jemanden kennen, der gut im System vernetzt ist, oder wir selber mit dem Facharzt befreundet sind.

Denken wir disruptiv in den Kassen! Teilen wir konsequent Erfahrung und Erkenntnis, nutzen wir Handlungsräume, die der Gesetzgeber schafft, steuern wir Kapazitäten, Finanzierung und Inanspruchnahme datenbasiert. Verbessern wir Transparenz Qualität und Patient Journey. Verlassen wir die Komfortzone der organisierten Verantwortungslosigkeit. Trauen wir uns Ungeheuerliches. Unsere Versicherten, unsere Betriebe werden es uns danken. Und vielleicht folgt uns dann sogar die Politik.

Ihr Franz Knieps

Lesen Sie den Leitartikel von Ulrike Müller DIGITALE TRANSFORMATION: JETZT ABER WIRKLICH!

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