Gesundheit und Politik

Was wird aus den Krankenhäusern?

Kerstin Macherey, Politik und Kommunikation

Die Corona-Pandemie hat die Debatte um die Neuordnung der Krankenhauslandschaft und bessere Finanzierung in den Hintergrund gedrückt. In der Krise mussten alle Kräfte des Gesundheitssystems die Herausforderung gemeinsam meistern. Doch die Krankenhausreform muss wieder auf die Agenda.

Zwei Krankenhausbetten

Ein großer Teil der bislang (gesetzlich) getroffenen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie dreht sich um die stationäre Versorgung. Diese Maßnahmen sollen im Folgenden überblicksartig dargestellt und eingeordnet werden. Daneben drohen in der aktuellen, von allen Kräfte des Gesundheitssystems gemeinsam zu meisternden Ausnahmesituation die Herausforderungen, vor der die stationäre Versorgung grundsätzlich steht, in den Hintergrund zu geraten, insbesondere die Neuordnungen der Versorgungsstrukturen und Verbesserungen in der Finanzierung. Sie sind, ebenso wie die Evaluation der nun getroffenen Maßnahmen, zeitnah (wieder) auf die politische Agenda zu holen.

Im Zuge der Corona-Krise war, auch auf Grund der internationalen Erfahrungen, mit schnell steigenden Fallzahlen zu rechnen. Steigende Fallzahlen, auch das war international bekannt, würden mit einer steigenden Inanspruchnahme der Krankenhaus-Versorgung einhergehen. Entsprechend sollten möglichst schnell die Voraussetzungen geschaffen werden, schwere Krankheitsverläufe im Zusammenhang mit COVID-19 gut und vor allem auch intensivmedizinisch versorgen zu können. Die Krankenhäuser sollten in die Lage versetzt werden, ihre Bemühungen auf die Erfüllung dieser Aufgabe konzentrieren zu können.

Leitplanken über die Beschlüsse der Kanzlerin und der Regierungschefs

Daher beschlossen die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder bereits am 12. März dieses Jahres, dass ab dem 16. März planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe – sofern medizinisch vertretbar – auf unbestimmte Zeit verschoben bzw. ausgesetzt werden sollten. Durch gesetzliche Maßnahmen wollte man zügig sicherstellen, dass den Krankenhäusern daraus resultierende Erlösausfälle sowie wirtschaftliche Defizite durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen werden. Zudem sollte ein Bonus für zusätzlich geschaffene Intensivbetten eingeführt werden. Die Krankenhäuser wurden dazu aufgefordert, ihre Personalkapazitäten so zu planen bzw. zu erhöhen, dass die „Durchhaltefähigkeit der Intensiv- und Beatmungsbetten“ gestärkt würde (zu allem siehe Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder vom 12.3.20). Per Schreiben vom 13. März forderte der Gesundheitsminister Jens Spahn die Geschäftsführer der Krankenhäuser auf, das Beschlossene nun zeitnah umzusetzen. Ergänzt wurden die Vereinbarungen um eine Absprache zur Infrastruktur der Krankenhäuser vom 17.3., nach der Intensivkapazitäten zu verdoppeln seien. Die Länder sollten mit ihren Krankenhäusern entsprechende Pläne vereinbaren.

In der Folge positionierten sich sowohl die gesetzlichen Krankenkassen, als auch die Vertreter der Krankenhäuser, wie die beschlossenen Maßnahmen, insbesondere jene zur zeitnahen und einfach zu realisierenden Entlastung der Krankenhäuser, konkret umgesetzt werden sollten. Die Betriebskrankenkassen hatten hier immer darauf gedrängt, dass schnelle finanzielle Entlastungen der Krankenhäuser natürlich adressiert werden, Grundlagen der Systematik der Krankenhausvergütung jedoch unangetastet bleiben sollten.

Umsetzung im Wesentlichen über das COVID-19-Krankenhausentlasungegesetz

Gesetzgeberisch bzw. in Bundestag und Bundesrat wurde die Umsetzung mit dem „Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz)“ in nur einer Woche vollzogen. In Kraft trat das Gesetz damit bereits zu Ende März (28. März 2020).

