Gesundheit und Politik

Weniger Krankenhäuser, bessere Medizin

Von Prof. Kjeld Møller Pedersen, Lehrstuhl für Gesundheitswirtschaft und -politik an der Syddansk Universitet, University of Southern Denmark

Im Jahr 2008 wurde eine wesentliche Änderung der dänischen Krankenhausstruktur eingeleitet – das umfassendste Investitionsprogramm, das jemals für Neubau und Renovierung von Krankenhäusern auf den Weg gebracht wurde. Insgesamt etwas mehr als 40 Mrd. DKK [5,37 Mrd. EUR; Dänemark: 5,6 Mio. Einw.] wurden zu diesem Zweck bereitgestellt. Die dänische Krankenhauslandschaft änderte sich dadurch im Laufe des nächsten Jahrzehnts radikal: eine Reduzierung der Anzahl der Krankenhäuser mit Notaufnahmen rund um die Uhr von etwas mehr als 40 im Jahr 2006 auf 21 im Jahr 2023, 12 Krankenhäuser ohne Notaufnahme, jedoch häufig mit Sonder- bzw. Fachfunktionen und Schließung von etwa 20 kleineren Krankenhäusern ab 2007–2020.

kleines Holzhaus am Meer

Das Programm wird 2023 mit einem neuen Universitätsklinikum in Odense [Insel Fünen] abgeschlossen. Im Jahr 2023 werden insgesamt 5 Krankenhäuser neu gebaut und 11 umfassend renoviert und erweitert worden sein, einschl. einer neu hinzugekommenen psychiatrischen Klinik – alles finanziert durch die 40 Mrd. DKK, die die Zentralregierung für Bauvorhaben in den fünf Regionen verteilt hat, die für den Betrieb des steuerfinanzierten dänischen Gesundheitswesens zuständig sind. Hinzu kommen drei neue psychiatrische Krankenhäuser, basierend auf dem sog. PPP-Modell, also einer öffentlich-privaten Partnerschaft, in der private Akteure in Vorleistung finanzieren und bauen und daraufhin 25 Jahre lang an die betreffende Region vermieten, die anschließend eine Kaufoption hat. Zählt man die PPP-Bauvorhaben und eine Reihe von Renovierungen, die von den Regionen selbst finanziert worden sind, hinzu, so ergibt sich eine Gesamtvorhabensumme von rund 60 Mrd. DKK [8,05 Mrd. EUR].

Hintergrund

2007 trat in Dänemark die sogenannte Strukturreform in Kraft, durch die 13 Landkreise [dän.: Ämter] in 5 für das Gesundheitswesen zuständigen Regionen zusammengefasst und 270 Kommunen auf 98 reduziert wurden. Regionen und Kommunen werden von vom Volk gewählten Räten geführt. Das Gesundheitswesen der Regionen wird mit Blockzuschüssen des Staates finanziert. Gleichzeitig tragen die Regionen die finanzielle und operative Verantwortung für die Gesundheitsversorgung, also anders als die Aufteilung in Deutschland mit den Krankenkassen als Finanzierern/Bezahlern einerseits und unabhängigen Gesundheitsleistungserbringern andererseits. Unter den Begriff Gesundheitswesen fallen in Dänemark Krankenhäuser in öffentlichem Besitz (> 97% aller Krankenhausbetten in DK), Ärzte der Allgemein- und Fachmedizin, Zahnärzte, Krankengymnasten/Physiotherapeuten u. a. m.

Die Schaffung der 5 Regionen ging mit einer Überprüfung der Krankenhausstruktur einher, weil eine Struktur, die für einen Landkreis optimal war, dies keineswegs für eine aus 2-4 Landkreisen bestehende Region war. Vor allem aber veröffentlichte die staatliche Gesundheitsbehörde 2007 Richtlinien für eine Neuordnung der Notfallversorgung, die von den Regionen eingehalten werden mussten. Die Gesundheitsbehörde ist das oberste gesundheitsfachliche Gremium Dänemarks.

Lt. Gesundheitsbehörde soll für Krankenhäuser mit Rund-um-die-Uhr- Notaufnahme eine Bevölkerungsbasis zwischen 200.000 und 400.000 Einwohnern gegeben sein – ausgenommen dünn besiedelte Gebiete, d. h. für Dänemarks 5,6 Mio. Einwohner würde die Anzahl der Notfallkrankenhäuser [dän.: Akutkrankenhäuser] zwischen 14 und 28 liegen. In allen Notfallkrankenhäusern sollte eine allgemeine, sprich: alle Notfallpatienten – ausgenommen Gebärende und Herzpatienten – abdeckende Akutaufnahme vorhanden sein. Notfallpatienten würden von Fachärzten und nicht mehr von Juniorärzten gesehen, wie es zuvor häufig der Fall gewesen war. Begründung: Verbesserung der Versorgungsqualität. Notfallpatienten sollten maximal 48 Stunden in der Notaufnahme verweilen bzw. innerhalb dieser Zeit entlassen oder an eine Fachstation überwiesen werden. Heute verweilen Notfallpatienten weniger als 24 Stunden in der Notaufnahme – und die meisten werden innerhalb von 24 Stunden nach Hause geschickt. Die Gesundheitsbehörde empfahl außerdem, dass somatische und psychiatrische Krankenhäuser sich am selben Standort befinden sollten.

