Das Medikament Zolgensma ist seit Mitte Mai 2020 als erstes Gentherapeutikum zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie (SMA) europaweit zugelassen. SMA ist eine seltene Erkrankung, die durch einen Gendefekt verursacht wird und zu Muskelschwund führt. Eine einmalige Dosis soll laut Hersteller Novartis/AveXis den Krankheitsverlauf bei kleinen Kindern verzögern.

Die Kosten für eine Zolgensma-Therapie liegen in den USA bei 2,1 Millionen Dollar. In Deutschland ist das Arzneimittel seit 1. Juli 2020 mit einem Preis von 2,26 Millionen Euro (inkl. Mehrwertsteuer) auf dem Markt. Damit ist Zolgensma derzeit das teuerste Arzneimittel der Welt und sprengt mit einem Preis weit oberhalb der Millionengrenze für einen einzigen Patienten jeden bisherigen Rahmen.
Als Orphan Drug, einem Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen, wird Zolgensma im Januar 2021 vom Gemeinsamen Bundesausschuss mindestens einen gesetzlich fiktiven Zusatznutzen erhalten. Bei einem Orphan Drug ist der Kreis der Patienten, die gemäß Zulassung behandelt werden können, relativ klein. Schätzungen gehen für Deutschland von etwa 80 Kindern aus.
Unklar ist, ob nach der einmaligen Therapie mit Zolgensma noch eine weitere Therapie mit dem Präparat Spinraza notwendig ist, das bisher bei SMA zum Einsatz kam. Im Gegensatz zu Zolgensma muss Spinraza jedoch mehrfach und nicht nur einmalig angewendet werden. Die Kosten liegen bei einer längerfristigen Therapie bei rund 300.000 Euro pro Jahr.
Die Dosierung von Zolgensma richtet sich nach dem Körpergewicht des Patienten. Der Preis der Therapie ist jedoch unabhängig vom Gewicht und daher immer gleich. Demnach zahlt die Gesetzliche Krankenversicherung für Babys, die nur wenig Wirkstoff benötigen, denselben Preis, wie für ältere, schwerere Kinder. Gestaffelte Preise nach Verbrauch oder Dosierung wären eher nachvollziehbar. An diesem Vorgehen ist ersichtlich, dass sich die Preise von Gentherapien an den jahrelangen Kosten herkömmlicher Therapien orientieren, nicht aber an denen für die Entwicklung. Ein Umstand, den der BKK Dachverband kritisiert. Für derart hochpreisige Arzneimittel müssen andere, sinnvolle Preisfestsetzungsmechanismen gefunden werden.
Laut Arzneimittelfachinformation soll eine Behandlung mit Zolgensma in klinischen Zentren erfolgen. Im Augenblick ist aber eine Vereinbarung eines krankenhausindividuellen Entgelts zur Abrechnung des Arzneimittels überhaupt nicht möglich. Die Krankenkassen erhalten daher vorübergehend Einzelfallanträge zur Kostenübernahme. Der BKK Dachverband hat sich für die Festlegung und Empfehlung zur Nutzung eines einheitlichen Entgeltschlüssels auf Bundesebene eingesetzt, auch wenn der Einstandspreis des Arzneimittelherstellers als deutlich zu hoch eingeschätzt wird. Mit Definition des Entgeltschlüssels lässt sich die Anwendung des Arzneimittels in den Daten nachvollziehen.
Zolgensma erhielt am 19.05.2020 die Arzneimittelzulassung unter „Besonderen Bedingungen“: Der Hersteller des Medikaments muss weitere Nachweise für den Nutzen des Arzneimittels erbringen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur wird diese Nachweise zu dem Präparat mindestens einmal im Jahr bewerten.

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Natalie Kohzer
Referentin Arzneimittel
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Natalie Kohzer ist die Arzneimittel-Expertin des BKK Dachverbandes. Sie berät die Mitglieder bei Maßnahmen zur wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung und vertritt deren Interessen auf Bundesebene bei Fragen zur Kostensteuerung und Verträgen. Die Apothekerin und Gesundheitswissenschaftlerin hat zuvor in öffentlichen Apotheken, bei Krankenkassen und einem Landesverband gearbeitet.