Ein erster Entwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für eine Formulierungshilfe der Koalitionsfraktion war nach einer Telefonkonferenz des Ministers mit den Ländern noch angepasst worden. Die Änderungen durch die Länder betrafen etwa die sog. Freihaltepauschale. Bei einer geringeren Belegung im Vergleich zur Patientenauslastung im Jahr 2019, sollten die Krankenhäuser eine tägliche Pauschale erhalten, wenn sie eben jenes Bett für die Behandlung eines Corona-Patienten freihalten. Diese Freihaltepauschale sollte zunächst nach Gesamtbettenzahl des Krankenhauses differenziert werden. Kleinere Krankenhäuser mit weniger Betten hätten entsprechend eine geringere Pauschale erhalten. Der Staffelung lag die Annahme zugrunde, dass die durchschnittlichen Kosten der Krankenhäuser nicht gleich hoch sind und bei bestimmten Krankenhäusern, wie etwa Maximalversorgern, auch höhere Kosten anfallen. Dies hätten die Krankenkassen auch für sachgerecht gehalten, um Über-, aber auch Unterdeckungen zu vermeiden. Letztlich wurde dennoch ein einheitlicher Wert von 560 Euro für alle Krankenhäuser festgelegt. Die Auszahlungen an die Krankenhäuser sollen durch die Länder realisiert und aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vorfinanziert werden. Letztlich erfolgt eine Erstattung aus Bundesmitteln.

Dass der Ansatz einer stärkeren Differenzierung und damit die Einschätzung der Krankenkassen nicht falsch waren, zeigt sich im Übrigen bei dem gerade in Kraft getretenen „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (Zweites Bevölkerungsschutzgesetz). Dort wird aus den besagten Gründen nämlich über eine entsprechende Verordnungsermächtigung des BMG die Grundlage für eine künftige Differenzierung der Pauschale gelegt. Es bleibt abzuwarten, ob die Differenzierung nicht nur nach oben, sondern auch nach unten von den bisherigen 560 Euro abweichen wird.

Nach den Beratungen mit den Ländern wurden darüber hinaus auch die Mittel für die Schaffung neuer Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit auf 50.000 Euro pro Einheit aufgestockt. Bis Ende Juni dieses Jahres zeitlich befristet sollte nun zudem ein Aufschlag von 50 Euro pro Patient zur Finanzierung von Schutzausrüstung gezahlt werden. Auf eine Spitzabrechnung für den auf 185 Euro erhöhten vorläufigen Pflegeentgeltwert durch die Krankenkassen wurde ausdrücklich verzichtet. Überdeckungen verbleiben damit beim Krankenhaus. Mit den Ländern gesondert vereinbart worden war, die Vorgaben der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung rückwirkend zum 1. März für dieses Jahr komplett auszusetzen.

Weitere Maßnahmen zur Entlastung der Krankenhäuser bezogen sich auf die erst mit dem MDK-Reformgesetz eingeführten Regelungen zur Krankenhausabrechnungsprüfung. Um Krankenhäuser und Medizinische Dienste von bürokratischen Pflichten zu entlasten, beträgt die Prüfquote für 2020 statt 12,5 nur noch 5 Prozent. Dies gilt auch rückwirkend für das erste Quartal des Jahres. Somit mussten Krankenkassen, die diese neue Prüfquote bereits ausgeschöpft hatten, überzählige Prüfaufträge stornieren. Der ebenfalls mit dem MDK-Reformgesetz vorgesehene Aufschlag auf fehlerhafte Abrechnungen des Krankenhauses entfällt in diesem und im nächsten Jahr. Zwecks endlich gleich langer Spieße in der Krankenhausabrechnungsprüfung ist es den Betriebskrankenkassen jedoch ein großes Anliegen, dass er zumindest ab dem Jahr 2022 zum Tragen kommt. Die Krankenkassen zahlen ihrerseits die Aufwandspauschale nämlich schon seit Jahren, wenn die Rechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages des Krankenhauses geführt hat. Auch die Einführung der Strukturprüfungen wurde mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz um ein Jahr auf das Jahr 2022 verschoben. Rechnungen der Krankenhäuser müssen nun zudem innerhalb von fünf Tagen beglichen werden.