In den Jahren 2007-2008 sollten die Regionen Krankenhauspläne nach den Richtlinien der Gesundheitsbehörde erstellen. Die Pläne waren der Behörde zwecks Stellungnahme vorzulegen. Die Regionen sollten u. A. darlegen, welche Krankenhäuser ihrer Ansicht nach Notfallkrankenhäuser mit allgemeiner Notaufnahme sein sollten. Dies führte im Ergebnis zu 21 Notfallkrankenhäusern, siehe Landkarte unten. Die Zentralregierung richtete ein fünfköpfiges Expertengremium ein, dem der Autor dieser Zeilen angehörte, um für die Regierung eine Beschlussvorlage für die Verteilung der 40 Mrd. DKK (Preise Stand 2008) zu erstellen und gleichzeitig zu bewerten, inwieweit die Regionen die Richtlinien und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde befolgt hatten. Die Regierung folgte den Empfehlungen des Ausschusses im Sinne einer Vollfinanzierung von 16 Notfallkrankenhäusern, während die Regionen selbst die übrigen 5 Notfallkrankenhäuser finanzieren sollten.

Das Expertengremium sichtete die Krankenhauspläne – u. A. hinsichtlich der Frage, ob die Anzahl der Krankenhausbetten angesichts des Umstandes angemessen sei, dass viele Behandlungen im Rahmen der Sofortchirurgie [dän.: Am-selben-Tag-Chirurgie] stattfinden bzw. ambulant in den Krankenhausambulatorien durchgeführt werden können. Gegenüber den Regionalplänen führte dies zu einer Kürzung der für die Notfallkrankenhäuser vorgesehenen Bettenanzahl um etwa 20% in den neuen Notfallkrankenhäusern im Vergleich zu den Regionalplänen. Ebenso wurde über die Größe der Einbettzimmer in den Notfallkrankenhäusern diskutiert, die politisch versprochen worden war. Die Größe wurde von +40 qm auf ca. 35 qm, inkl. Dusche und Toilette, reduziert.

Um Budgetüberschreitungen zu vermeiden, sollte für jedes Krankenhausprojekt ein Betrag für Änderungen und neue Wünsche, sog. change requests, vorab eingeplant sein. Auf diese Weise sollte ein – bei Neubauvorhaben sonst quasi als unvermeidlich geltender – Anstieg der Kosten vermieden werden. Dieses und ein sehr straffes Finanzmanagement haben dazu geführt, dass die Baubudgets eingehalten wurden.

Digitalisierung

Die Frage der Digitalisierung ist unabhängig von den Veränderungen in der Krankenhausstruktur. Digitalisierung bedeutet in Bezug auf Krankenhäuser u. A. elektronische Patientenakten, sog. Telemedizin und persönliche Gesundheitsdaten. Dänemark gilt als einer der Vorreiter in Sachen digitale Gesundheit.

„sundhed.dk“ ist der allgemeine Zugang bzw. das Portal zum digitalen Gesundheitssystem. Seit Ende 2003 finden Bürger und Fachleute im Gesundheitswesen über das allgemeine Gesundheitsportal Informationen über Gesundheit und Krankheit und haben über die persönliche digitale Signatur der Bürger Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten, z.B.: Arzneimittelinformationen, elektronische Patientenakten und Laborergebnisse.

Im E-Journal – die elektronische Patientenakte – kann jeder Bürger nachvollziehen, was Ärzte, Arzthelferinnen u. A. m. in seiner Akte vermerkt haben. Allgemein- und Fachmediziner können über das E-Journal krankenhaus- und regionsübergreifend auf die elektronische Akte des Patienten zugreifen. Die Daten liegen quasi in Echtzeit vor, sprich: werden alle 24 Stunden aktualisiert, sodass Entlassungsinformationen des Krankenhauses einen Tag nach der Entlassung einsehbar sind. Auf „sundhed.dk“ hat man auch Zugang zur allgemeinen sog. Medizinkarte, auf der Verschreibungen und Medikamentenverbrauch der betreffenden Person aufgeführt sind.

Die dänischen Krankenhäuser setzen natürlich elektronische Patientenakten ein. Es gibt dabei zwei Hauptsysteme: eines in den beiden ostdänischen Regionen und eines in den drei westdänischen. Das westdänische System wurde von einem großen dänischen Softwarehaus, Systematic, entwickelt und auf dänische Krankenhäuser zugeschnitten. Das andere ist ein in Amerika entwickeltes System, Epic, mit dem es bei der Implementierung im dänischen Kontext zu erheblichen Herausforderungen kam. Es sind die Regionen, die entscheiden, welches System sie einsetzen möchten.

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