Bei den Maßnahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes – wie grundsätzlich auch bei den anderen gesetzlichen Neuregelungen – haben die Betriebskrankenkassen großes Verständnis für die Krankenhäuser gezeigt und die (finanziellen) Entlastungen bzw. die Maßnahmen zur Fokussierung auf die Behandlung von COVID-19-Patienten mitgetragen. Auch den Betriebskrankenkassen ist es wichtig, dass alle Akteure des Gesundheitswesens in dieser herausfordernden Situation im Sinne der Patienten und Versicherten an einem Strang ziehen. In diesem Sinne überraschen Meldungen, dass einige Krankenhäuser wohl für die von den Krankenkassen stornierten Prüfaufträge, die ja nach alter Rechtslage durchaus hätten berechtigt sein können, die Aufwandspauschale von 300 Euro in Rechnung stellen. Dieses Thema wurde zwar zwischen Vertretern von Krankenkassen und Krankenhäusern längst thematisiert, jedoch scheint nur eine gesetzliche Klarstellung für eindeutige Vorgaben sorgen zu können. Die Betriebskrankenkassen haben bereits gefordert, zumindest die Streichung der Aufwandspauschale für stornierte Prüfaufträge aus dem ersten Quartal dieses Jahres gesetzlich zu verankern. Denkbar wäre hier natürlich auch, um einen Gleichklang mit der Entlastung der Krankenhäuser an dieser Stelle herzustellen, die Aufwandspauschale für dieses und das nächste Jahr zu streichen.

Das Zweite Bevölkerungsschutzgesetz wäre nach Auffassung der Betriebskrankenkassen eine gute Gelegenheit gewesen, eine derartige gesetzliche Änderung vorzunehmen. Hier lag der Fokus der Änderungen dann doch nur auf einer Verschiebung der ursprünglichen Fristen aus dem MDK-Reformgesetz zur Krankenhausabrechnungsprüfung. Das gestufte Prüfsystem kommt damit erst im Jahr 2022 zur Anwendung, für 2021 gilt eine festgelegte Prüfquote je Quartal von 12,5 Prozent.

Routine, bessere Ausstattung und Einhaltung der Qualitätsvorgaben sind entscheidend für eine für Patienten sichere Behandlung im Krankenhaus.

Evaluation der Maßnahmen und mehr Transparenz erforderlich

Mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz wurde auch eine Überprüfung der gesetzlichen Maßnahmen durch das BMG bis zum 30. Juni dieses Jahres verankert. Hierzu wurde die Einrichtung eines Expertenbeiratesbeschlossen. Der Beirat hat zwischenzeitlich mehrfach getagt. Schwerpunkt seiner Arbeit sollen die Bewertung der getroffenen gesetzlichen Maßnahmen und dabei auch die Herstellung der Transparenz zur Leistungsentwicklung bzw. zum tatsächlichen Leistungsgeschehen in den Krankenhäusern in der Corona-Krise sein.

So war es den Betriebskrankenkassen im Hinblick auf die Freihaltepauschale stets wichtig zu erfahren, welche Summen hier an welches Krankenhaus gezahlt wurden – auch um letztlich Schlussfolgerungen für die Versorgung in Nach-Corona-Zeiten ziehen zu können. In einer Vereinbarung mit den Krankenhäusern wurde den Landesverbänden der Krankenkassen zwar eingeräumt, derartige Zahlen bei den zuständigen Landesministerien erfragen zu können. Bedauerlicherweise läuft diese Möglichkeit aber bislang ins Leere.

Nach ersten Auswertungen zeigt sich grundsätzlich, dass die Zahl der aufgenommenen somatischen Krankenhausfälle seit der Aufforderung des Ministers, keine medizinisch erforderlichen elektiven Eingriffe mehr durchzuführen, erheblich gesunken ist. Von verschiedenen Seiten wird zudem die Befürchtung geäußert, dass Patienten, aus Angst vor einer Infektion mit dem Cornona-Virus, nicht nur auf elektive, sondern auch auf medizinisch erforderliche Behandlungen im Krankenhaus verzichten. Die hohe Inanspruchnahme der Freihaltepauschale, bis Anfang Mai wurden laut Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) bereits rd. 3 Mrd. Euro von den Ländern abgerufen, weist zusätzlich darauf hin, dass aktuell viele Betten leer stehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation mit der stufenweisen Rückkehr der Krankenhäuser zur Regelversorgung seit Mai weiterentwickelt.

Diskussion zur Weiterentwicklung von Strukturen und Finanzierung tritt derzeit in den Hintergrund

Vor Beginn der Corona-Pandemie war eine spannende Diskussion darüber entbrannt, wie die Strukturen der Krankenhausversorgung künftig ausgestaltet und welche Änderungen in der Finanzierungssystematikvorgenommen werden sollten. So wurden Studien vorlegt, die auf eine stärkere Konzentration der Kapazitäten in städtischen Regionen bzw. Ballungsgebieten drängten, bei gleichzeitiger Sicherstellung der Versorgung in ländlichen Regionen. Zentrales, durchaus nachvollziehbares und von den Betriebskrankenkassen unterstütztes Argument war, dass eine Behandlung im Sinne der Patientensicherheit dort durchgeführt werden sollte, wo Routine bzw. eine bessere Ausstattung bestehen und die Einhaltung der Qualitätsvorgaben auch gewährleistet werden kann. Die Weiterentwicklung bundesweit einheitliche und auch verbindlicher Vorgaben zur Versorgungsqualität wurde dabei nicht nur von den Betriebskrankenkassen als wichtiger Baustein betrachtet. Als knappe Ressource bzw. limitierender Faktor wurde zudem vor allem gut qualifiziertes (Pflege-) Personal gesehen, das durch eine stärkere Konzentration der Strukturen besser eingesetzt werden könnte. Somit drehten sich die Empfehlungen dieser Studie im Wesentlichen um die Frage, wie durch eine Veränderung der Versorgungsstrukturen eine bessere Versorgung der Patienten erreicht werden könnte.

Im Bereich der Finanzierung versuchte man Vorschläge zu entwickeln, wie die beobachteten Schwachstellen, wie z. B. die unzureichende Investitionskostenfinanzierung durch die Länder und die zunehmende Verkomplizierung des DRG-Systems angegangen werden könnten, ohne jedoch eine vollständige Abkehr von der derzeitigen Finanzierungssystematik bis hin zu einer Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip zu vollziehen.

Diese Debatten sind mit der Corona-Pandemie verstummt bzw. in den Hintergrund getreten. Es scheint an einigen Stellen sogar zu einer Renaissance alter, bislang als längst überholt erachteter Ideen zu kommen, wenn plötzlich jedes Krankenhausbett als bedarfsnotwendig und damit unbedingt erhaltenswert deklariert wird. Das dargestellte einfache Argument, dass derjenige etwas besser kann, der es oft und unter guten Rahmenbedingungen macht, scheint plötzlich nicht mehr zu gelten.

Die Fragen und Probleme bleiben aber weiter aktuell

Es ist sicherlich klar, dass die Erfahrungen aus der Pandemie in die Diskussion einfließen werden und auch werden müssen – um für derartige Ereignisse künftig (noch) besser gerüstet zu sein. So wird bereits die Frage aufgeworfen, ob und wenn ja, wo für künftige Herausforderungen bestimmte Strukturen vorzuhalten sind und wie diese zu finanzieren sein werden. Diese Frage tauchte im Grundsatz im öffentlichen Diskurs bereits vor Ausbruch der Pandemie auf, wird nun aber mit größerer Virulenz diskutiert werden müssen. Ein Engagement der Bundesländer wird hier sicherlich erforderlich sein.

Letztlich wird auch zu hinterfragen sein, wie die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens insbesondere im Hinblick auf die Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen in der Pandemie-Situation funktioniert hat. Es sollte sich eine Diskussion darüber entwickeln, wie hier mögliche Brüche und Hürden in der Versorgung künftig vermieden bzw. überwunden werden könnten.

Die Debatte um die Neuausrichtung von Strukturen und Finanzierung im Sinne einer verbesserten Versorgung wird somit nun vielleicht aufgeschoben, damit aber wohl kaum aufgehoben sein. Fest steht damit auf jeden Fall: die Krankenhäuser bzw. die stationäre Versorgung sind und bleiben im Fokus der Diskussion.

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